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Wie die Abwärmenutzung die Energiewende vorantreiben kann

Rechenzentren erzeugen große Mengen Abwärme. Deren Nutzung bietet enormes Potenzial für eine nachhaltige Energieversorgung, wenn Infrastruktur und Planung zusammenpassen.

Nicht nur hohe Energiekosten, sondern auch Umweltauflagen und eigene Nachhaltigkeitsziele zwingen Unternehmen und öffentliche Einrichtungen dazu, ressourcenschonende Energielösungen zu suchen. Rechenzentren, insbesondere in dicht besiedelten Regionen wie Frankfurt, stehen dabei im Fokus. Während sie kritische digitale Dienste bereitstellen, erzeugen sie erhebliche Mengen an Abwärme, die als Energiequelle genutzt werden könnten.

Die Bedeutung der Energieeffizienz in Rechenzentren

Rechenzentren investieren zunehmend in innovative Technologie und nachhaltige Lösungen, insbesondere in Projekte zur Abwärmenutzung. So kann die Branche sicherstellen, dass sie langfristig Teil der Energiewertschöpfungskette wird. Denn derzeit beträgt der Stromverbrauch deutscher Rechenzentren bereits rund 20 Terawattstunden – eine Zahl, die sich je nach Schätzung in den kommenden Jahren auf 39 bis 88 Terawattstunden erhöhen dürfte. Größere Hyperscale-Rechenzentren arbeiten jedoch meist wesentlich effizienter als kleinere Rechenzentren in Unternehmen vor Ort. Mit PUE-Werten (Power Usage Effectiveness) von nur 1,2 verbrauchen sie weit weniger Energie als insbesondere kleine Rechenzentren mit PUE-Werten von 3 bis 4. Das bedeutet, dass der Anstieg des Energieverbrauchs trotz des Wachstums des Sektors weit weniger dramatisch ausfällt, als es ohne diese Effizienzsteigerungen der Fall wäre. Denn mit dem steigenden Bedarf an digitalen Dienstleistungen wächst nicht nur der Energieverbrauch von Rechenzentren, sondern auch die Bedeutung von effizienter Energienutzung in der Branche.

Daher schreibt das Energieeffizienzgesetz vor, dass Rechenzentren mit einer nicht redundanten Nennanschlussleistung ab 300 kW, die nach den 1. Juli 2026 in Betrieb gehen, Abwärme zur Verfügung stellen müssen. Denn durch die sinnvolle Nutzung tragen Rechenzentren zur Dekarbonisierung bei. Doch wie genau lässt sich Abwärme effizient nutzen? Und wo sind die Grenzen der derzeitig geplanten Maßnahmen?

Grundlagen der Abwärme in Rechenzentren

Die entstehende Abwärme in Rechenzentren resultiert aus dem Betrieb von Servern, die kontinuierlich gekühlt werden müssen. Diese Kühlung verursacht einen hohen Energiebedarf. Anstatt die Abwärme einfach in die Umgebung abzugeben, könnte sie zur Beheizung von Wohnquartieren oder zur Unterstützung industrieller Prozesse genutzt werden. Ein einzelnes großes Rechenzentrum mit einer Auskopplung von 40 MW Wärme und einem ausgeklügelten Wärmeverteilungsnetz kann genug Abwärme liefern, um je nach Bauart circa 25.000 - 100.000 Haushalte zu beheizen. Städte wie Kopenhagen oder Stockholm setzen bereits konsequent auf solche Wärmenutzungskonzepte. Auch in Deutschland gibt es erste vielversprechende Ansätze – jedoch fehlen vielerorts noch die infrastrukturellen Voraussetzungen und Wärmenetze für eine breite Umsetzung.

