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Was die SAP EU AI Cloud für die digitale Souveränität bringt
SAP hat die EU AI Cloud vorgestellt. Dahinter verbirgt sich ein Cloud- und KI-Angebot, das Datenschutz, Compliance und flexible Bereitstellung für Unternehmen ermöglichen soll.
SAP hat im November 2025 mit der EU AI Cloud ein Angebot vorgestellt, das europäische Unternehmen und öffentliche Einrichtungen beim Einsatz von Cloud- und KI-Technologien unterstützen soll, ohne die Kontrolle über Daten oder operative Prozesse abzugeben.
Die Lösung fasst mehrere bestehende Initiativen des Unternehmens zu einem Full-Stack-Ansatz zusammen, der unterschiedliche Anforderungen an Datenschutz, Compliance und Souveränität abdeckt.
Full-Stack-Ansatz für regulierte Anforderungen
Die SAP EU AI Cloud bietet mehrere Betriebsmodelle: von SAP-eigenen Rechenzentren in Europa über vertrauenswürdige europäische Partner bis hin zu vollständig verwalteten On-Premises-Installationen im Rechenzentrum des Kunden.
Ziel ist es, Organisationen ein flexibel skalierbares Infrastruktur- und KI-Angebot bereitzustellen, das regulatorischen Rahmenbedingungen – unter anderem EU AI Act und DSGVO – entspricht. Datenhaltung ausschließlich in der EU und Betrieb auf einer einheitlichen technischen Plattform sollen diese Anforderungen sicherstellen. Dieser Ansatz wird häufig unter dem Begriff digitale Souveränität zusammengefasst.
Digitale Souveränität: Konzept und Umsetzung in Europa
Digitale Souveränität beschreibt die Fähigkeit von Staaten, Unternehmen und Bürgern, digitale Technologien selbstbestimmt zu nutzen, zu betreiben und weiterzuentwickeln. Dazu gehören insbesondere die Kontrolle über Datenflüsse, Transparenz in technologischen Abhängigkeiten sowie die Möglichkeit, kritische digitale Infrastruktur unabhängig von externen Anbietern oder außereuropäischen Rechtsordnungen zu betreiben.
Die Länder der EU versuchen dieses Konzept durch mehrere Maßnahmen zu realisieren: Aufbau eigener Cloud- und Rechenzentrumsinfrastrukturen, klare regulatorische Vorgaben wie DSGVO oder EU AI Act, Förderung europäischer KI- und Cloud-Anbieter sowie Initiativen wie Gaia-X oder IPCEI-Projekte (Important Project of Common European Interest). Ziel ist es, Innovationsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, gleichzeitig aber Datenschutz, Sicherheit und Kontrolle über kritische digitale Systeme zu gewährleisten.
Integration souveräner KI-Fähigkeiten durch Cohere
Ein wesentlicher Bestandteil der SAP EU AI Cloud ist die Zusammenarbeit mit dem KI-Unternehmen Cohere. Mit Cohere North integriert SAP agentenbasierte und multimodale KI-Funktionen in die SAP Business Technology Platform (BTP).
Die Lösung richtet sich an Organisationen mit hohen Anforderungen an Datenhoheit. Kunden können produktionsreife KI-Modelle direkt in bestehende Geschäftsprozesse einbinden, während Datenverarbeitung und -speicherung innerhalb der EU bleiben. Ziel ist es, KI-Funktionen ohne Abhängigkeit von US-Hyperscalern bereitzustellen.
Die EU AI Cloud ist als offenes Ökosystem ausgelegt. Über SAP BTP können Kunden auf KI-Modelle von Partnern wie Cohere, Mistral AI oder OpenAI zugreifen und diese als SaaS-, PaaS- oder IaaS-Angebot nutzen. Die Bereitstellung erfolgt je nach Bedarf über SAP-eigene Infrastruktur oder europäische Cloud-Partner. Dies soll eine breite Auswahl moderner KI-Funktionalitäten ermöglichen, ohne dabei Anforderungen an Sicherheit oder Compliance zu vernachlässigen.
