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Windsurf: Einstieg in den KI-Fork von Visual Studio Code

Windsurf unterstützt über 70 Programmiersprachen und mehr als 40 IDEs. Die Plattform steht für Einzelentwickler und Unternehmen mit erweiterten Anforderungen zur Verfügung.

Windsurf, auch bekannt unter dem ehemaligen Namen Codeium, hat sich von einer reinen Codevervollständigungserweiterung zu einer vollwertigen, KI-gestützten Entwicklungsumgebung weiterentwickelt. Die Plattform verfolgt einen agentenbasierten Ansatz, bei dem klassische Editorfunktionen mit eigenständiger Analyse, Vorschlagslogik und Codeerzeugung kombiniert werden.

Grundlage ist ein Fork von Visual Studio Code, erweitert um ein eigenes KI-Modell, optimiert auf kontextbasierte Unterstützung im Entwicklungsprozess. Windsurf unterstützt über 70 Programmiersprachen und mehr als 40 integrierte Entwicklungsumgebungen (IDE) und steht sowohl für Einzelentwickler als auch für Unternehmen mit erweiterten Anforderungen bereit.

Kontextgesteuertes Arbeiten mit Cascade

Zentrale Komponente der Umgebung ist die Funktion Cascade. Diese verbindet Codeverständnis über mehrere Dateien hinweg mit einem permanent synchronisierten Bearbeitungszustand zwischen Entwickler und KI. Statt reiner Vervollständigung erfolgt eine proaktive Analyse des gesamten Codekontexts.

Terminalbefehle können direkt aus der Oberfläche heraus ausgeführt werden, zum Beispiel zur Initialisierung eines Projekts, zum Deployment oder zur Fehleranalyse. Windsurf erkennt dabei automatisch den Projektstatus, schlägt passende Kommandos vor und führt diese nach Freigabe aus. Alle Aktionen werden im sogenannten Cascade-Terminal dokumentiert und sind rückverfolgbar.

Durch den Moduswechsel zwischen Write und Chat lässt sich steuern, ob die KI Änderungen direkt am Quellcode vornimmt oder lediglich Vorschläge in Textform liefert. Besonders in frühen Projektphasen empfiehlt es sich, zunächst mit dem Chat-Modus zu arbeiten, um grundlegende Konzepte zu klären oder die technische Umsetzung zu planen. In produktiven Phasen bietet der Write-Modus die Möglichkeit, komplexe Refactorings, Migrationen oder funktionale Erweiterungen direkt umzusetzen.

Editorfunktionen, Inline-Änderungen und Vorschau

Windsurf erlaubt inline-basiertes Arbeiten auf Methoden- oder Blockebene. Entwickler können einzelne Codebereiche markieren und gezielte Änderungen anfordern, beispielsweise zur Anpassung von Benennungen, Struktur oder Stil. Die Bearbeitungen werden visuell mit einer Ansicht der Unterschiede dargestellt, wobei sich Änderungen rückgängig machen lassen. Akzeptierte Änderungen werden sofort übernommen, nicht gespeicherte Modifikationen hingegen ignoriert. Wird ein Dateibereich nicht gespeichert, blockiert Windsurf jede KI-gesteuerte Bearbeitung, ein Punkt, der in der alltäglichen Nutzung besondere Aufmerksamkeit erfordert.

Windsurf Screenshot
Abbildung 1: Windsurf ist ein Fork von Visual Studio Code mit direkter Integration von KI.

Änderungen sind bereits sichtbar, bevor sie final akzeptiert werden. Die betroffenen Dateien enthalten in dieser Phase den neuen Code, was bedeutet, dass Tests oder Vorschauen bereits möglich sind. Ein Reject entfernt den Inhalt, ein Accept übernimmt ihn dauerhaft in die Codebasis. Diese Vorschau-Funktion erlaubt es, Codeänderungen wie bei einem Pull Request direkt zu validieren, inklusive einer Visualisierung mit rot-grün gefärbten Diffs.

