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Viele deutschen Rechenzentren brauchen eine Ertüchtigung

Rechenzentren bedürfen laufender Erneuerungen, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Unser Gastautor erklärt, auf welche Aspekte Sie dabei besonders achten sollten.

Die Bedeutung der Rechenzentren für die Wirtschaft nimmt zu. Sie sind ein unverzichtbarer Teil der Digitalisierung. Allerdings lassen sich nur mit leistungsfähigen Rechenzentren die Digitalisierungsziele von Unternehmen und Politik erreichen. Gleichzeitig ist es notwendig, Einrichtungen und Betrieb so energieeffizient und klimafreundlich wie möglich zu gestalten. Die technische Ausstattung vieler laufender Rechenzentren entspricht nicht den aktuellen Standards und benötigt eine Ertüchtigung, einen RZ-Refit.

„Mit einer effizienten, klimafreundlichen, zuverlässigen und leistungsfähigen Rechenzentrumsinfrastruktur können die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und deutschen Wirtschaft gestärkt und gleichzeitig Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele erreicht werden“, schreibt der Branchenverband Bitkom.

Von den derzeit bestehenden rund 3.000 Rechenzentren mit mehr als 40 kW IT-Anschlussleistung und den etwa 50.000 kleineren IT-Installationen und Rechenzentren in Deutschland sind viele in die Jahre gekommen und entsprechen daher nicht oder nur teilweise den Anforderungen an Effizienz, Klimafreundlichkeit und Leistungsfähigkeit. Was sollten Betreiber tun? In den wenigsten Fällen ist ein Neubau notwendig. In der Regel genügt es, einzelne Komponenten zu erneuern. 

Ganzheitlicher Blick

Unternehmen, die ihr Rechenzentrum optimieren möchten, sollten einen Rundum-Blick auf das Rechenzentrum werfen und dessen Schwächen genau analysieren. Denn meistens sollten Sie an mehr als einer Stelle nachjustieren. Rechenzentren sind komplexe Systeme, deren einzelne Teile gut aufeinander abgestimmt werden müssen.

Mit dem ganzheitlichen Blick bringen Sie viele Defizite ans Licht: Eine fehlende Wartung der USV-Anlage (Unterbrechungsfreie Stromversorgung), nicht vorhandene Handlöscher oder ein unzureichendes Betriebsführungshandbuch. In anderen Fällen wiederum entdecken Sie möglicherweise größere Probleme, wie zum Beispiel eine wasserführende Fremdverrohrung im Serverraum, mangelnde Entwässerung des Daches, schwacher physischer Einbruchschutz oder geringer baulicher Brandschutz. Mit einer gründlichen Prüfung des Rechenzentrums identifizieren Sie alle Schwachstellen und Gefahrenherde. 

Kluge Investitionsentscheidungen

Wenn Sie bei Ihrer Evaluation Probleme oder Risiken entdecken, sollten Sie diese zügig beheben. Um mit den Ressourcen Ihres Unternehmens verantwortungsvoll vorzugehen, sollten Sie sich dafür jedoch einen genauen Plan machen.

Je nachdem, ob Sie qualifiziertes Personal im Betrieb haben, ist es hier auch sinnvoll, einen externen Experten hinzuzuziehen. In einer Analyse beurteilt dieser zusammen mit Ihnen den aktuellen und zukünftigen Anspruch an Raum und technische Infrastruktur.

Anschließend erhalten die passenden Lösungsvorschläge, welche die Kosten für Anpassung und Betrieb beinhalten. Auf Basis dieser Hinweise treffen Sie eine informierte Investitionsentscheidung und planen Maßnahmen. Ein guter Berater wird Sie außerdem über die Möglichkeiten gesetzlicher Förderung informieren, zum Beispiel beim Erneuern des Kühlsystems mit klimafreundlicheren Kältemitteln

Alle Aspekte abgedeckt

Ein Ertüchtigungskonzept sollte alle Aspekte eines Rechenzentrums umfassen. Dazu gehören:

Die bauliche Hülle

Je nach Bedarf des Unternehmens stehen verschiedene Lösungen für Erneuerung der baulichen Hülle zur Verfügung – ein Raum-in-Raum-System, ein Raum in einem Bestandsgebäude, der Einsatz von IT-Safes oder ein Container auf dem Betriebsgelände. Möchten Sie einen vorhandenen Raum weiterverwenden, müssen Sie ihn anhand der jeweiligen Vorschriften und der neuesten Technik überprüft und eventuell angepasst werden.

Kühlung

Ist die vorhandene Kühlanlage veraltet, entspricht nicht mehr den aktuellen gesetzlichen Anforderungen oder benötigt sie lediglich eine Optimierung des Aufbaus und der Luftführung? Um ein effizientes Kühlsystem zu erstellen, müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden: Die Größe und das Layout des Raums, die Anzahl und Leistungsaufnahme der Rechner sowie die Bedingungen und Anforderungen im Außenbereich

Energieversorgung

Häufig sind die USV-Anlagen veraltet und benötigen neue Akkus, oder sie entsprechen nicht mehr den Anforderungen an Wirkungsgrad und Kosten. Zudem sollten Sie darüber nachdenken, wie Sie Energie sparen und die Emissionen des von ihnen bezogenen Stroms reduzieren. Eine Lösung könnte die Installation einer Photovoltaikanlage sein.

