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RON: Die nächste Generation der Weitverkehrsnetze
Mit Routed Optical Networking (RON) lassen sich klassische Layer-Architekturen in Transportnetzen vereinfachen. Das steigert Effizienz sowie Datenübertragung und reduziert Kosten.
Zwar sind Weitverkehrsnetze (Wide Area Networks, WAN) etabliert, doch Telekommunikations-, IaaS-, SaaS- und KI-Anbieter sowie Organisationen mit eigenen WAN-Netzen benötigen aufgrund des steigenden Datenvolumens für die zu erwartenden Geschäftsanforderungen immer höhere Übertragungskapazitäten und mehr Flexibilität. Weitere Forderungen sind gesteigerte Effizienz, Unterstützung von Automatisierung und Transparenz, Cybersicherheit, Compliance und Zukunftssicherheit. Dabei sollen die Lösungen einen Vendor-Lock-in vermeiden, langlebig sein und auch mit älteren Schnittstellen funktionieren. Diese vielfältigen Anforderungen können durch aktuelle Entwicklungen erfüllt werden.
Die klassische Struktur von Transportnetzen der Carrier besteht aus mehreren Schichten. Die Basis (Layer 1) bilden Glasfaserleitungen zur Übertragung unterschiedlicher Daten und Signale. Eine direkte Verbindung, die von dieser Schicht zur Verfügung gestellt wird, besteht aus einer Wellenlänge oder Dark Fiber. Um diese Wellenlänge nutzen und im Netzwerk verzweigen zu können, kommen optische Multiplexer (ROADM) zum Einsatz. Optische Verstärker überbrücken dabei große Distanzen.
In der nächsten Schicht (Layer 2) werden Protokolle wie Synchrone Digitale Hierarchie (SDH), optisches Transportnetz (OTN) oder Ethernet verwendet. Sie dienen dazu, in einer Wellenlänge Nutzdaten zu übertragen. Die Grundfunktion dieser Schicht ist die Kopplung einer Upstream-Schnittstelle (graues Licht) aus der dritten Schicht zu einer Wellenlänge (farbiges Licht). Je nach Kapazitätsanforderungen werden Transponder im 1-zu-1-Modus oder Muxponder im 1-zu-n-Modus eingesetzt.
Die dritte Schicht (Layer 3) stellt über Routing-Plattformen Kommunikationsverbindungen auf IP-Basis für interne oder externe Kunden bereit. Die verwendeten Technologien stammen aus den Bereichen IP/MPLS, Ethernet VPN (EVPN) oder Segment Routing (SR).
Diese über viele Jahre bewährte Struktur führt jedoch zu einigen Herausforderungen:
- Jede Schicht nutzt häufig eigene Herstellersysteme mit zum Teil auch proprietären Lösungen, die von spezialisierten Teams verwaltet und betreut werden.
- Eine durchgängige Automation ist zwar erreichbar, erfordert jedoch umfangreiches Fachwissen und viele APIs in den jeweiligen Schichten.
- Da jeder Verantwortungsbereich eine eigene Risikobewertung durchführt und Verfügbarkeitsanforderungen erfüllen muss, werden oft auf jeder Schicht Redundanzen vorgehalten, die hohe Kapazitäten erfordern.
- Visibilität gibt es meist nur für den obersten Layer und den Endkundenservice. Transparenz für eine niedrige Mean Time To Repair (MTTR) ist durch die Layer-Übergänge nur mit hohem Aufwand möglich. Denn hierzu sind die Abhängigkeiten darzustellen und zu bewerten.
- Der Betrieb aller drei Layer erfordert entsprechenden Platz sowie Aufwand für Energie und Kühlung. Dadurch entstehen oft direkte Kosten für Miete oder die Bereitstellung eigener Infrastruktur.
- Anpassungen der Services, etwa für mehr Bandbreite oder höhere Vermaschung, sind immer für alle Layer umzusetzen. Dies führt zu Kosten, Zeitaufwand und eingeschränkter Flexibilität.

Aktuelle Entwicklungen
Diese Herausforderungen lassen sich durch eine Konsolidierung der verschiedenen Schichten bewältigen. Eine hohe Integration von optischen Verstärkern und Bauteilen in die Komponenten der oberen Schicht unterstützt die Konsolidierung der Geräte und Ebenen.
Dazu stehen neue Technologien zur Verfügung. Zum Beispiel ermöglicht eine Integration von APIs und Protokollen nun die ganzheitliche Überwachung von Services. Dies verbessert die Ausfallsicherheit und Wiederherstellung.
