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Ist der Bau von Rechenzentren unter Wasser denkbar?
Unterwasser-Rechenzentren bieten Vorteile bei Kühlung, Platz und Energieeffizienz, bringen aber auch ökologische und technische Herausforderungen mit sich.
Wasser spielt eine wichtige Rolle bei der Kühlung von Hardware in Rechenzentren. Microsoft hat dies auf die nächste Stufe gebracht, indem es ein Mini-Rechenzentrum unter Wasser versenkt hat. Dieses Experiment lässt Rechenzentrumsexperten darüber nachdenken, ob Unterwasseranlagen in Zukunft eine praktikable Option sein könnten, und wirft Fragen zu ihren Auswirkungen auf die Umwelt und die allgemeine Nachhaltigkeit auf.
Könnten Unterwasser-Rechenzentren in großem Maßstab gebaut werden und die nächste Generation von Technologien antreiben, so wie die landgestützten Anlagen, die zehntausende Quadratmeter Fläche einnehmen? Im Folgenden wird untersucht, ob Unterwasser-Rechenzentren praktikabel und nachhaltig sind.
Warum werden Rechenzentren im Meer errichtet?
Rechenzentren beherbergen und verwalten die riesigen Datenmengen, die Menschen täglich generieren und nutzen. Bei der Standortwahl für moderne Rechenzentren werden in der Regel Gebiete berücksichtigt, in denen Strom günstig ist, Grundstücke wenig kosten und die Anlage keine Belastung für die lokale Bevölkerung darstellt. Der Einsatz von Unterwasser-Rechenzentren bietet ähnliche Vorteile, allerdings gibt es einige zusätzliche Kosten und Nachteile, die erhebliche Hindernisse darstellen.
Beispiele für Unterwasser-Rechenzentren
Project Natick von Microsoft in den Jahren 2015 und 2018 war eines der ersten Unterwasser-Rechenzentren. Im Jahr 2020 hat Microsoft das Project Natick eingestellt. Phase 1 im Jahr 2015 bestand aus einem kleinen Rechenzentrum, das 105 Tage lang vor der Küste Kaliforniens getestet wurde. Phase 2 im Jahr 2018 war der Einsatz eines etwas größeren Rechenzentrums namens Northern Isles, das zwei Jahre lang in einer Tiefe von 35,7 Metern auf dem Meeresboden vor der Küste Schottlands installiert war. Es beherbergte 864 Server in einem etwa 12,2 Meter langen und 2,8 Meter breiten Behälter mit einer Niederdruck-Umgebung aus trockenem Stickstoff. Auch wenn Microsoft Project Natick 2020 beendete, forscht das Unternehmen weiterhin an alternativen, nachhaltigen Rechenzentrumsmodellen wie schwimmenden, windbetriebenen Offshore-Anlagen.
Ein weiteres Unternehmen, Subsea Cloud, entwickelt und betreibt kommerziell verfügbare Unterwasser-Rechenzentren. Es verwendet für seine Server drucklose Pods, die eine proprietäre nichtleitende Flüssigkeit enthalten, um die Technologie im Inneren zu schützen. Subsea Cloud gibt an, dass seine Pods einer Tiefe von bis zu 914,4 Metern standhalten können. Die Pods verwenden passive Kühlmethoden, die ihren CO2-Fußabdruck und die Auswirkungen auf die Umgebung reduzieren. Subsea Cloud bietet inzwischen kommerzielle Lösungen für datenintensive Branchen wie KI und Biotechnologie.
Im Jahr 2023 hat Highlander, ein auf Unterwasser-Rechenzentren spezialisiertes Unternehmen, eine kommerzielle Anlage in der Nähe von Hainan, China, in Betrieb genommen. Das Rechenzentrum wiegt etwa 1.300 Tonnen und befindet sich etwa 35 Meter unter Wasser. Das Unternehmen plant, in naher Zukunft 100 weitere Module einzusetzen, um den Verbrauch von Land, Frischwasser und Strom zu reduzieren. Im Jahr 2025 startete Highlander den nächsten Ausbauzyklus mit weiteren 50 Unterwassermodulen, teilweise in Kooperation mit Regierungsstellen.
Die Vorteile von Unterwasser-Rechenzentren
Der Einsatz von Unterwasser-Rechenzentren führt zu möglicher Energieeffizienz, niedrigen Kosten und weniger Landverbrauch im Vergleich zu großen Rechenzentren. Diese Vorteile werden durch mehrere Faktoren ermöglicht.
