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Kubernetes: Do-it-yourself endet oft im Chaos
Unkoordinierter Kubernetes-Einsatz führt zu IT-Fragmentierung und blockiert dynamische Ressourcenoptimierung. Die Lösung liegt in der Zentralisierung und Standardisierung.
In der Unternehmens-IT gehört Kubernetes längst zum Standard-Repertoire. Zu offensichtlich sind die Vorteile moderner, containerbasierter Anwendungen wie hohe Portabilität, gesteigerte Agilität und Effizienz. Kubernetes ist unbestritten die universelle Plattform für das Management solcher Anwendungen im großen Maßstab. Das beliebte Open-Source-Projekt verspricht niedrige Kosten und den starken Rückhalt einer engagierten Community.
In der Tat zählt die außergewöhnlich aktive Community zu den größten Stärken des Kubernetes-Ökosystems und erleichtert Neueinsteigern den Zugang zu einer für sie neuen und komplexen Technologie erheblich. Doch wie so oft im Leben: Was auf den ersten Blick der größte Vorteil ist, kann sich schnell als Achillesferse entpuppen.
Denn die kontinuierlich sinkende Einstiegshürde führt in der Praxis oft dazu, dass Unternehmen Kubernetes unkoordiniert einsetzen – mit dem unerwarteten, aber unvermeidlichen Effekt, dass genau jene Vorteile zunichte gemacht werden, derentwegen Kubernetes ursprünglich implementiert wurde. Um diesem Trend entgegenzuwirken, benötigen Unternehmen dringend einen strategischen Ansatz, der auf Zentralisierung und Standardisierung setzt. Damit Ordnung in das Chaos versprengter Kubernetes-Inseln einkehrt.
Das verborgene Komplexitätsmonster
Die Kubernetes-Community brilliert mit einer beeindruckenden Sammlung an Tutorials, Leitfäden und interaktiven Foren, die Einsteigern den Weg in die komplexe Technologie ebnen. Flankiert wird dies durch fortlaufend entwickelte Cloud-native Tools, um die inhärente Komplexität zu reduzieren. Der typische Lernpfad führt Neulinge rasch zu den Kernkonzepten – Pods, Services, Volumes, Controller – und zum erhebenden Erfolgserlebnis, die erste eigene verteilte Anwendung in Betrieb zu nehmen.
Doch genau hier beginnt die eigentliche Herausforderung: Der produktive Einsatz von Kubernetes erfordert weit mehr als nur Grundkenntnisse des Frameworks selbst. Vielmehr muss ein ganzes Ökosystem verwandter Cloud-nativer Technologien beherrscht werden – von Observability und Logging über Networking und Security bis hin zu Storage sowie Identity und Access Management (IAM). Jede dieser Komponenten bringt ihre eigene Lernkurve mit, folgt individuellen Release-Zyklen und erfordert spezifisches Know-how für Integration und Troubleshooting.
Die technisch bedingte Komplexität steht in deutlichem Widerspruch zum eigentlichen Versprechen auf größere Agilität. Kein Unternehmen kann es sich leisten, wertvolle Entwickler- und Administratorenressourcen mit operativen Routineaufgaben zu binden und zu vergeuden. Die logische Konsequenz: Viele Unternehmen suchen Hilfe von außen, um die wachsende Last zu bewältigen.
Cloud-first: Einfachheit oder Illusion?
Angesichts der technischen Hürden greifen viele Unternehmen auf Managed-Kubernetes-Dienste der großen Cloud-Provider wie Amazon EKS oder Microsoft AKS zurück. Die Vorteile liegen auf der Hand: Deployment per Mausklick, automatisierte Updates und nahtlose Skalierung im Hintergrund – ergänzt durch ein umfangreiches Portfolio an gemanagten Add-on-Services. Doch hinter der vermeintlich einfachen Lösung lauern erhebliche strategische Risiken.
Das primäre Risiko ist der schleichende Vendor Lock-in. Die Kubernetes-Dienste der Hyperscaler und ihre ergänzenden Cloud-nativen Angebote sind proprietäre Services. Besonders Komponenten außerhalb des Kubernetes-Kerns werden nicht von der Open-Source-Community, sondern von den Cloud-Anbietern selbst entwickelt. Dies führt unweigerlich dazu, dass die ursprüngliche Portabilität containerisierter Anwendungen verlorengeht – sei es für Migrationen zu anderen Cloud- oder zu On-Premises-Umgebungen.
Ein weiterer Fallstrick sind die langfristigen Kostenstrukturen. Während die Einstiegstarife für Kubernetes-Dienste oft attraktiv erscheinen, steigen die Gesamtkosten exponentiell mit der Hinzunahme weiterer Cluster, Storage-Services und Monitoring-Funktionen. Hinzu kommt der nicht zu unterschätzende Aufwand für Integration und Automatisierung. Dafür ist proprietärer Code notwendig, der wieder gewartet werden muss – ein Teufelskreis aus steigenden Kosten und wachsender Komplexität entsteht. Erreichen die operativen Ausgaben einen kritischen Schwellenwert, erweisen sich die Investitionen in das Erlernen Cloud-spezifischer Technologien als Fehlallokation von Ressourcen. Gleichzeitig werden die Hürden für einen Plattformwechsel – Zeit, Aufwand und Datenmigrationskosten – immer höher und kaum noch überwindbar.
Selbstgemacht: Alternative oder Chaos?
Unternehmen hingegen, die sich keine Hilfe von außen holen wollen, setzen kompromisslos auf die Open-Source-Karte und wollen alle Aufgaben in Eigenregie bewältigen. Die Cloud Native Computing Foundation (CNCF) bietet einen umfassenden Katalog zu allen Projekten, die für eine vollständige Kubernetes-Implementierung notwendig sind.
