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Wie Unternehmen europäische Cloud-Angebote bewerten

Diese Checkliste erklärt, wie man europäische Cloud-Anbieter auf ihre technische Eignung prüft, von API-Kompatibilität über Sicherheit bis zu skalierbaren Betriebsmodellen.

Die Dominanz von Hyperscalern wie AWS, Google Cloud und Azure hat über Jahre hinweg Standards gesetzt – aber auch technische und geopolitische Abhängigkeiten geschaffen. Europäische Cloud-Alternativen positionieren sich zunehmend als strategische Auswege. Doch wie prüft man, ob ein Anbieter tatsächlich enterprise-ready ist, also produktiv einsetzbar ohne Kompromisse bei Integrationsfähigkeit, Sicherheit, Skalierbarkeit und Betriebseffizienz?

Diese Checkliste liefert konkrete Prüfpunkte als technische Entscheidungsgrundlage für den produktiven Wechsel zu einer souveränen Cloud-Infrastruktur.

1. Schnittstellen, APIs & Migrationspfade: Kompatibilität ist Pflicht, nicht Kür

Viele europäische Anbieter werben mit S3-Kompatibilität – doch was heißt das konkret?

  • S3-API-Kompatibilität auf Bucket- und Objekt-Ebene: Prüfen Sie, ob alle zentralen Operationen wie PUT, GET, LIST, DELETE, aber auch erweiterte Funktionen wie Versionierung oder Object Lock vollständig unterstützt werden. Nur dann ist eine Migration ohne Rewrite der Backup-Skripte oder Anwendungscode möglich.
  • bestehende Toolchains weiterverwenden: Kompatibilität bedeutet auch, dass etablierte Backup-Lösungen wie Veeam, HYCU oder Duplicati nativ mit dem neuen Speicher arbeiten. Fragen Sie konkret nach getesteten Integrationen.
  • Migrationsszenarien ohne Vendor Lock-in: Unterstützt der Anbieter eine One-Line-Migration mit Beibehaltung von IAM-Policies, Ordnerstrukturen und ACLs? Gibt es native Migrationspfade mit automatischer Bucket-Replizierung?

APIs sind der Kitt zwischen Infrastruktur und Workload. Wer proprietäre APIs nutzt oder S3 nur rudimentär unterstützt, erzeugt langfristig neue Abhängigkeiten – nur unter anderem Namen.

2. Datenmodell und Verschlüsselung: Was technisch als sicher gilt, muss prüfbar sein

Enterprise Readiness beginnt beim Schutz sensibler Daten, aber endet nicht beim Buzzword Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.

  • Verschlüsselung at rest und in flight mit kontrollierbarem Key Management: Werden AES-256 und TLS 1.2+ standardmäßig verwendet? Unterstützt der Anbieter serverseitige Verschlüsselung mit kundenseitig verwalteten Schlüsseln (BYOK / CMK)?
  • Multilayer-Verschlüsselung pro Objekt: Prüfen Sie, ob Verschlüsselung unabhängig auf Block-, Objekt- und Transportschicht greiftund wie Schlüsselrotation sowie Revocation technisch abgebildet werden.
  • Object Lock & WORM-Strategien (Write Once Read Many): Ein echter Ransomware-Schutz basiert auf manipulationssicheren Objekten mit definierter Aufbewahrungsdauer – kein Soft Delete und keine API, die löschen darf.
  • Zugriffsmodelle via IAM (Identity & Access Management): Unterstützt der Anbieter granulare Policies auf Bucket- und Objekt-Ebene, inklusive Rollenmodell, Subuser, Gruppen und zeitgesteuerter Zugriffe? Ist IAM via CLI oder API automatisierbar?
Christian Kaul, Impossible Cloud

„Die Entscheidung für eine europäische Cloud-Alternative verlangt mehr als politisches Kalkül oder symbolische Abkehr von US-Anbietern. Wer digitale Souveränität ernst nimmt, muss Anbieter entlang belastbarer technischer Kriterien bewerten.“

Christian Kaul, Impossible Cloud

Sicherheitsversprechen ohne nachvollziehbare Architektur bleiben Absichtserklärungen. In produktiven Umgebungen zählen auditierbare Standards und überprüfbare Schutzmechanismen.

3. Standort, Infrastruktur & Souveränität: DSGVO reicht nicht

Europäische Anbieter zu wählen, ist nicht automatisch souverän. Entscheidend ist, was infrastrukturell, rechtlich und geopolitisch abgesichert ist.

  • Georedundanz mit Geofencing: Lassen sich Daten aktiv auf bestimmte Regionen einschränken – auch per Policy? Ist dokumentiert, welche Rechenzentren involviert sind und nach welchen Standards sie zertifiziert sind?
  • Vermeidung von Cloud-Act-Exposure: Stammt das Unternehmen aus der EU? Gibt es keine Holdingstruktur, die Zugriff über US-Recht erlaubt?
  • Zertifizierungen & Compliance: Liegen aktuelle Prüfberichte (SOC 2, ISO 27001, PCI DSS) vor? Wie werden Änderungen in Architektur oder Governance kommuniziert?
  • Datengravitation & Exit-Szenarien: Unterstützt das System automatisierte Exportmechanismen auf Objektebene? Gibt es dokumentierte Verfahren für reversibles Offboarding?