Eine einfache Steigerung der Bandbreite je Wellenlänge ist durch den Einsatz der kohärenten optischen Übertragung möglich. Sie unterstützt mehr als ein Terabit pro Wellenlänge. Zudem lassen sich leistungsfähigere Komponenten im Layer-3-Bereich zur gleichzeitigen Nutzung mehrerer Wellenlängen in einem ASIC/Chip einsetzen. Hierdurch werden höhere Kapazitäten mit immer weniger Geräten oder mit einem Gerät erreicht.
Spezielle Dienste bieten die Unterstützung älterer Schnittstellen als dauerhaften Service oder für eine einfachere Migration. Auch aktuelle Protokoll-Entwicklungen zur Bereitstellung neuer Services im Umfeld der Standard-Layer-2- und Layer-3-Dienste erhöhen die Flexibilität. Dies vereinfacht außerdem die Automation und verbessert die MTTR. Durch die Konsolidierung sinkt der Energieverbrauch deutlich und das Personal kann fokussierter auf wenige Technologien ausgebildet werden.
Routed Optical Networking (RON) als Lösung
Diese aktuellen Entwicklungen werden unter dem Begriff Routed Optical Networking (RON) zusammengefasst. Die Architektur basiert auf drei zentralen Punkten:
- Hohe Kapazität der Router.
- Verbesserter optischer Transport
- Bereitstellung und Überwachung von Services
Die Kapazitäten der ASICs in aktuellen Routing-Systemen übertreffen die je Wellenlänge zur Verfügung stehende Bandbreite früherer Versionen um ein Vielfaches. Dadurch wird eine hohe Integrationsdichte von Services der Layer-2- und Layer-3-Ebenen ermöglicht.

Im Bereich optischer Transport stehen durch Integration und Miniaturisierung inzwischen Komponenten für optische Verstärkung und Signalverarbeitung inklusive Fehlerkorrektur in der Größe eines QSFP-DD-Moduls zur Verfügung. Die dabei eingesetzte kohärente optische Übertragung von Daten unterstützt Bandbreiten von mehr als 400 GBit/s je Wellenlänge. Eine Standardisierung durch die OpenZR+ Alliance bietet hier Interoperabilität.
Technologien aus dem Bereich Private Line Emulation (PLE) ermöglichen den Transport von nicht IP-nahen Protokollen wie SDH, OTN oder Fibre Channel über IP-Netze. Sie vermeiden damit Redundanzen und bieten eine hohe Flexibilität für die Überwachung und Wegewahl. So können Routen zum Beispiel dynamisch nach unterschiedlichen Bedingungen, wie Auslastungen oder Latenzen, gewählt werden. Zudem lassen sich für Applikationen feste und statische Wege realisieren.
Praktische Umsetzung
Bei der Einführung von RON sollte die Routing-Instanz im Mittelpunkt des Konzeptes stehen. In Richtung der Kundenschnittstellen stellt sie die notwendigen Services mit der angeforderten Qualitätsklasse zur Verfügung. Sie erlaubt die Überwachung des Systems und der KPIs der bereitgestellten Services. Die Kommunikation mit benachbarten Systemen kann über IP/MPLS, SR/MPLS oder auch SRv6 mit allen Optionen dieser Protokolle erfolgen.
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„Der Hauptunterschied zu bisherigen Architekturen liegt im Einsatz der kohärenten Optik für die Verbindung mit benachbarten Standorten und Systemen.“
Michael Simon, Cisco Deutschland
Der Hauptunterschied zu bisherigen Architekturen liegt im Einsatz der kohärenten Optik für die Verbindung mit benachbarten Standorten und Systemen. Sie enthält alle nötigen Funktionen wie Tuneable Laser, EDFA-Verstärker und Fehlerkorrektur. Dazu wird etwa in den Router über ein gestecktes QSFP-DD-Modul eine Schnittstelle mit 400 GbE integriert. Externe Transponder oder Muxponder sind dann nicht mehr nötig.
Für die Anbindung der Glasfaserleitungen sind mehrere Varianten möglich:
- Die optische Schnittstelle wird direkt auf die Glasfaserverbindung geschaltet. Dann steht nur die Kapazität einer Wellenlänge zur Verfügung.
- Reicht die optische Sendeleistung der kohärenten Optik nicht aus, lässt sich ein optischer Verstärker ergänzen. Je nach benötigter Distanz kann auch hier eine Lösung in Form eines QSFP-DD als Optical Lens System (OLS) genutzt werden. Externe Chassis sind somit nicht zwingend erforderlich.
- Sollen mehrere Wellenlängen übertragen und bei Bedarf auch verschaltet werden, kommen einfache optische Multiplexer oder auch ROADM-Systeme zum Einsatz. Einfache optische Multiplexer lassen sich als Kabellösung verwenden, bei ROADM-Systemen sind zusätzliche Chassis erforderlich.