Sicherheitstechnik

Auch die Sicherheit müssen Sie unbedingt überprüfen, einschließlich Zugangskontrolle, Alarmanlagen, Tür- und Schlosssystemen sowie Videoüberwachung. Da Rechenzentren und Serverräume in der Regel bedienerlose Räume sind, die längere Zeit nicht betreten werden, ist eine optimale Absicherung von größter Bedeutung.

Achim Dewald, Prior1

„Ein Refit punktet gegenüber dem Neubau eines Rechenzentrums mit klaren Vorteilen. Er ist schneller, kostengünstiger und einfacher zu realisieren. Zudem ist die Ertüchtigung eines bereits bestehenden Rechenzentrums in der Regel wirtschaftlicher als der Neubau.“

Achim Dewald, Prior1

Was spricht für einen RZ-Refit?

Ein Refit punktet gegenüber dem Neubau eines Rechenzentrums mit klaren Vorteilen. Er ist schneller, kostengünstiger und einfacher zu realisieren. Zudem ist die Ertüchtigung eines bereits bestehenden Rechenzentrums in der Regel wirtschaftlicher als der Neubau. Es ist nicht nötig, neue Räumlichkeiten und Infrastruktur zu schaffen und die Planungs- und Genehmigungsphasen sind viel kürzer.

Dadurch erreichen Sie ihre Ziele schneller. Durch den Einsatz modernster Technologien und eine genaue Planung lassen sich bestehende Rechenzentren an neue Anforderungen anpassen, während der Betrieb weiterläuft, ohne dass es notwendig ist, das System komplett zu ersetzen. Nicht zuletzt lässt sich ein Refit deutlich ressourcenschonender realisieren als ein Neubau. 

Fallbeispiel Ertüchtigung Klimatechnik

Angenommen, die Klimatechnik eines Rechenzentrums mit 100 kW IT-Last soll ertüchtigt werden. Welche Einsparungen ergeben sich daraus? Vor der Ertüchtigung hat das Rechenzentrum eine Jahresarbeitszahl der Klimatechnik von 3 (JAZ beziehungsweise CER gemäß DIN EN 50600 4-7.

Die Jahresarbeitszahl gibt die Energieeffizienz von Kälteanlagen, Wärmepumpen und Klimaanlagen in Bezug auf die Kühlfunktion im Ganzjahresbetrieb an. Nach der Ertüchtigung erreicht das Rechenzentrum eine Leistungskennzahl von 9. Der Betreiber hat eine Einhausung eingerichtet, die Luftführung optimiert, ein Kaltwassersystem mit hoher Vorlauftemperatur installiert und nutzt nun indirekte freie Kühlung.

Als Grundlage für die Emissionsberechnung wird der CO2-Emissionsfaktor des deutschen Strommixes aus dem Jahr 2021 herangezogen: 485g/kWh (CO₂-Äquivalente Emissionsfaktor mit Vorketten [g/kWh] gem. Umweltbundesamt, Quelle: Entwicklung der spezifischen Treibhausgas-Emissionen des deutschen Strommix in den Jahren 1990 bis 2021, Umweltbundesamt, April 2022).

Demnach lag der Verbrauch (kWh elektrisch) für den Betrieb der Klimatechnik zur Kühlung der IT-Last vor der Ertüchtigung bei 292.000 kWh. 

Nach der Ertüchtigung liegt der Verbrauch unter der realistischen Annahme einer Verbesserung der Jahresarbeitszahl von 3 auf 9 bei nur noch 97.333 kWh. 

Damit ergibt sich durch die Ertüchtigung eine jährliche Ersparnis von 194.667 kWh bzw. 94t CO2 und je nach Strompreis circa 49.000 Euro (bei einem Strompreis von 0,25 Euro/kWh). 

Regelmäßige Überprüfungen

Unternehmen, die ihr Rechenzentrum dauerhaft auf dem neuesten Stand halten wollen, sollten regelmäßige Überprüfungen durchführen. Dadurch stellen sie sicher, dass die Systeme den Anforderungen gerecht werden und effizient funktionieren. Dies kann sowohl finanzielle Vorteile als auch eine höhere Verfügbarkeit der IT-Services, eine bessere Skalierbarkeit und erhöhte Sicherheit mit sich bringen.

Über die Autoren:
Achim Dewald ist Projektleiter bei Prior1 im Bereich Konzeptionierung und Beratung für die Sicherheit von Serverräumen und Rechenzentren. Der Schwerpunkt liegt dabei bei der Wirtschaftlichkeit und energetischen Effizienz. Achim Dewald ist Vertriebsingenieur und hat eine Reihe von internationalen Projekten geleitet.

Der Autor ist für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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