Reichlich vorhandene Fläche und reduzierte Latenzzeiten
Etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung lebt innerhalb von 100 Kilometern Entfernung zur Küste. Unternehmen können Rechenzentren Offshore betreiben, wenn nicht genügend Land für eine Anlage zur Verfügung steht. Unterwasser-Rechenzentren in Küstennähe wären für einen großen Teil der Bevölkerung verfügbar, ohne Platz für Wohn- und Gewerbeflächen zu beanspruchen.
Unterwasser-Rechenzentren in der Nähe dicht besiedelter Küstengebiete können die Latenzzeiten im Netzwerk reduzieren oder ganz eliminieren. Die Daten müssen nur über kurze Strecken übertragen werden.
Geringere Ausfallraten der Hardware
Technische Hardware hält unter Wasser länger, da sie nicht durch Menschen gerammt oder beschädigt wird. Ausserdem ist sie in trockenen, stickstoffhaltigen Umgebungen weniger korrosionsanfällig. Microsoft stellte fest, dass die Ausfallrate unter Wasser nur ein Achtel derjenigen an Land betrug.
Geringerer Strombedarf und niedrigere Kosten
Aufgrund ihrer geringeren Größe und effizienteren Konstruktion verbrauchen Unterwasser-Rechenzentren weniger Strom. Sie könnten zusammen mit anderen Offshore-Anlagen wie Windparks auf See, die Strom aus Wind oder Wellenenergie erzeugen, betrieben werden. Subsea Cloud nutzt vorhandene Unterwasserkabel zur Stromversorgung seiner Pods, sodass keine neuen Stromquellen erforderlich sind.
Keine Kühlkosten
Tiefsee-Rechenzentren nutzen die Kühlkapazität des Ozeans, um konstant niedrigere Temperaturen aufrechtzuerhalten. Da das umgebende Wasser von Natur aus kühler ist als die Hardware im Inneren des Containers, ist kein aktives, energieintensives mechanisches Kühlsystem erforderlich. Meerwasser ist zudem eine klimafreundliche Ressource.
Allerdings nehmen die Meereswärmewellen stetig zu, besonders im Nordatlantik. Unterwasser-Rechenzentren in wärmeren Gewässern können also ihren Kühlvorteil verlieren,
Kürzere Bereitstellungszeiten
Ein Unterwasser-Rechenzentrum kann innerhalb weniger Wochen gebaut und in Betrieb genommen werden, da es sich um ein Fertigungsprojekt handelt. Ein Fertigungsprojekt nutzt bestehende Industrien und Märkte, die schneller arbeiten als ein riesiges Rechenzentrum an Land.
Die Nachteile von Unterwasser-Rechenzentren
Obwohl die Experimente und Vorteile Unterwasser-Rechenzentren als eine Technologie der nahen Zukunft und häufige Einsatzmöglichkeiten erscheinen lassen, haben sie Nachteile, die die Idee – zumindest vorerst – undurchführbar machen.
Zugänglichkeit für Bereitstellung und Abruf
Der Zugang zum Meeresboden kann eine Herausforderung sein, insbesondere in tiefen Gewässern oder Gebieten, die rauen Bedingungen ausgesetzt sind. Während autonome Unterwasserfahrzeuge mit schwerem Seegang zurechtkommen, gilt das nicht für die Installationsschiffe, die zum Aussetzen oder Bergen der Rechenzentren benötigt werden.
Energiequellen
Klimafreundliche Energiequellen sind nicht immer verfügbar. Offshore-Windparks funktionieren an windstillen Tagen nicht und wellenbasierte Generatoren funktionieren möglicherweise nur bei Wellen ab einer bestimmten Größe.
Physische Sicherheit
Die Unterwasserlage des Objekts schützt es vor den meisten Kriminellen und Eindringlingen. Es ist jedoch anfällig für finanzstarke Kriminelle und staatliche Akteure, denen es möglicherweise leichter fällt, eine Anlage anzugreifen, die nicht mit herkömmlichen Mitteln geschützt ist.
Skalierbarkeit
Aufgrund seiner Größe ist es möglicherweise nicht möglich, ein landgestütztes Rechenzentrum unter Wasser durch die Vernetzung mehrerer Rechenzentren zu replizieren. Dies hängt von anderen Faktoren ab, wie beispielsweise der Hardware, der Stromquelle und den Projektanforderungen.
Standort auf dem Meeresboden und Gerichtsbarkeit
Die Stabilität des Meeresbodens und die Gerichtsbarkeit über das Gewässer sind wichtige Faktoren bei der Standortwahl. Je nach Standort kann die Genehmigung für diese Art von Containern und Konstruktionen ein Problem darstellen.