Die gravierendste Folge des Do-it-yourself-Ansatzes ist jedoch nicht allein der bereits erwähnte Mehraufwand, sondern die schleichende Fragmentierung der IT-Landschaft. Ohne zentrale Governance beginnen die verschiedenen Teams, ihre individuellen Kubernetes-Stacks und Workflows zu entwickeln – ohne übergreifendes Standardisierungskonzept und ohne konsistente Sicherheitsrichtlinien für die einzelnen Umgebungen. In Großunternehmen, in denen der flächendeckende Einsatz von Kubernetes ohne methodischen Unterbau verordnet wird, resultiert dies nicht selten in tausenden unterschiedlichen Implementierungen ohne Interoperabilität.
Diese technische wie auch organisatorische Unwucht unterminiert nicht nur die Effizienz und Portabilität der Anwendungen, sondern blockiert auch einen der zukunftsweisendsten Vorteile von Kubernetes: die dynamische Ressourcenoptimierung im großen Maßstab. Demgegenüber können nur Unternehmen, die ihre gesamte Infrastruktur mithilfe eines einheitlichen Container-Managements aufgebaut haben, das volle Potenzial ausschöpfen – etwa durch plattformübergreifende elastische Skalierung während Lastspitzen und intelligente Ressourcenfreigabe für Batch-Prozesse bei Niedriglast. Ein verlockender Effizienzgewinn, der ohne konsolidiertes Kubernetes-Management ein unerreichbares Ziel bleibt.
Den Gordischen Knoten durchschlagen
Die Lösung liegt in der Etablierung eines zentralen Engineering-Teams für Cloud-native Technologien und Anwendungen. Diese Expertengruppe muss die fundamentale Herausforderung erkennen und annehmen: Kubernetes und seine komplementären Cloud-nativen Technologien werden unweigerlich in heterogenen Umgebungen eingesetzt – von On-Premises-Infrastrukturen mit virtuellen Maschinen oder Bare-Metal-Servern bis hin zu diversen Public-Cloud-Plattformen. Nötig ist deshalb ein Betriebsmodell, das konsequent auf Hybrid- und Multi-Cloud-Szenarien ausgerichtet ist, um Kubernetes-Anwendungen plattformunabhängig zu entwickeln und zu betreiben.
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„Die gravierendste Folge des Do-it-yourself-Ansatzes ist jedoch nicht der Mehraufwand, sondern die schleichende Fragmentierung der IT-Landschaft. Ohne zentrale Governance beginnen die verschiedenen Teams, ihre individuellen Kubernetes-Stacks und Workflows zu entwickeln, ohne übergreifendes Standardisierungskonzept und ohne konsistente Sicherheitsrichtlinien.“
Tobi Knaup, Nutanix
Die Kernaufgabe des Teams besteht in der Entwicklung eines standardisierten Cloud-native-Stacks mit automatisierter Bereitstellung und Wartung – vergleichbar mit den Managed Services der Public-Cloud-Anbieter, jedoch mit Open-Source-Technologien als Fundament. Die dazu geeignete Plattform und die passenden Engineering-Werkzeuge muss das Team sorgfältig auswählen. KO-Kriterium ist dabei die Unterstützung der deklarativen Cluster API von Kubernetes, die eine konsistente Orchestrierung über private und öffentliche Cloud-Umgebungen hinweg ermöglicht.
Für Greenfield-Projekte bietet dieser zentralisierte Ansatz optimale Voraussetzungen. Doch wie gehen Unternehmen mit bereits bestehenden Kubernetes-Landschaften um, die sie kaum noch beherrschen und entwirren können? Der erste Schritt, um den Gordischen Knoten zu lösen, erfordert klare Führung: Das Management muss unmissverständlich klar machen, dass der Status quo nicht mehr tragfähig ist. Im zweiten Schritt kann das zentrale Team bestehende Kubernetes-Implementierungen Stück für Stück einem Refactoring unterziehen und in den neuen, einheitlichen Stack überführen.
Vorhandene Expertise wertschätzen
Diese strategische Neuausrichtung wird nicht überall auf Begeisterung stoßen. Entwickler und DevOps-Spezialisten, die Zeit und Energie in maßgeschneiderte Einzellösungen investiert haben, zeigen natürlichen Widerstand. Umso wichtiger ist es, bereits vorhandene Cloud-native-Experten aktiv einzubinden – sei es durch Einladung zur Mitarbeit oder durch direkte Integration ins zentrale Team. Die langfristigen Vorteile überwiegen deutlich: gesteigerte Entwicklerproduktivität und die Wiederherstellung jener Agilität und Effizienz, die ursprünglich die Begeisterung für Kubernetes entfacht hat.
Über den Autor:
Tobi Knaup ist ehemaliger CEO von D2iQ, des führenden unabhängigen Kubernetes-Unternehmens, das er mitbegründet hat und dessen Technologie 2023 von Nutanix übernommen wurde. Als General Manager of Cloud Native bei Nutanix beaufsichtigt er die Entwicklung des Nutanix-Portfolios für Kubernetes und Cloud-native. Die D2iQ-Technologie wird von einer Vielzahl von Fortune-500-Unternehmen und Regierungsbehörden, einschließlich des US-Verteidigungsministeriums, für ihre Modernisierungsinitiativen und unternehmenskritischen Anwendungen eingesetzt. Als Cloud-native-Pionier verfügen Tobi Knaup und sein Team über mehr als ein Jahrzehnt Erfahrung bei der Bewältigung der komplexesten Cloud-native-Implementierungen in der Branche.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.