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Ist QoS für VoIP/UC auch bei schnellen Netzwerken notwendig?

Die Bandbreite ist nicht alles: Warum QoS für reibungslose VoIP- und UC-Kommunikation immer noch entscheidend ist, besonders bei Echtzeitdaten und hybriden Netzwerktopologien.

Auch in Zeiten wachsender Bandbreiten bleibt Quality of Service (QoS) für die VoIP-Kommunikation ein kritischer Erfolgsfaktor. Während moderne Netzwerke heute mit Geschwindigkeiten von bis zu 10 GBit/s im LAN und Multi-Gigabit-Verbindungen im WAN aufwarten können, haben sich die Anforderungen an die Sprachqualität gleichzeitig deutlich erhöht.

Außerdem sind Unternehmensnetzwerke zunehmend hybrid aufgebaut, mit einer Mischung aus kabelgebundenen und drahtlosen Verbindungen. Das bringt zusätzliche Herausforderungen für die QoS-Optimierung mit sich. SD-WAN, SASE und CASB verändern ebenfalls die Netzwerktopologie und erhöhen die Komplexität von QoS-Strategien.

Die paradoxe Bandbreiten-Situation

Auf den ersten Blick scheint die Frage berechtigt: Warum sollte man bei Gigabit-Verbindungen noch über Paketpriorisierung nachdenken? Die Realität zeigt jedoch, dass die gestiegene Bandbreite oft von ebenso schnell wachsenden Anwendungen aufgefressen wird. Moderne UC-Plattformen (Unified Communications) wie Microsoft Teams oder Zoom vereinen nicht nur Sprach- und Videoanteile, sondern integrieren zunehmend KI-Funktionen, die zusätzlichen Traffic generieren. Gleichzeitig steigen die Qualitätserwartungen der Nutzer: Unterbrechungen oder Sprachverzerrungen werden heute weniger toleriert als noch vor einigen Jahren.

Besonders Echtzeitanwendungen wie Cloud-basierte VoIP-Dienste sind anfällig für Netzwerküberlastungen, wenn keine QoS-Regeln greifen. Auch Collaboration-Tools mit geteiltem Content und Whiteboard-Funktion erzeugen zusätzliche Last.

Bandbreitenanforderungen wichtiger Services.
Abbildung 1: Moderne Netzwerke können die Bandbreitenanforderungen für die meisten Services problemlos erfüllen. Aber Bandbreite ist nichts alles.

Jitter und Latenz sind unsichtbare Störfaktoren.

Das eigentliche Problem liegt weniger in der reinen Bandbreite als in der zeitlichen Verteilung der Pakete. Selbst bei nominell ausreichender Kapazität können Verzögerungsschwankungen (Jitter) die Sprachqualität erheblich beeinträchtigen. Dies ist besonders kritisch an Netzwerkübergängen, etwa zwischen hochperformanten LAN-Segmenten und Cloud-Anbindungen. Hier können schon kurze Verzögerungsspitzen von über 50 ms die subjektiv empfundene Gesprächsqualität deutlich reduzieren.

Zudem kann Paketverlust durch überlastete Router, fehlerhafte Netzwerkkonfigurationen oder mangelhafte Pufferung die Verständlichkeit erheblich beeinträchtigen. Auch Bufferbloat-Effekte in Netzwerkgeräten gewinnen zunehmend an Relevanz.

Moderne QoS-Ansätze

Die gute Nachricht ist, dass sich QoS-Mechanismen parallel zur Netzwerktechnik weiterentwickelt haben. Moderne Implementierungen gehen weit über einfache Priorisierungsregeln hinaus.

  • Application-Aware QoS erkennt und klassifiziert automatisch verschiedene Dienste.
  • Die dynamische Bandbreitenzuweisung passt sich Lastspitzen intelligent an.
  • KI-basierte Vorhersagemodelle antizipieren Engpässe, bevor diese auftreten.
  • Edge Computing kann dabei helfen, QoS-Entscheidungen näher an die Endnutzer zu bringen und die Latenzzeiten weiter zu minimieren.
  • Cloud-basierte SD-WAN-Lösungen ermöglichen die QoS-Kontrolle über mehrere Standorte hinweg mit zentralem Management und Automatisierung.

Insbesondere im WLAN-Bereich haben neue Standards wie Wi-Fi 6/6E und 7 mit neuen Funktionen die Möglichkeiten für garantierte Latenzzeiten deutlich verbessert. Dennoch bleibt eine gezielte QoS-Konfiguration unverzichtbar, insbesondere in dicht besiedelten Funkumgebungen mit vielen gleichzeitigen Nutzern.

Praktische Empfehlungen für die Implementierung

Für Netzwerkverantwortliche empfiehlt sich ein mehrstufiger Ansatz:

  • Durchgängige DSCP-Markierung für Sprachdaten. Das DSCP-Feld (Differentiated Services Code Point) im IP-Header dient der Klassifizierung und Verwaltung von Netzwerkverkehr sowie der QoS in IP-Netzwerken.
  • Separate VLANs für kritische Kommunikationsdienste gewährleisten bessere Sicherheit, Stabilität und Qualität, indem sie Echtzeitverkehr von anderen Anwendungen isolieren und priorisieren. Dadurch werden Latenz, Jitter und Netzwerküberlastungen reduziert.
  • Regelmäßige Überprüfung der Jitter-Werte.
  • Nutzung von SD-WAN-Funktionen für standortübergreifende QoS.
  • Echtzeit-Monitoring und adaptive QoS-Strategien können dabei helfen, Netzwerkprobleme frühzeitig zu erkennen und zu beheben.
  • Tools wie NetFlow, sFlow oder NBAR2 unterstützen die granulare Analyse von Sprach- und Videodatenströmen.

Fazit

Die Erfahrung zeigt, dass selbst in hochperformanten Netzwerken eine gezielte QoS-Strategie die Nutzerzufriedenheit signifikant erhöhen kann – bei vergleichsweise geringem Implementierungsaufwand. In Zeiten hybriden Arbeitens und verteilter Teams ist dies eine lohnende Investition.

Dieser Artikel wurde aktualisiert, um technische Veränderungen zu berücksichtigen und das Leseerlebnis zu verbessern.

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