Neue gesetzliche Regelungen, beispielswesie in der EU oder in Teilen Asiens, verlangen Umweltverträglichkeitsprüfungen und Sicherheitszertifikate für Unterwasser-Infrastrukturen. Dies könnte die Markteinführung verzögern, aber auch mehr Vertrauen schaffen.
Haltbarkeit der Struktur
Unterwasser-Rechenzentren sind aufgrund ihrer Größe auf die derzeit verfügbaren Bauweisen und Materialien beschränkt. Das Testobjekt von Microsoft war nur 12,2 Meter lang und hatte einen Durchmesser von 2,8 Metern, während die Pods von Subsea Cloud etwa 6 Meter lang sind. Experten sind sich noch nicht sicher, wie größere Strukturen gebaut und eingesetzt werden können, die sicher genug für die Hardware sind.
Sind Unterwasser-Rechenzentren ökologisch nachhaltig?
Die Umweltauswirkungen und die Nachhaltigkeit von Unterwasser-Rechenzentren sind umstritten. Einige Experten halten sie für nachhaltig, andere nicht.
Team Ja: Unterwasser-Rechenzentren sind nachhaltig
Klimafreundliche Stromerzeugungsmethoden wie Gezeitenkraftwerke und Offshore-Windkraftanlagen könnten Unterwasser-Rechenzentren mit Strom versorgen. Gezeitenkraftwerke sind zu 100 Prozent erneuerbar und haben einen geringen CO2-Fußabdruck. Bestehende Unterwasserkabel könnten die Stromversorgung übernehmen, wodurch der Bedarf an neuen Unterwasserkabeln reduziert würde.
Die Objekte sind als Lights-out-Rechenzentren konzipiert, sie können also ohne physische oder menschliche Eingriffe betrieben werden. Dies erhöht die Nachhaltigkeit, da sie während ihrer gesamten Lebensdauer unberührt bleiben können.
Nach Ablauf ihrer Lebensdauer können die Materialien der Objekte und die Hardware im Inneren recycelt werden. Die Objekte dienen außerdem als künstliche Riffe für Meereslebewesen, wodurch weniger künstliche Riffe mit versenkten Schiffen angelegt werden müssen.
Das Aufkommen von Unterwasser-Rechenzentren ist ein Wandel in der Infrastruktur und im Design. Sie bieten eine vielversprechende Alternative zu landgestützten Einrichtungen, da sie die einzigartigen Vorteile der Unterwasserumgebung nutzen können. Unterwasser-Rechenzentren haben das Potenzial, die Art und Weise, wie wir sie entwerfen, einsetzen und betreiben, völlig zu verändern.
Team Nein: Unterwasser-Rechenzentren sind nicht nachhaltig
Diese Projekte bringen künstliche Materialien unter Wasser und könnten erhebliche Ausgasungen und andere Veränderungen der natürlichen Meeresumwelt verursachen. Das Austreten von Gasen und nicht leitfähigen Ölen aus den Behältern könnte das Leben im Meer schädigen. Auch die in den Behältern befindliche Technologie könnte das Leben unter Wasser beeinträchtigen, da die Geräte aus Materialien bestehen, die nicht natürlich im Meer vorkommen.
Meereswärmewellen und der Klimawandel führen zu stärkeren Schwankungen der Meer- und Ozeanwassertemperaturen als in der Vergangenheit. Steigende oder sich ändernde Temperaturen stellen eine Herausforderung für Unterwasser-Rechenzentren dar, da sie die Wirksamkeit von Kühlsystemen auf Meerwasserbasis beeinträchtigen können, was zu einer Überhitzung der Server und einer Verschlechterung der Leistung führt. Eine geringere Leistung und andere Verschlechterungen bedeuten, dass sie häufig wieder an die Oberfläche gebracht oder aufgerüstet werden müssen, was die Kosten erhöht und die lokale Meeresumwelt schädigt.
Rechenzentren unter Wasser auf einen Blick
Unterwasser-Rechenzentren bieten Vorteile wie geringe Kühlkosten, höhere Energieeffizienz und Platzersparnis an Land. Projekte wie Microsofts Project Natick, Subsea Cloud oder Highlander zeigen erste Erfolge. Dennoch bestehen Herausforderungen bei Wartung, Skalierbarkeit, Energieversorgung und Umweltauswirkungen. Ob sie langfristig eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Rechenzentren sind, bleibt umstritten.