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Warum so viele IoT-Projekte in Unternehmen scheitern

Es gibt etliche Gründe für das Scheitern von Digitalisierungsstrategien und IoT-Projekten. Der wichtigste ist mangelndes Softwareverständnis auf der obersten Führungsebene.

Da sich die physische Welt durch die schnelle Massenproduktion von Technologie zunehmend in eine virtuelle wandelt, erwarten die Kunden, dass die Produkte, die sie kaufen, intelligent sind.

Intelligente Produkte eröffnen den Kunden neue Möglichkeiten und verbessern die Zufriedenheitsraten. Eine Ein-Stern-Produktbewertung durch einen Kunden kann sich nachteilig auf den zukünftigen Erfolg dieses Produkts und seines Anbieters auswirken.

Leider sind die meisten traditionellen Unternehmen auf diese neue Realität nicht vorbereitet und schon gar nicht für diesen Übergang gerüstet. Dies lässt sich leicht durch den Aufstieg und Fall von IoT- und Digitalisierungsprojekten beweisen. Im schlimmsten Fall können Sicherheitsmängel und unzureichende Funktionalität dazu führen, dass Unternehmen in den medialen Fokus geraten. Dramatische Schlagzeilen über kritische Schwachstellen des Produkts, Hijacking, Ransomware-Forderungen oder Ähnliches sorgen dann für eine verheerende Publicity.

Um den Erfolg sicherzustellen, müssen Unternehmen verstehen, warum so viele Organisationen mit ihren IoT- und smarten Next-Generation-Projekten scheitern.

Grundlegender Mangel an Softwareverständnis

Es ist so einfach: Ein fehlendes grundsätzliches Verständnis von Software ist der Kern des Problems.

Eine Firma, die jahrzehntelang ein physisches Produkt hergestellt hat, wird sich extrem schwertun, den Übergang zu einem Softwareunternehmen zu bewerkstelligen. Es beginnt mit der mangelnden Digital- und Softwarekompetenz des Managements. Der digitale Wandel stellt mehr dar als nur eine leichte Abweichung oder Verbesserung zu dem, wie die Dinge früher einmal waren. Ohne ein richtiges und profundes Verständnis auf Managementebene werden sich eine Reihe von falschen Annahmen ergeben. Nachfolgend finden Sie sechs der gängigsten falschen Strategien und Tipps, wie sie sich bekämpfen lassen:

Unrealistische Zeitvorgaben

Trotz jahrelanger Optimierung von Supply Chain Management, Logistik, Lieferantenmanagement und Werkskosten glauben viele Unternehmen immer noch, dass Software nur eine einfache Zugabe ist.

Das ist ein Irrglaube. Der Software-Engineering-Prozess ist heutzutage wahrscheinlich genauso fortschrittlich wie jeder traditionelle Entwicklungsprozess. Daher verdient er das gleiche Maß an Respekt und Ressourcen. Der Software-Engineering-Prozess, besonders wenn er noch in den Kinderschuhen steckt, braucht erhebliche Aufmerksamkeit, um richtig in den gesamten Produktentwicklungszyklus integriert zu werden.

Immer wieder stellen Unternehmen, die kurz vor der Markteinführung eines neuen intelligenten Produkts stehen, fest, dass elementare Fragen, wie grundlegende Geräteverwaltung und Sicherheitsfunktionen, nach wie vor ungelöst sind.

Traditionelle Unternehmen sollten ihren Kernentwicklungsprozess überdenken und das Gelernte und die Zeitgeschichte aus diesem Prozess mit dem gleichen Respekt und den gleichen Erwartungen in den neuen Software-Engineering-Prozess einbringen. Software ist ein Hauptbestandteil des gesamten Produktlebenszyklus.

Fehlende Kompetenz des Managements

IoT-Verantwortliche finden sich noch nicht in den Reihen der Geschäftsführung. Betrachtet man die Zusammensetzung der oberen Führungsebene, so fehlen in traditionellen Unternehmen häufig erfahrene Personen mit entsprechender Softwarekompetenz. Der Grund dafür liegt im grundlegenden Mangel an Softwareverständnis, das hier meist auf C-Ebene anzutreffen ist. Deshalb ist es notwendig, einen digitalen Profi ins Managementteam aufzunehmen.

