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Das müssen Entscheider beim Rechenzentren-Ausbau beachten

Der steigende Bedarf an Rechenzentren in Deutschland stellt die Branche vor Herausforderungen. Fachkräftemangel, Genehmigungsprozesse und Energieversorgung sind zentrale Themen.

Der Bedarf nach Rechenleistung wächst hierzulande kontinuierlich. Die Branche und auch die Politik sind sich einig, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen geraten darf.

Der Umsatz des Rechenzentrensektors in Deutschland wird von 18 Milliarden Euro im Jahr 2025 auf rund 23 Milliarden Euro deutlich wachsen, wie Analysen von Statista zeigen. Damit einhergehend wird sich auch die IT-Anschlussleistung von deutschen Rechenzentren bis 2030 fast verdoppeln. Dahinter steht vor allem die wachsende Bedeutung von KI – es wird mehr Rechenkapazität für das Trainieren und den Einsatz generativer Modelle benötigt.

Es geht voran und doch warnen Branchenverbände wie bitkom und die German Datacenter Association (GDA), dass Deutschland den Anschluss zu den internationalen Vorreitern verlieren könnte. Gerade die USA und China legen beim Serverausbau ein hohes Tempo vor.

Die Politik hat Handlungsbedarf erkannt. Die kürzlich ins Leben gerufene EU-Initiative InvestAI will 200 Milliarden Euro für KI-Investitionen mobilisieren. Europa soll zu einem KI-Kontinent werden. Und auch der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD beinhaltet das Ziel, mindestens eine neue KI-Gigafactory nach Deutschland zu holen.

Die Rahmenbedingungen sehen also nicht schlecht für IT- und Bauverantwortliche aus. Dabei dürfen die praktischen Herausforderungen, die den Rechenzentrenausbau in den kommenden Jahren begleiten, aber nicht außer Acht gelassen werden.

Die Phase vom ursprünglichen Investment und der initialen Planung bis zum betriebsbereiten Standort kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen – je nach Projektart und -größe. Mit strategischer Planung und frühzeitiger Einbindung der verschiedenen Gewerke lassen sich solche Projekte meistern. Auf diese kritischen Stellschrauben sollten Entscheider dabei besonders achten.

1. Strategisch planen und Partner einbinden

Der Construction Market Insights Report von der internationalen Bauberatung Linesight zeigt nicht nur einen Mangel an Baufachkräften, sondern auch direkte Auswirkungen des Fachkräftemangels auf IT-Infrastrukturprojekte. Besonders kritisch: Es fehlen Experten für technische Gebäudeausrüstung, die für moderne Rechenzentren mit komplexen Prozessen und Kühlsystemen unverzichtbar sind.

Um dem steigenden Bedarf an IT-Kompetenz strategisch zu begegnen, ist eine enge Zusammenarbeit aller relevanten Stakeholder unerlässlich. IT-Verantwortliche sollten gezielt in die kontinuierliche Qualifizierung ihrer Teams investieren – durch maßgeschneiderte Weiterbildungsprogramme oder durch Partnerschaften mit Hochschulen und Berufsschulen. Auch Outsourcing kann helfen: Voraussetzung dafür ist eine saubere technische Dokumentation sowie klare Service Level Agreements (SLAs), die die Qualität und Verfügbarkeit der externen Leistungen sichern. So kann die Leistungsfähigkeit neuer Rechenzentren auch bei begrenzten personellen Ressourcen gesichert werden.

2. Genehmigungsverfahren als Risikofaktor

Auch langwierige Genehmigungsverfahren bremsen den Ausbau der Rechenzentrumsinfrastruktur in Deutschland. Während vergleichbare Prozesse in anderen europäischen Ländern teilweise binnen weniger Wochen abgeschlossen sind, ziehen sie sich hierzulande oft über viele Monate – ein möglicher Standortnachteil, wie auch der Branchenverband bitkom betont.

Michael Riordan, Linesight

„Wer erfolgreich skalieren will, muss frühzeitig strategisch planen, starke Partner einbinden und Risiken entlang der gesamten Projektkette aktiv managen.“

Michael Riordan, Linesight

IT-Verantwortliche sollten diesen Umstand einkalkulieren: Projekte zur Kapazitätserweiterung und Neubauten müssen mit deutlich längeren Vorlaufszeiten geplant werden. Um dem entgegenzuwirken, fordert bitkom unter anderem verschlankte Verwaltungsprozesse, den Verzicht auf unnötige Unterlagen sowie den Einsatz automatisierter Verfahren.

3. Lieferkettenprobleme sind nicht zu unterschätzen

Erfolgreiche Rechenzentrenprojekte sind meist das Ergebnis internationaler Zusammenarbeit. Denn selbst heimische Waren sind häufig auf Zulieferung von Rohstoffen oder einzelnen Produktteilen aus anderen Ländern angewiesen. Die schwer zu durchblickenden und schnelllebigen Entwicklungen rund um aktuelle Zölle zeigen, wie sensibel internationale Lieferketten reagieren. Hinzu kommt, dass Lieferketten schon in den vergangenen Jahren unter Druck standen – durch große Schocks wie zum Beispiel die Corona-Pandemie.

Für IT-Verantwortliche bedeutet das: Risikomanagement entlang der Lieferkette gewinnt massiv an Bedeutung. Ansätze wie die Diversifizierung von Lieferanten, die Lokalisierung von Teilprozessen und die Prüfung zollfreier Bezugsquellen rücken verstärkt in den Fokus. Kosten- und Zeitpläne sollten neu bewertet werden.

4. Energieversorgung als wichtiger Standortfaktor

Eine zuverlässige Stromversorgung gehört zu den entscheidenden Standortfaktoren für Rechenzentrenbetreiber. Der Strombedarf von Rechenzentren könnte sich laut Goldman Sachs bis zum Jahr 2030 mehr als verdoppeln – das wird in Deutschland und Europa deutlich zu spüren sein.

Derzeit zieht vor allem der Ballungsraum Frankfurt am Main neue Rechenzentren an. Doch mit seinen schon jetzt mehr als 80 Rechenzentren könnte der Standort mit Blick auf die Stromversorgung an seine kapazitären Grenzen kommen. Die Standortwahl wird dadurch zu einem Schlüsselfaktor: In etablierten IT-Regionen profitieren Unternehmen von gefestigten Infrastrukturen. Aber auch Regionen wie Norddeutschland, das mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien punktet, können sinnvoll für neue Bauprojekte sein.

Kriterien im Überblick

Der wachsende Bedarf an Rechenleistung durch KI und Digitalisierung trifft auf Engpässe bei Fachkräften, Lieferketten und Genehmigungsprozessen. Wer erfolgreich skalieren will, muss frühzeitig strategisch planen, starke Partner einbinden und Risiken entlang der gesamten Projektkette aktiv managen.

Die Standortwahl wird noch mehr zu einer zentralen Stellschraube – nicht nur wegen der Netzanbindung, sondern auch im Hinblick auf die langfristige Energieversorgung. Regionen mit stabilem Stromnetz und Zugang zu erneuerbaren Energien können sich als attraktive Zukunftsstandorte positionieren. Entscheider sollten jetzt die Weichen stellen, um im internationalen Wettbewerb nicht nur mitzuhalten, sondern aktiv voranzugehen.

Über den Autor:
Michael Riordan ist Senior Director Europe bei der internationalen Bauberatungsfirma Linesight.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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