allvision - stock.adobe.com

Gaia-X: Europäisches Cloud-Projekt nimmt Gestalt an

Von Gaia-X versprechen sich die Vertreter der europäischen Regierungen größere Unabhängigkeit beim Cloud Hosting. Wir informieren über den aktuellen Stand des Projekts.

Mit Gaia-X möchten verschiedene europäische Staaten, darunter auch Deutschland, eine Dateninfrastruktur aufbauen, die unabhängig von anderen Regionen der Welt ist. Das Projekt wurde beim Digital-Gipfel 2019 durch das Bundeswirtschaftsministerium vorgestellt. Seitdem hat sich einiges getan: neue Akteure sind eingestiegen und einige Aspekte haben Form angenommen.

An Gaia-X arbeiten unter anderem die Deutsche Telekom, Bosch, die Fraunhofer-Gesellschaft, SAP und Siemens mit. Die deutsche und französische Regierung treiben von offizieller Seite das Projekt voran.

Gleichzeitig stützt sich Gaia-X auf die EU-Kommission, weitere europäischen Regierungen sowie Forschungseinrichtungen und soll nach derzeitigem Stand zumindest innerhalb der DACH-Region nicht gewinnorientiert sein. Die beteiligten Unternehmen dürfen ihre jeweiligen Produkte jedoch kommerziell vermarkten, unter den Datenschutzauflagen der Europäischen Union.

Eines der Ziele von Gaia-X ist die Gewährleistung der Souveränität für Daten von Europäern und europäischen Unternehmen. Die Abhängigkeit von internationalen Anbietern soll dadurch gemindert werden.

Geplant ist der verstärkte Einsatz von Open-Source-Software und Open Hardware. Das dient unter anderem dem Anliegen der Verantwortlichen, dass unter dem Dach Gaia-X jedes Unternehmen etwas beisteuern und einen Teil seiner Lösung damit bereitstellen können soll.

Die Bedienung soll ähnlich wie bei bekannten Self-Service-Stores, zum Beispiel bei Microsoft Azure, AWS Marketplace und Google Cloud Platform, funktionieren. Im Gegensatz zu diesen verwaltet aber bei Gaia-X kein einzelner Anbieter den Store, sondern das Konsortium.

Ein Hindernis für den digitalen Fortschritt in Europa ist die zögerliche Akzeptanz für Cloud-Lösungen. Unternehmen und Anwender, die aufgrund der Datenschutz- und Datenhoheitsproblematik noch gezaudert haben, sollen sich von Gaia-X überzeugen lassen.

Konkurrenz zu Amazon, Google und Microsoft

Auch wenn die Verantwortlichen betonen, dass Gaia-X nicht als Konkurrenz zu Produkten der drei wichtigsten Cloud Hyperscaler zu sehen ist, sind andere der Idee nicht ganz abgeneigt. Dabei ist fraglich, ob Gaia-X sich überhaupt als konkurrenzfähige, praxistaugliche Cloud-Lösung etabliert, denn die amerikanischen Cloud-Anbieter dominieren den Markt und europäische Unternehmen spielen eine eher untergeordnete Rolle. Viele von ihnen sind von Amazon, Microsoft und Google abhängig, ihre bereitgestellten Ressourcen laufen auf diesen Public Clouds.

Gaia-X soll diese Abhängigkeiten verringern. Da aber die Europäische Union nicht zum Cloud-Anbieter wird, soll Gaia-X auf den Clouds kleiner und mittelgroßer kommerzieller Anbieter laufen. Ziel ist es, dass kein einzelnes Unternehmen die Datenhoheit erhält; stattdessen soll eine verteilte Cloud-Infrastruktur entstehen, deren Teile über Schnittstellen miteinander kommunizieren.

Die am Projekt beteiligten Unternehmen legen Standards, Schnittstellen und Technologien fest, über die der Datenaustausch stattfindet. Das Konsortium steuert den Rahmen, mit dessen Hilfe Unternehmen Lösungen für Gaia-X bereitstellen.

Sie sollen zudem eine Benutzeroberfläche (GUI, Graphic User Interface), Identitätsmanagement und Abrechnungssysteme entwickeln. Sowohl die Details der technischen Umsetzung als auch die voraussichtlichen Kosten sind derzeit noch unklar. Die Bundesregierung sieht einen Zuschuss von 30 Millionen Euro vor, die französische Regierung stellt hingegen kein Budget bereit. Dazu passt, dass Gaia-X nicht als rein staatlich subventioniertes Projekt ausgelegt ist, die europäischen Staaten sind mit ihren Institutionen lediglich daran beteiligt.

Mit dem Einstieg von immer mehr Unternehmen und Regierungen ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass Gaia-X in irgendeiner Form umgesetzt wird. Fraglich bleibt jedoch, in welchem Umfang.

Künstliche Intelligenz in der europäischen Cloud

Künstliche Intelligenz (KI) spielt in vielen Branchen mittlerweile eine große Rolle. Airbus gehört beispielsweise zu den Unternehmen, die sich intensiv mit dieser Technologie beschäftigen. Die europäischen Regierungen möchten gerade in diesem Zusammenhang amerikanischen Konzernen keine heiklen Daten anvertrauen und arbeiten darauf hin, dass auch hier durch Gaia-X die Sicherheit wächst. Mit dem Einstieg von immer mehr Unternehmen und Regierungen ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass die Pläne für Gaia-X umgesetzt werden.

Derzeit arbeiten etwa 300 Unternehmen und Organisationen an dem Projekt, das seit Juni 2020 in einer erweiterten Projektphase betrieben wird. Ein erster Live-Betrieb soll 2021 beginnen und erste Produkte, die unter Gaia-X zur Verfügung stehen, soll es bis dahin auch geben.

Nicht alles an Gaia-X ist europäisch

Obwohl Politiker und Verantwortliche Gaia-X gern als Alternative zu amerikanischen Technologieriesen präsentieren, ist das Projekt keine komplett europäische Unternehmung. Die amerikanischen Gegenspieler mischen selbst mit, darunter neben IBM auch Amazon, Google und Microsoft.

Inwieweit diese Unternehmen Lösungen zu Gaia-X beisteuern, ist noch nicht geklärt. Pauschal lässt sich jedoch sagen, dass ein europäisches Projekt mit Beteiligung amerikanischer Unternehmen immer noch einer strengeren Kontrolle unterliegen wird als der Einsatz amerikanischer Cloud-Ressourcen.

Fazit

Gaia-X soll für die Europäische Union die Abhängigkeit von amerikanischen Technologieriesen senken und dabei helfen, dass kleine und mittlere Anbieter Teil einer größeren Lösung sein können, um ihre Chancen am Markt zu steigern. Anwender sollen umgekehrt von transparenten Cloud-Lösungen profitieren, die den strengen europäischen Datenschutzanforderungen genügen.

Erste produktive Lösungen sollen Anfang 2021 verfügbar sein. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass Amazon, Google und Microsoft durch Gaia-X unter starken Konkurrenzdruck geraten werden.

Erfahren Sie mehr über Cloud Computing

ComputerWeekly.de
Close