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Was Hersteller unter dem Begriff „Einfachheit“ verkaufen

Hersteller bemühen sich, ihre Lösungen als einfach zu handhaben und zu verwalten anzupreisen, um Admins zu entlasten. Das scheint uns nicht immer eine gute Idee.

In den letzten Jahren hat sich ein deutlicher Trend bei Speicherlösungen herauskristallisiert: Alles muss einfacher werden! Ob das nun die Bedienoberfläche, Datenverwaltung oder automatisierte Prozesse sind. Anwender sollen mit den neuen Lösungen quasi alles zentral und wenn möglich mit nur sehr wenigen Mausklicks erledigen können. Die Versprechungen der Branche klingen ebenso vollmundig.

„Keine Linux-Kenntnisse nötig.“ „Kein Volume-Management erforderlich.“ „Log-Files analysieren wird überflüssig.“ „RAID-Wissen wird nicht benötigt.“ Das sind alles Aussagen renommierter Storage-Firmen, die allein in 2021 getroffen wurden. Einher mit diesen Einfachheits-Lobhudeleien geht das Konzept, den Kunden die Hardware nicht mehr zu verkaufen, sondern im Prinzip als Leasingmodell an den Mann zu bringen.

In den meisten Fällen mit den dazugehörenden Services. „Erleichtern Sie sich das Management, in dem Sie das System ABC, das dann noch uns gehört, von uns verwalten und warten lassen.“ Administratorenschulungen entfallen oder Spezialwissen ist nicht mehr gefragt, da ja alles aus einer Hand eingekauft wird.

Eingekauft – wie gesagt – auch eher bedingt, da viele Unternehmen dazu übergehen, die Hardware eben nur nach verbrauchtem Bedarf zu bezahlen und nicht direkt zu kaufen.

Hinzu kommen zahlreiche neue Verwaltungs-Tools, die durch bunte und aufgeräumte Oberflächen, tatsächlich eine neue Bedienerfahrung bieten. „Komplex“: das war einmal. „Komplex“: das gibt es nicht mehr. Alles ist einfach, alles ist gut. Leider sehe ich das nicht ganz so einfach.

Es ist in der Tat so, dass durch zahlreiche neue Funktionen – wie Virtualisierungen, Provisioning-Methoden, Cloud-Optionen – die Komplexität in den Speicherumgebungen zugenommen hat. Und steigende Anforderungen an Datenvorhaltung, Backup und Recovery machen das Leben eines Storage-Administrators nicht wirklich einfacher. Deswegen begrüßen Anwender natürlich Produkte (Hardware, Software, Services), die einfache Konfiguration, Verwaltung, Fehlerbehebungen oder Wartung ermöglichen.

Es gibt meines Erachtens hier allerdings eine Kehrseite der ach so gepriesenen Einfachheit. Unter der Motorhaube der Vereinfachung bleibt nämlich weiterhin alles hoch komplex oder wird eventuell noch komplexer als ohnehin schon.

Davon soll der Anwender aber nichts mitbekommen, sondern in der Lage sein, mit seinem Windows-10-Wissen oder Management-Webbrowser-Kenntnissen diffizile Speicherprozesse anzustoßen und umzusetzen. Soll heißen, ein einfacher IT-Generalist soll hier dank einfacher Bedienung alles erledigen können. Drei Klicks und 500 GByte Speicher sind bereitgestellt. Zwei Klicks mehr und die Daten der Personalabteilung werden regelmäßig unter Azure gespeichert. Schöne, neue – einfache – Welt.

Was aber, wenn es zu Ausfällen auf der Ebene unter der Einfachheits-Abstraktionsschicht kommt? Oder wenn die Bedienoberfläche versagt oder ein Systemausfall nicht einfach per Selbstheilung oder Klick beseitigt werden kann. Es könnten auch bei der Datenwiederherstellung Probleme auftreten, die das entsprechende Tool nicht gleich erkennt oder adressiert.

In einem solchen Fall ist Kunde König vollständig abhängig von seinem Einfachheits-Dealer, denn der Hersteller hat hier im Zweifel das Hoheitswissen und der IT-Generalist eben keine Ahnung von Kommandozeilen, Log-Pulls oder RAID-Leveln. Das wiederum bezahlt der Anwender und muss eventuell auch noch kostbare Zeit investieren, bis der Hersteller sich das Problem näher ansehen und beheben kann – hängt auch vom Service-Level ab. So kann sich die Kostenrechnung, die mit einfach eben auch einfach günstig klang, ins Gegenteil verkehren.

Das Ganze erinnert ein wenig an die Evolution unserer Automobile in den letzten 25 Jahren. Gab es in den 1990er Jahren noch ein florierendes Geschäft mit DIY-Reparaturbüchern und Werkzeug, ist man heute kaum in der Lage, unter der Motorhaube noch zu identifizieren, welche Komponente was übernimmt, und wie viele elektronische Bauteile und Sensoren mittlerweile eine Rolle spielen.

Für eine Wartung oder Reparatur kommt der Mechaniker – Verzeihung, Mechatroniker – nicht mit dem Schraubenschlüssel, sondern mit dem Computer. Der Verbraucher hat sich größtenteils diesem Schicksal gefügt und zahlt dann eben extra dafür, dass er Fachwissen in Anspruch nimmt. Nur eine kleine Gruppe an Automobilenthusiasten ist nach wie vor bestrebt, dieses Wissen zu erlernen und anzuwenden.

Wie schwerwiegend solch fehlendes Wissen sein kann, zeigte sich unlängst im Fall der Colonial Pipeline, die von einem Hacker-Angriff betroffen war. Nicht nur die abgeschalteten Rechner sorgten für Probleme, sondern vielmehr die Tatsache, dass die meisten Mitarbeiter, die wissen, wie diese Prozesse noch manuell umsetzen können, ganz einfach nicht verfügbar waren.

Entweder hatten sie die Firma verlassen oder sich in den Ruhestand begeben. Es kostete die Organisation mehr als eine Woche, um die Geschäftsprozesse halbwegs wieder auf „normal“ zu setzen.

Ich möchte an dieser Stelle „einfache Lösungen“ nicht verteufeln. Unternehmen benötigen Transparenz – nicht gleichzusetzen mit „einfach“ – und Automatisierung, um den komplexen Gegebenheiten nicht nur in ihren Speicherumgebungen gewachsen zu sein. Ob man sich dafür allerdings ganz dem Hersteller verschreiben sollte, sehe ich eher kritisch.

IT-Generalisten werden sicher eine große Rolle in den Rechenzentren spielen, trotzdem sollten Geschäftsführung und IT-Abteilung wirklich abwägen, wie viel Spezialwissen man wirklich aus der Hand geben möchte. Keine Firma würde je auf seinen Mainframe-Spezialisten oder AS400-Experten verzichten wollen, warum dann auf Admins, die grundlegendes Storage-Wissen mitbringen? Letztlich ist es eine Frage der Kostenrechnung und das müssen Unternehmen eben für sich verantworten.

Darüber hinaus: Nichts ist so beständig wie der Wandel. Die Welle an Outsourcing beziehungsweise Hosted Services, die wir jetzt sehen, ist nicht die erste und wahrscheinlich auch nicht die letzte. Und in ein paar Jahren sehen wir den Gegentrend. So einfach ist das.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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