Traditionelle Firmen sollten sich die Profile der Führungskräfte in den progressivsten Softwareunternehmen ansehen und prüfen, wie sie von deren Prozessen lernen und einige dieser Talente anziehen können.

Unerfahrene oder einflusslose Verantwortliche

Aufgrund des fehlenden strategischen Verständnisses auf der C-Ebene werden zentrale Rollen – zum Beispiel die des IoT-Leiters – oft an unerfahrenere Kandidaten vergeben. Sie bekommen die Rolle entweder, weil sie in einem traditionellen Teil des Unternehmens gute Arbeit geleistet haben. Oder es handelt sich um Außenseiter, jüngere, aufstrebende Kandidaten mit großen Ambitionen und einem herausragenden Hintergrund, der Management und Technik miteinander verbindet.

Beide Typen werden wahrscheinlich bei ihrer Arbeit scheitern.

Der erste Typus, an anderer Stelle im Unternehmen ein Ass, scheitert aufgrund mangelnder Softwarekenntnisse – ebenso wie jemand aus der Softwareabteilung scheitern wird, wenn er die Rolle eines Logistikleiters übernehmen müsste. Entscheidungsträger für große Softwareprojekte kennen vielleicht nicht den Unterschied zwischen einem Softwarepaket und einem Container, was das Ausmaß der Herausforderung verdeutlicht.

Der zweite Typus, der aufstrebende MBA-Managementkandidat, wird scheitern, weil ihm intern die Kraft und der Rückhalt fehlen, um notwendige Transformations- und Veränderungsprozesse voranzutreiben.

Generell lässt sich sagen: Traditionelle Unternehmen sollten die Leitung von IoT-Projekten nur Personen übertragen, die entsprechende Softwarekenntnisse vorweisen können. Die richtigen Kandidaten müssen in die Lage versetzt werden, tief greifende Veränderungen vorzunehmen, indem ihnen ein ausreichendes Budget zur Verfügung steht und sie vom oberen Management bei ihrer Aufgabe unterstützt werden. Dies ist für ein erfolgreiches Ergebnis von entscheidender Wichtigkeit. The Innovator’s Dilemma ist diesbezüglich eine großartige Lektüre für die obere Führungsebene. Das 1997 erschienene Buch veranschaulicht, warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende Innovationen verlieren.

Fehlendes Budget

Das Versprechen von IoT-Projekten liegt vor allem in reduzierten Kosten während des Produktlebenszyklus und steigenden Einnahmen durch Abonnements.

Viele traditionelle Unternehmen nehmen dieses Versprechen aber nicht an, sondern stellen sich ihm durch Wettbewerb. Eine solche Haltung führt dazu, dass Software zu einem notwendigen Übel wird, was wiederum Software zu einer Kostenstelle macht. Dies wird deutlich, wenn Unternehmen glauben, dass sie mit nur wenigen Entwicklern innerhalb weniger Monate intern eine geeignete Lösung für OTA-Software-Updates (Over the Air) entwickeln könnten.

Der Hauptgrund für diese recht naive Einstellung ist das fehlende Budget, kombiniert mit der Anforderung, etwas pünktlich liefern zu müssen. Das Ergebnis sind fragile OTA-Lösungen mit kritischen Sicherheits- und Betriebsproblemen, die das Unternehmen angreifbar machen und ihm verheerende Schlagzeilen bescheren können.

Führende Experten beobachten diese problematische Haltung und weisen die Community darauf hin. So verdeutlicht etwa Bjorn Nostdahl, Chief Product and Innovation Officer von Gunnebo Security Solutions, in seinem Blog die Kosten, den Ärger und den Zeitverlust, die bei dem Versuch entstehen, eine Lösung für OTA-Software-Updates selbst zu entwickeln.

Traditionelle Unternehmen sollten Software als eine Quelle der Wettbewerbsdifferenzierung und als Segen für schnellere Marktreaktionen und größere Kundennähe betrachten. Eine solche Sichtweise wird zu größeren und realistischeren Budgets und Zeitvorgaben führen.

