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Die Standortfrage: wo ist noch Platz für Rechenzentren?

In Europa steigt die Nachfrage nach Rechenzentrumskapazität stetig. Das führt zu Schwierigkeiten an klassischen IT-Standorten, die sich in anderen Regionen umgehen lassen.

Es besteht kein Zweifel: Der Rechenzentrumsmarkt erlebt durch die Pandemie und die damit verstärkte Digitalisierung einen Boom. Bekannte Standorte wie Tokio, Zürich oder der FLAP-D-Markt (Frankfurt, London, Amsterdam, Paris, Dublin) stoßen bereits jetzt langsam an ihre Grenzen. Und auch der Rechenzentrumsbau in Deutschland ist nicht unbedingt an jedem Ort gerne gesehen – vor allem, wenn er die Anwohner stört.

Frankfurt ist in FLAP derzeit der Wachstumsmarkt Nummer eins für Rechenzentren. Das wirkt sich auf die Preisgestaltung aus, da die Nachfrage die zur Verfügung stehenden Kapazitäten bei weitem übersteigt. Bekannte Anbieter wie SAP weichen auf Nebenmärkte aus, die deutschlandnah sind. Als Gründe, ein Rechenzentrum in Schweden zu bauen, nennt SAP grünen Strom aus Wasserkraft, günstige Stromtarife, transparente Genehmigungsverfahren und sehr wettbewerbsfähige Bodenpreise. Neu zu bauen ist eine Möglichkeit. Bereits bestehende neue Rechenzentren zu nutzen eine Alternative, vor allem, wenn es schnell gehen soll.

Unternehmen sollten sich entwickelnde Märkte genauer anschauen

Sich entwickelnde Märkte sind ein lohnendes Ziel für Nutzer von Rechenzentren wie große Cloud-Anbieter, Internet-Anbieter sowie Unternehmen aller Branchen. Beschäftigt man sich näher mit einzelnen deutschlandnahen Ländern, bemerkt man schnell, dass diese mit neu gebauten, energieeffizienten, hochwertig ausgestatteten Rechenzentren aufwarten, die den deutschen Sicherheits- und Compliance-Standards entsprechen. Hinzu kommt, dass die Rechenzentren ausreichend Kapazität direkt zur Verfügung stellen können und selbst beim Betrieb mit 100 Prozent grünem Strom mit niedrigeren Strompreisen punkten. Ausfallsicherheiten liegen bei bis zu 99,9995 Prozent und einige erfüllen bereits die strengen Anforderungen der Rated 4 ANSI/TIA-942-Zertifizierung. Sie ist ein Nachweis dafür, dass das Rechenzentrum den höchsten Sicherheitsstandards in Bezug auf Konzeption, Mechanik, Stromversorgung und Telekommunikation entspricht.

Muzaffer Ege, Beyond.pl

Beschäftigt man sich Anbietern in deutschlandnahen EU-Ländern, bemerkt man schnell, dass diese mit neu gebauten, energieeffizienten, hochwertig ausgestatteten Rechenzentren aufwarten, die den deutschen Sicherheits- und Compliance-Standards entsprechen.

Muzaffer Ege, Beyond.pl

Kunden können umfangreiche Servicepakete in Anspruch nehmen, die unter anderem Colocation-Services, Konnektivität und IT-Administrationsunterstützung beinhalten. Durch moderne Technik wie Mixed-Reality-Brillen können sie ihre IT-Ressourcen aus der Ferne verwalten und ihre Geräte in Echtzeit von jedem Ort aus einsehen. Diese sogenannten Smart-Hand-Services erleichtern die Wartungsarbeiten und überwinden die Barriere der räumlichen Entfernung zum Rechenzentrum. Ebenso halten diese Rechenzentren diversifizierte Hochgeschwindigkeits-Internetverbindungen mit geringer Round-Trip-Latenz vor. Diese beträgt dann beispielsweise gerade einmal 11 Millisekunden zwischen Frankfurt und dem polnischen Posen sowie 4 Millisekunden nach Warschau oder Berlin.