Bereitstellungsmodelle für unterschiedliche Sicherheitsniveaus
SAP adressiert verschiedene Anforderungen über mehrere Betriebsoptionen:
- SAP Sovereign Cloud auf SAP Cloud Infrastructure (EU): Dies ist IaaS-Angebot auf Open-Source-Basis, mit Datenhaltung ausschließlich in der EU.
- SAP Sovereign Cloud On-Site: Hierunter verbirgt sich ein vollständig verwaltetes Infrastrukturangebot im Rechenzentrum des Kunden mit maximaler Souveränität.
- Ausgewählte Hyperscaler: Dieses Angebot richtet sich an Kunden, die auf globale Anbieter setzen, ergänzt durch Souveränitätsfunktionen.
- Delos Cloud: Die Lösung ist speziell auf die Anforderungen des deutschen öffentlichen Sektors ausgerichtet.
Digitale Souveränität: Einordnung
Mit der EU AI Cloud positioniert SAP sich als Anbieter souveräner Cloud- und KI-Lösungen im europäischen Markt. Das Angebot soll Unternehmen eine Alternative bieten, die sowohl KI-Funktionen als auch die Einhaltung europäischer Datenschutz- und Souveränitätsanforderungen sicherstellt.
Ob damit eine nachhaltige europäische Unabhängigkeit im Cloud- und KI-Bereich erreicht werden kann, hängt auch von der weiteren Entwicklung europäischer Infrastruktur- und KI-Ökosysteme ab.
Die Debatte um digitale Souveränität reißt zumindest nicht ab, da Europa die starke Abhängigkeit von nicht-europäischen Cloud-, Software- und KI-Anbietern als strategisches Risiko erkennt. Das zeigte nicht zuletzt der Europäische Gipfel zur digitalen Souveränität 2025, der Mitte November in Berlin stattfand.
Gleichzeitig liefern einige Studien ein Bild des Ist-Zustands der digitalen Souveränität von Wirtschaft, öffentlicher Verwaltung und Gesellschaft:
- In der Wirtschaft ist digitale Souveränität zwar als wichtiges Ziel anerkannt, doch bleibt die operative Umsetzung hinter dem Anspruch zurück. Unternehmen importieren fast durchgängig digitale Technologien aus dem Ausland, verfügen selten über umfassende Strategien und erwarten stärkere politische Impulse. Open Source wird als Hebel zur Reduzierung von Abhängigkeiten gesehen, wird jedoch oft nur wenig genuzt.
- Die öffentliche Verwaltung verfolgt zwar klare strategische Ziele, kämpft jedoch mit komplexen Abhängigkeiten, insbesondere durch proprietäre Plattformen wie das Microsoft-Ökosystem. Die Verwässerung des Souveränitätsbegriffs, fehlende offene Standards und strukturelle Hindernisse wie föderale Zuständigkeiten verzögern auch hier Fortschritte.
- Die Gesellschaft bildet die dritte entscheidende Säule der digitalen Souveränität. Laut D21-Digital-Index 2024/2025 verfügt nur knapp die Hälfte der Bevölkerung über digitale Basiskompetenzen, wobei die Nutzungs- und Kompetenzlücken entlang sozialer Merkmale stark variieren. Diese Defizite begrenzen die Wirksamkeit technischer Souveränitätsstrategien, da digitale Angebote von Staat und Wirtschaft nicht flächendeckend souverän genutzt werden können.
Die einzelnen Ergebnisse der Studien sowie eine Analyse des Status quo können Sie in diesem Artikel nachlesen. Insgesamt zeigt das aktuelle Studienbild: Problem- und Zielbewusstsein sind vorhanden, aber Umsetzungstempo, strategische Konsistenz und gesellschaftliche Befähigung reichen bislang nicht aus, um Abhängigkeiten systematisch zu verringern.