Grundlegende Schwächen

Der allgemeine Mangel an Kompetenz in Verbindung mit unrealistischen Zeitvorgaben und Budgets führt zu schwerwiegenden Fehlern in der Designphase von intelligenten Produkten. Dies bedeutet leider am Ende, dass ein Projekt scheitert.

So haben einige Firmen nicht darüber nachgedacht, wie lange sie die Bereitstellung von Software-Sicherheits-Patches garantieren wollen oder wie das Konzept der rollenbasierten Zugriffskontrolle aussehen soll, um die richtigen Zugriffsrechte zu gewährleisten. Auch Themen wie Geräte- und Softwarekompatibilität, kontinuierliche Iteration/kontinuierliche Entwicklung oder der Prozess beim Change Management sollten von Anfang an auf dem Tisch liegen.

Begreift das Unternehmen die Erweiterbarkeit von Produkten? Versetzen Sie sich zurück ins Jahr 2000, zu Steve Jobs, dem iPod, iTunes und dem personalisierten Musikerlebnis. Ein physisches Produkt herzustellen, es auszuliefern und dann zu vergessen, unterscheidet sich von der Entwicklung eines softwarebasierten Produkts, das über Jahre hinweg gepflegt wird. Der Unterschied ist gravierend und ähnelt dem Bedeutungsunterschied zwischen den Begriffen statisch und dynamisch.

Traditionelle Unternehmen sollten sich zumindest das Dreieck des Vertrauens zu eigen machen: Lediglich autorisierte Personen, autorisierte Software und autorisierte Geräte dürfen zusammenspielen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass nur die richtigen Personen die richtige Software auf den richtigen Geräten einsetzen können. Mit diesem einfachen Prinzip lassen sich die grundlegendsten Fehler und Unsicherheiten vermeiden.

Schlechte technologische Roadmap und Strategie

Was tatsächlich zum Scheitern führt, ist natürlich technischer Natur. Doch jede der zuvor genannten Herausforderungen bewirkt, dass die folgenden zentralen technischen Themen nur unzureichend abgedeckt werden:

  • Allgemeine Strategie: Lokales Self-Hosting (On-Premises) oder Einsatz der Public Cloud?
  • Know-how: Die Kompetenz des internen IT-Personals in Bezug auf Sicherheit und Betrieb wird überschätzt.
  • Organisation: Gibt es eine klare Trennung und Abgrenzung der Anliegen zwischen den Geschäftsbereichen und unternehmensweiten Richtlinien?
  • Softwarestrategie: Plattformstrategie oder Best-of-Breed-Ansatz mit akzeptiertem teilweisem Vendor Lock-in? Eigenentwickelte Lösungen oder Lizenzierung von Software?
  • Updates: Wartung eines Produkts mit Software-Updates über mehrere Jahre?
  • Management: Internes Management oder Outsourcing der operativen Dienste?

Fazit

Zusammenfassend lässt sich Folgendes feststellen: Der wichtigste Grund für gescheiterte Digitalisierungsstrategien und IoT-Projekte ist ein mangelndes grundlegendes Softwareverständnis auf der obersten Managementebene. Somit erkennt die Führungsmannschaft weder das Potenzial noch die Anforderungen.

Die Versäumnisse dieser C-Ebene machen sich im Unternehmen auf unterschiedlichste Weise bemerkbar. Ganz gleich, ob eine Firma Industrieausrüstung oder Konsumgüter herstellt – die Softwarekompetenz der oberen Führungsebene ist in jedem Fall erforderlich. Ein anhaltender Mangel an Kompetenz wird letztlich zum Untergang jedes Unternehmens führen, unabhängig von seiner Geschichte und davon, wie robust es heute wirkt.

Über den Autor:
Thomas Ryd ist Mitgründer und CEO von Northern.tech, wo er seine Tage damit verbringt, das Unternehmen in Richtung seiner Mission "Secure the World's Connected Devices" zu lenken. Er verfügt über umfangreiche Erfahrungen an der Schnittstelle zwischen Technologie und Wirtschaft. Zuvor gründete er ein norwegisches Unternehmen für mobile Inhalte.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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