Technologische Möglichkeiten der Abwärmenutzung

Um Abwärme effizient nutzbar zu machen, gibt es verschiedene Technologien. Eine Möglichkeit ist der Einsatz von Wärmetauschern, die eine direkte Einspeisung in bestehende Nahwärmenetze ermöglichen. Eine weitere Lösung sind Wärmepumpensysteme, die niedrige Abwärmetemperaturen auf ein nutzbares Niveau anheben. Besonders vielversprechend sind Liquid-to-Chip-Kühlsysteme. Diese fortschrittliche Methode zur Wärmeableitung in Hochleistungsrechnern und Rechenzentren kombiniert Flüssigkeitskühlung mit der direkten Kühlung der Chips. So wird die Effizienz der Wärmeabfuhr maximiert. Die Abwärme wird durch die höhere Temperatur besser nutzbar und es braucht weniger Energie, damit sie in Wärmenetze eingespeist werden kann.

Carsten Schneider, CyrusOne

„Für eine erfolgreiche Abwärmenutzung ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Rechenzentren, Immobilienbesitzern und Kommunen mit ihren Energieversorgern essenziell.“

Carsten Schneider, CyrusOne

Der Standort Frankfurt Westside ist ein Beispiel dafür, wie Rechenzentren in ein neu entstehendes Areal energetisch eingebunden werden können. Hier ist ein Abwärmesystem im Bau, das den gesamten Industrie- und Gewerbepark mit Heiz- und Kühlenergie versorgen kann. Durch eine strategische Integration kann die Nutzung der Abwärme optimiert und wirtschaftlich sinnvoll gestaltet werden. Auch ältere Quartiere könnten langfristig auf emissionsfreie Wärmelösungen aus Rechenzentren setzen. Jedoch ist die Frankfurt Westside ein Sonderfall, denn selten haben Städte- und Immobilienplaner die Möglichkeit, ein gesamtes Stadtviertel komplett von Grund auf neu zu gestalten – inklusive sämtlicher Infrastruktur, Straßen, Leitungen und Heizungs-, sowie Kälteanlagen. Müssen insbesondere das Netz und neue Heizsysteme für Abwärmenutzung jedoch im Bestand nachgerüstet werden, stößt man schnell auf Schwierigkeiten in der Umsetzbarkeit.

Herausforderungen der Abwärmenutzung

Für eine erfolgreiche Abwärmenutzung ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Rechenzentren, Immobilienbesitzern und Kommunen mit ihren Energieversorgern essenziell. Während die Rechenzentrumsbranche gesetzlich verpflichtet ist, Abwärme bereitzustellen, und dies oft relativ kurzfristig umsetzen kann, sind viele Kommunen strukturell und planerisch noch nicht so weit. Viele Städte verfügen noch nicht über ihre kommunale Wärmeplanung und die daraus folgende konkrete Umsetzungsplanung. Dies führt zu einem Ungleichgewicht: Auf der einen Seite steht die sofort verfügbare Wärmequelle, auf der anderen Seite fehlt es oft an den notwendigen Netzen, um diese Wärme auch tatsächlich zu nutzen.

Ein weiteres Hindernis ist die Infrastruktur. Der Ausbau von Wärmenetzen erfordert hohe Investitionen, die sich erst langfristig amortisieren. Diese Investition ist nicht in allen Fällen gesichert. Zudem bereitet es oft Schwierigkeiten, die konkret anstehenden Maßnahmen in laufende städtische Bauvorhaben zu integrieren.

Zusätzlich gibt es technische Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf die Temperaturunterschiede. Während Nahwärmenetze oft Temperaturen von über 100 Grad benötigen, liefern Rechenzentren in der Regel unter 30 Grad. Um diese nutzbar zu machen, sind zusätzliche Wärmepumpen erforderlich, die wiederum Energie verbrauchen und Kosten verursachen. Ohne entsprechende Fördermaßnahmen bleiben viele Projekte daher wirtschaftlich schwer umsetzbar. Eine verstärkte Kooperation zwischen allen Beteiligten und eine vorausschauende städtische Planung könnten jedoch dazu beitragen, diese Hürden zu überwinden und die Abwärmenutzung als festen Bestandteil der Energiewertschöpfungskette zu etablieren.