Trendthema: IT in nachhaltigen Rechenzentren hosten

Wenn man noch genauer hinschaut, kommen aus diesen Ländern interessante innovative Lösungen, die Unternehmen dabei unterstützen ihre Klimaziele zu erreichen. Mit der Nutzung von nachhaltigen Rechenzentren können sie ihren CO2-Fußabdruck deutlich verringern und die negativen Auswirkungen ihrer IT-Infrastruktur auf die Umwelt reduzieren. Solche nachhaltigen Rechenzentren weisen einen geringen PUE-Wert von etwa 1,2 auf und verfügen über ein adiabatisches Kühlsystem, das die traditionelle Methode der Kühlung von Racks mit energieintensiven Geräten überflüssig macht. Die von Servern und anderen Geräten in den Räumen des Rechenzentrums erzeugte Wärme wird wiederverwendet, um Büros sowie Logistik- und Versorgungseinrichtungen auf dem Rechenzentrums-Campus zu beheizen. Die gesamte IT-Infrastrukturplattform wird in Rechenzentren betrieben, die zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gespeist werden und basiert beispielsweise auf modernen Intel-, Dell- sowie effizienten und ökologischen HPE-GreenLake-Lösungen.

Ein Admin arbeitet an einem Server
Abbildung 1: Mit modernen Technologien wie Mixed Reality erleichtern Rechenzentren ihren Kunden die Wartung.

Die genannten Aspekte werden bei der Auswahl des richtigen Rechenzentrumsanbieters immer entscheidender. Vor allem, wenn man sich die Zahlen der aktuellen Bitkom-Studie „Rechenzentren in Deutschland“ (durchgeführt vom Borderstep Institut), ansieht. Laut dieser hat sich der Energiebedarf deutscher Rechenzentren und kleinerer IT-Installationen von 2010 bis 2020 von 10,5 auf 16 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr gesteigert – das entspricht einem Anteil von 0,6 Prozent des Gesamtenergiebedarfs in Deutschland 2020. Die Studie weist auch darauf hin, dass das Wachstum der Rechenzentrumskapazitäten vor allem auf den zunehmenden Ausbau von Cloud Computing zurückzuführen ist. Die Kapazitäten in Cloud-Rechenzentren haben sich zwischen 2016 und 2021 um 150 Prozent erhöht. Bis 2025 wird sich Cloud Computing zum dominierenden Bereitstellungsmodell entwickeln und mehr als die Hälfte der Rechenzentrumskapazitäten ausmachen.

Der Blick über den Tellerrand lohnt sich

Neben Schweden oder Finnland, wo Microsoft ein neues Rechenzentrum plant, bietet sich beispielsweise auch Polen an für Unternehmen, die einen geographisch diversifizierten, aber dennoch kostengünstigen und gut vernetzten Standort innerhalb der Europäischen Union suchen, außerhalb der teuren FLAP-D-Standorte. Microsoft, Google und AWS haben das Land bereits für sich entdeckt und in den letzten Jahren neue Rechenzentren errichtet. Analysten von PMR Market Expert sagen ein Wachstum bis zu 181 MW im Jahr 2026 voraus.

In Polen gelten dieselben strengen EU-Datenschutznormen. Zusätzliche Sicherheit gewährt zudem der Aspekt, dass das IT-Personal als eines der besten weltweit gilt. Polnische Mitarbeiter sind international gefragt. Sie zählen zu den besten Software-Entwicklern. Harvard Business Review ordnet Polen auf Platz 5 der am besten qualifizierten Arbeitsmärkte der Welt ein. Forbes nennt Polen reich an technologischen Innovationen und Talenten. Die polnische Industrie behauptet sich aufgrund der niedrigeren Geschäftskosten und der günstigen Lage im Zentrum Europas erfolgreich im Wettbewerb. Das Land dürfte sich in den kommenden Jahren zu einer interessanten neuen Anlaufstelle für Data-Center-Betreiber, Managed Service Provider sowie IT-Hosting-Unternehmen entwickeln.

Über den Autor:

Muzaffer Ege, Ingenieur der Elektrotechnik, hat mehr als 22 Jahre Erfahrung im internationalen Data Center Business. Er durchlief mit interxion Deutschland GmbH, TELEHOUSE Deutschland GmbH und NTT Global Data Centers EMEA GmbH renommierte Data Center Provider in Deutschland und betreute von Kleinstkunden bis hin zu Hyperscalern viele namhafte nationale sowie internationale Kunden. Ege war sowohl im operativen Bereich in der Kundenimplementierung als auch in der Kundenakquise tätig. Derzeit ist er als Director Sales DACH Region bei Beyond.pl zuständig für die Kundenakquise für das erste Rated-4 Data Center in der EU.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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