Die RON-Technologie im Feldtest
Inwieweit sich RON-Technologien schon jetzt für den praktischen Einsatz eignen, haben Cisco und Amprion getestet. Die Amprion GmbH ist einer von vier Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland. Das 11.000 Kilometer lange Höchstspannungsnetz transportiert Strom in einem Gebiet von der Nordsee bis zu den Alpen, in dem ein Drittel der Wirtschaftsleistung Deutschlands erzeugt wird.

Zur Optimierung der Systemsteuerung kommen heute zunehmend IT-Analysen, KI und Automatisierung zum Einsatz: Aus Wetter-, Produktions- und Verbrauchsdaten wird die Auslastung der Stromnetze prognostiziert. Auf dieser Basis werden die Energieflüsse dynamisch vom IT-Netzwerk gesteuert. Laut dem Report 2024 State of Industrial Networking Report 2024 von Cisco sind KI und Cybersicherheit die beiden wichtigsten Technologien für Investitionen in Betriebstechnologien in den nächsten 12 bis 24 Monaten. Dies wird die zu übertragenden Datenmengen weiter deutlich erhöhen.
Bislang erfolgt die Datenübertragung für Operational Technology (OT)- und IT-Netze von Amprion über Glasfasern, welche die Hochspannungs-Freileitungen begleiten. Sie besitzen im Normalfall eine Regelgeschwindigkeit von 10 GBit/s. Da RON bis zu 40-mal mehr Datenvolumen über die Glasfaserleitung transportieren kann, wurde ein Proof of Concept durchgeführt, ob die 400-Gbit-Module von Cisco auf der Bestandsinfrastruktur funktionieren. Hierbei waren die Glasfaserkabel unterschiedlichen Alters auf den 60 Kilometer langen Freileitungen der Teststrecke vielen mechanischen, energietechnischen und umwelttechnischen Belastungen ausgesetzt. Alle gemessenen Werte blieben im normalen Bereich und zeigten keine Fehlersituationen oder kritischen Zustände.
Zahlreiche Vorteile
Zukünftige Anforderungen, wie die KI-Integration, werden den Bedarf an eine schnelle und flexible Datenübertragung weiter erhöhen. Zur Kapazitätssteigerung ist mit der beschriebenen Lösung keine neue Infrastruktur nötig. Denn bei RON genügt es, die bestehende Glasfaserleitung im Höchstspannungsnetz durch den einfachen Einsatz moderner Komponenten an den Anfangs- und Endpunkten zu ertüchtigen.
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„Zukünftige Anforderungen, wie die KI-Integration, werden den Bedarf an eine schnelle und flexible Datenübertragung weiter erhöhen.“
Oliver Rothkamp, Cisco Deutschland
Zusätzlich vereinfacht RON den Aufbau eines Weitverkehrsnetzes deutlich. Mehrere bisher genutzte Schichten können konsolidiert und in einem System zusammengefasst werden. Diese Konsolidierung vereinfacht Teamstrukturen und reduziert nötige Redundanzen sowie den Platz- und Energiebedarf. Durch weniger Abhängigkeiten und Schnittstellen verbessert sich gleichzeitig die Verfügbarkeit, und die Wiederherstellung wird beschleunigt. Außerdem lassen sich neue Protokollfunktionen wie Segment Routing effizient nutzen.
Die RON-Technologie kann schrittweise eingeführt werden. Daher sollten sich Unternehmen, wie Übertragungsnetzbetreiber und Carrier, jetzt mit den Möglichkeiten und Funktionalitäten eines RON-Netzwerkes befassen. Dies gilt gerade für den Einsatz auf Freileitungen eines Energienetzbetreibers, bei Verbindungen über große Distanzen oder Datacenter Interconnects. Denn RON ist eine vergleichsweise einfach umzusetzende und zukunftsfähige Lösung, die bestehende Infrastruktur nutzt.
Über die Autoren:
Oliver Rothkamp ist Client Executive Utilities bei Cisco Deutschland. Er verantwortet den vertrieblichen Ausbau des Geschäftsbereichs Energiewirtschaft und vertritt Cisco auf zentralen Branchenveranstaltungen wie der E-world. Mit über 20 Jahren Erfahrung in IT, Digitalisierung, Cybersecurity und Energiewirtschaft begleitet er Versorgungsunternehmen bei der digitalen Transformation und dem sicheren Betrieb kritischer Infrastrukturen.
Michael Simon ist Business Solutions Architect im Geschäftsbereich Utilities bei Cisco Deutschland. Seit über 30 Jahren berät er Unternehmen technologisch und strategisch im IT- und OT-Umfeld. Sein besonderer Fokus liegt auf der Digitalisierung der Energiewirtschaft – insbesondere in den Bereichen Cybersecurity, Leit- und Schutztechnik. Mit seiner Expertise begleitet er Energieversorger bei der sicheren und zukunftsfähigen Transformation ihrer Infrastrukturen.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.