Wirtschaftliche und ökologische Aspekte

Die Nutzung von Abwärme bietet sowohl wirtschaftliche als auch ökologische Vorteile. Für Rechenzentren bedeutet sie eine verbesserte Energieeffizienz und die Möglichkeit, Nachhaltigkeitsziele zu erfüllen. Kommunen und Industrie profitieren von einer kostengünstigen, klimafreundlichen Wärmequelle. Durch die Einspeisung in bestehende Fernwärmenetze ließen sich so tausende Tonnen CO2 pro Jahr vermeiden. Gleichzeitig können insbesondere Industriepartner von günstigen Energiekonditionen profitieren. Unternehmen, die frühzeitig auf nachhaltige Lösungen setzen, profitieren zudem von steigender öffentlicher Akzeptanz und regulatorischen Vorteilen.

Das bereits erwähnte Projekt auf dem Frankfurt Westside Campus wird von unserem Rechenzentrum FRA7 gespeist. Es verkörpert ein Modell der Abwärmenutzung in einem gemischt genutzten Areal. Bei voller Kapazität kann das Rechenzentrum bis zu 40 MW an Abwärme in das Nahwärmesystem einspeisen. Diese Wärme wird zentral gespeichert, um dann mit einem Niedertemperaturnetz an die verschiedenen Gebäude auf dem Gelände weitergegeben zu werden. Die angrenzenden Industrie- und Gewerbebereiche können auf diese Weise unmittelbar auf das Rechenzentrum als einzige Wärme- und Kältequelle zurückgreifen und vollständig aus Abwärme betrieben werden. Die Aufbereitung der Abwärme erfolgt dabei durch Wärmepumpen, die zu einem großen Teil mit Photovoltaikstrom betrieben werden. Neben der Energieeffizienz für den Gebäudebetrieb bietet dieser Ansatz auch industriellen Nutzern die Option, die zur Verfügung gestellte Abwärme als Prozesswärme zu nutzen. Dieses System ermöglicht eine Reduktion des CO2-Fußabdrucks aller Beteiligten und fördert die Nachhaltigkeit in einem modernen städtischen Umfeld. Dennoch ist es wichtig zu trennen, wo die jeweiligen Aufgabengebiete liegen. Rechenzentrumsbetreiber sind keine Energieversorgungsunternehmen und müssen sich weiterhin auf ihr Kerngeschäft, Rechenleistung bereitzustellen, konzentrieren.

Zukunftsaussichten und Fazit

Die Abwärmenutzung wird durch Innovationen wie Liquid-to-Chip-Kühlsysteme und verbesserte Wärmetauschertechnologien weiter optimiert. Gesetzliche Rahmenbedingungen und Förderprogramme können den Ausbau erheblich beschleunigen. Darüber hinaus bietet die Integration von Rechenzentren mit Batteriespeicherlösungen eine weitere Möglichkeit, die Energiewende in Deutschland zu unterstützen. Durch die Speicherung überschüssiger erneuerbarer Energie und den Ausgleich von Netzschwankungen können Rechenzentren zur Netzstabilität beitragen und die Energieeffizienz insgesamt verbessern. Damit Rechenzentren ihre Rolle in einer nachhaltigen Energiezukunft erfüllen können, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Betreibern, Kommunen und Gesetzgebern essenziell. Die Energiewende kann nur gelingen, wenn neue, innovative Lösungen mit bewährten Technologien kombiniert werden. Die Abwärmenutzung aus Rechenzentren ist dabei eine der vielversprechendsten Möglichkeiten – eine, die in den kommenden Jahren noch stärker in den Fokus rücken wird.

Über den Autor:
Carsten Schneider ist Managing Director für CyrusOne in Deutschland, einem der Märkte für das zukünftige Wachstum des Eigentümers, Entwicklers und Betreibers von Rechenzentren in Europa. Er leitet die Expansion und das Management der Organisation in Deutschland.
Das Rechenzentrum FRA7 auf dem Frankfurt Westside Campus wird von CyrusOne betrieben.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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