Ein Highlight der Plattform ist die direkte Vorschaufunktion im Editor. Webanwendungen lassen sich ohne Kontextwechsel anzeigen, Elemente markieren und per KI-Eingriff anpassen. Die Vorschau ist live mit der Codebasis verbunden, was eine schnelle Iteration beim Frontend-Design ermöglicht. Entwickler erhalten damit ein vollständiges Feedback-System in Echtzeit, inklusive visueller Änderungen, DOM-Elementzugriff und CSS-Modifikationen.

Flows: Kombination aus Agent und Copilot

Das Architekturkonzept Flows definiert, wie Windsurf KI mit klassischen Entwicklungspraktiken verknüpft. Die KI agiert nicht nur als Assistenzsystem, sondern auch als eigenständig agierender Agent. Der Entwickler kann einzelne Aufgaben übergeben, etwa das Refactoring mehrerer Dateien, das Ausrollen eines neuen Moduls oder die Anpassung von UI-Komponenten, und die KI übernimmt diese in einem kontinuierlichen Arbeitsfluss.

Flows kombinieren damit Copilot-Funktionalität (kontextbasierte Hilfestellung) mit agentenbasiertem Handeln (autonome Umsetzung). Dadurch entsteht eine enge Synchronisation zwischen Entwickler und KI. Die Plattform erkennt implizit, was als nächster logischer Schritt folgt, zum Beispiel nach dem Erstellen eines neuen Frontends, das Anbinden eines Endpunkts oder das Ergänzen eines Formular-Handlers. Die Funktion Continue greift dieses Verhalten auf: Mit einem simplen Prompt generiert die KI auf Basis des bisherigen Kontexts passende Folgeaktionen.

LLM-Auswahl, Inline-Modifikation und Modellwechsel

Windsurf erlaubt den Einsatz unterschiedlicher Large Laguage Models (LLM) je nach Plan, darunter Claude 3.5, GPT-4 und andere. Die Auswahl erfolgt kontextsensitiv im Editor, je nachdem, ob einfache Autovervollständigungen oder komplexere Refactorings notwendig sind. Entwickler können gezielt Modelle für einzelne Aufgaben wählen, etwa schnellere Modelle für syntaktische Modifikationen oder leistungsstärkere Varianten für Änderungen der Architektur. Der Wechsel erfolgt über Shortcuts oder das Kontextmenü.

Über Tastenkombinationen wie Ctrl+I lassen sich inline gezielte Modifikationen durchführen, zum Beispiel das Umstellen von Notation, das Einfügen eines Docstrings oder das Anpassen von Funktionen in PascalCase. Diese fokussierten Eingriffe sind effizient, wenn es um punktuelle Verbesserungen im Code geht. Windsurf bietet zudem eine eigene Bedienungsleiste für wiederkehrende Aufgaben wie Explain, Refactor oder Add Docstring, ohne dass ein Prompt notwendig ist.

Projektkontext, Tagging und visuelle Referenzierung

Die KI von Windsurf arbeitet auf Basis eines vollständigen Projektkontexts. Entwickler können jedoch gezielt Dateibereiche, Methoden oder Konfigurationsdateien markieren, um die Aufmerksamkeit der KI auf spezifische Bereiche zu lenken. Das Kontext-Tagging erfolgt über das @-Symbol, das sowohl Dateien als auch spezifische Zeilen adressieren kann. So lassen sich gezielte Fragen formulieren oder Korrekturwünsche eingrenzen.

Bei größeren Projekten ist es sinnvoll, durch gute Ordnerstruktur, konsistente Dateibenennung und sprechende Variablennamen die Lesbarkeit und das KI-Verständnis zu erhöhen. Je klarer die Semantik der Projektstruktur, desto präziser greifen Vorschläge wie Refactoring oder Erweiterungen. Als zusätzliche Möglichkeit lassen sich Abschnitte markieren und mit Ctrl+L direkt als Kontextelement in den Chat übernehmen. So können Rückfragen oder Erklärungen zu bestimmten Codeabschnitten initiiert werden.