Souveränität ist nicht nur eine Frage des physischen Speicherorts, sondern auch der Unternehmensstruktur, Gerichtsbarkeit und Exitfähigkeit.

4. Betriebsführung & Skalierung: Wie Cloud ist die Cloud wirklich?

Viele Anbieter bieten Speicher – aber nicht alle bieten einen produktionsreifen Cloud-Betrieb.

  • Self-Service-Fähigkeit für Admins und DevOps: Gibt es ein zentrales Admin-Interface mit API-first-Architektur? Unterstützt das System Multi-Tenant-Betrieb für beispielsweise MSPs?
  • Monitoring, Alerting & Abrechnung auf Account-Ebene: Sind Echtzeitmetriken API-seitig verfügbar? Lassen sich Schwellenwerte setzen und Alerts automatisieren?
  • Skalierbarkeit in beide Richtungen: Kann Speicher dynamisch provisioniert und wieder freigegeben werden – auch in Reserved-Plänen?
  • Integration in DevSecOps-Workflows: Wird Infrastructure as Code unterstützt (Terraform, Ansible)? Gibt es ein Testumfeld oder eine dedizierte Staging-Zone?

Eine Cloud ist nicht enterprise-ready, wenn sie zwar Daten speichert, aber den laufenden Betrieb nicht mitdenkt – in Monitoring, Alerting und automatisierter Skalierung.

5. Preis- und Betriebsmodelle: Transparenz schlägt Einstiegsrabatte

Hyperscaler machen ihr Geld mit dem, was nicht in der Preistabelle steht. Wer souverän wirtschaften will, braucht technisch verstehbare, kalkulierbare Preismodelle.

  • Pay-per-Use ohne Egress- und API-Kosten: Prüfen Sie, ob Netzwerkverkehr und API-Zugriffe separat bepreist werden und ob Kosten bei der Migration entstehen.
  • Transparente Mindestdateigrößen und Blockberechnung: Besonders bei unstrukturierten Daten mit vielen kleinen Objekten (wie Logfiles) können ineffiziente Abrechnungsmodelle erhebliche Mehrkosten erzeugen.
  • Reserved-Capacity-Modelle mit Rabatten: Gibt es planbare Modelle mit garantierter Kapazität und Preisvorteilen – ohne verpflichtende Zusatzdienste?
  • dokumentierte Preistruktur & API-Abfrage: Kann das Abrechnungssystem über API ausgelesen und in bestehende Monitoring- oder Controlling-Tools integriert werden?

Keine Souveränität ohne technische Urteilskraft

Die Entscheidung für eine europäische Cloud-Alternative verlangt mehr als politisches Kalkül oder symbolische Abkehr von US-Anbietern. Wer digitale Souveränität ernst nimmt, muss Anbieter entlang belastbarer technischer Kriterien bewerten. Dazu zählen eine vollständig dokumentierte Architektur, standardisierte Schnittstellen ohne proprietäre Einschränkungen, eine tief integrierbare IAM-Struktur, konsistente Verschlüsselungskonzepte mit nachvollziehbarem Key Management sowie API-first-Betriebsmodelle, die sich nahtlos in bestehende DevOps- und Security-Workflows einfügen. Enterprise Readiness bedeutet, dass eine Plattform nicht nur funktional, sondern auch automatisierbar, auditierbar und betrieblich steuerbar ist – unabhängig davon, ob sie europäisch vermarktet wird.

Souveränität zeigt sich in der technischen Realität: Kann der Anbieter Geofencing durchsetzen, Lock-in vermeiden, Integrationen effizient unterstützen und Exit-Szenarien konkret abbilden? Sind Betriebsdaten transparent zugänglich und granular auswertbar? Lässt sich der Zugriff auf Daten, Dienste und Infrastruktur vollständig unter Kontrolle des Kunden bringen? Erst wenn all diese Fragen auf Architektur-, Operations- und Governance-Ebene positiv beantwortet werden können, erfüllt ein Angebot die Anforderungen an unternehmenskritische Cloud-Infrastrukturen. Alles andere bleibt Anspruch – keine belastbare Grundlage für strategische IT-Entscheidungen.

Über den Autor:
Dr. Christian Kaul ist Mitgründer und Chief Operating Officer von Impossible Cloud, einem europäischen Anbieter für Cloud-Speicherlösungen. Der promovierte Neurowissenschaftler und Serienunternehmer bringt seine Erfahrung aus dem Aufbau und der Skalierung internationaler Marken ein, um die strategische Ausrichtung und das Wachstum von Impossible Cloud entscheidend mitzugestalten. Mit seiner Leidenschaft für innovative Technologien gestaltet er aktiv die Zukunft der Cloud.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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