Bildgestützte Prompts und visuelle UI-Referenz

Ein Alleinstellungsmerkmal von Windsurf ist die Möglichkeit, Bilder als Teil eines Prompts einzubinden. Entwickler können Screenshots von UI-Komponenten oder Webanwendungen hinzufügen, um der KI eine visuelle Vorstellung des gewünschten Ergebnisses zu liefern. Diese Funktion erlaubt präzisere Vorschläge beim Frontend-Design und ermöglicht die Nachbildung existierender Websites oder Spiele. Dabei kombiniert Windsurf CSS, JavaScript und Markup automatisch über mehrere Dateien hinweg.

Multimodale Interaktion und Mehrdateien-Bearbeitung

Cascade verarbeitet automatisch parallele Änderungen in mehreren Dateien. Dabei wird nicht nur inhaltlich konsistent gearbeitet, sondern auch eine Änderungsstatistik erstellt, Zum Beispiel zu Anzahl gelöschter und hinzugefügter Zeilen pro Datei oder einer Änderungsübersicht über alle bearbeiteten Dateien hinweg. Diese Informationen erscheinen in einer Übersicht am unteren Bildschirmrand.

Gleichzeitig lassen sich mehrere Chat-Sitzungen parallel führen. Jede Sitzung kann isolierten Kontext enthalten. Entwickler sollten neue Sitzungen starten, sobald das Thema wechselt, um Kontextverfälschungen zu vermeiden. Für Fortgeschrittene empfiehlt es sich, auch zwischen verschiedenen Arbeitsmodi (Refactor, UI, Backend) bewusst zu trennen.

Bereitstellung, Plattformunterstützung und Infrastruktur

Windsurf kann Projekte direkt bereitstellen, ohne den Editor zu verlassen. Ein Knopfdruck reicht, um eine Anwendung live zu schalten. Die Plattform übernimmt Build-Prozess, Deployment und Hosting-Integration automatisch. Die IDE steht für macOS, Windows und Linux zur Verfügung. Die Systemvoraussetzungen variieren: Auf Linux wird glibc ≥ 2.28 und glibcxx ≥ 3.4.25 benötigt, auf macOS werden nur Versionen mit Apple Security Support unterstützt. Windows-Installationen erfordern 64-Bit-Versionen ab Windows 10.

Lizenzmodell und Funktionsumfang

Windsurf bietet ein mehrstufiges Preismodell. Die kostenlose Einzelversion ermöglicht das Chatten mit der KI und die Generierung von Code, erlaubt jedoch keine automatisierte Änderung von Dateien. Erst mit dem Pro-Plan stehen Funktionen wie automatisierte Codeintegration, Zugriff auf größere Sprachmodelle und erhöhte Projektlimits zur Verfügung. Zusätzlich bietet der Plan 100 monatliche Prompt-Credits sowie priorisierte Leistung bei Vervollständigungen und Indexierung.

Unternehmen erhalten über den Enterprise-Tarif erweiterte Funktionen wie Benutzerverwaltung, Admin-Dashboards, Support für private Modelle und SOC-2-Typ-2-Konformität. Eine On-Premises-Version für besonders sensible Entwicklungsumgebungen ist ebenfalls verfügbar. Für Entwickler, die Windsurf testen möchten, steht nach Installation des Editors ein Pro-Zugang für zwei Wochen zur Verfügung, ohne Angabe von Zahlungsdaten. Nach Ablauf erfolgt ein automatischer Wechsel in den Individual-Plan.

Windsurf verwendet proprietäre Sprachmodelle, deren Trainingsdaten nicht im Detail veröffentlicht wurden. Im Gegensatz zu Anbietern wie Tabnine, die ausschließlich Code mit permissiven Lizenzen einbeziehen, bleibt bei Windsurf unklar, ob auch Inhalte unter restriktiven Lizenzen wie der GPL berücksichtigt wurden. Für Unternehmen, die strenge Lizenzkonformität wahren müssen, empfiehlt sich daher eine juristische Prüfung vor demn breitem Einsatz. Auch im Hinblick auf mögliche Copyleft-Risiken ist Vorsicht geboten.

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