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Warum und wie man Mainframes ruhig ablösen sollte

Mainframes sind seit Jahrzehnten aus Rechenzentren kaum wegzudenken, weswegen Anwender oft den Abschied von selbigen scheuen. Es gibt aber gute Gründe, diese Denkweise zu verändern.

Eine altbekannte Weisheit unter IT-Verantwortlichen lautet: „Never change a running system.“ (zu Deutsch: „Tausche niemals ein funktionierendes System aus.“).

Jedem, der sich längere Zeit mit moderner Technologie beschäftigt hat, ist sie vertraut. Was sich anfangs so banal wie auch stimmig anhört, kann hingegen bei strikter Umsetzung erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen. Dennoch lässt sich noch immer ein großes Zögern vieler Organisationen beobachten, ihre IT-Infrastruktur und Anwendungen zu modernisieren, um den aktuellen und zukünftigen Geschäftsanforderungen gerecht zu werden.

Ein Großteil des Zögerns liegt einfach in der Natur der Sache, dass jedwede Veränderung das wahrgenommene Risiko eines Ausfalls erhöht. Und genau diese Ausfälle gilt es in den IT-Abteilungen um jeden Preis zu vermeiden. Schließlich haben wir uns alle insbesondere in unserer westlichen Welt sehr daran gewöhnt, dass IT einfach immer verfügbar ist, sehr ähnlich der Erwartungshaltung, dass der Strom einfach aus der Steckdose kommt. Dennoch bedeutet dies oftmals erheblich Arbeit, die nur mittlerweile niemand mehr so richtig wahrnimmt und damit schätzt.

Denn auch wenn die Systeme sich scheinbar nicht verändern, so müssen diese zumindest gepflegt werden, eigentlich sogar stets weiterentwickelt und modernisiert werden. Denn umgekehrt gilt ja auch die Redensart „wer rastet, der rostet“ oder „Stillstand ist Rückschritt“.

Gerade in unserer schnelllebigen modernen Welt ist Agilität von großer Bedeutung und in aller Munde. Bei der Modernisierung alternder Bestandsanwendungen und -infrastrukturen ergeben sich dabei einige Herausforderungen. Eine stetige und kontinuierliche Veränderung beziehungsweise Weiterentwicklung stößt hier an seine Grenzen und lässt sich immer schwerer realisieren.

Die bestehenden Applikationen sind vorhanden und sie funktionieren. Sie wurden vielleicht sogar gut gepflegt. Nur lassen sich diese immer schwieriger, in dem geforderten Tempo weiterentwickeln oder gar modernisieren, denn die meisten Entwicklungen finden auf anderen Plattformen statt und das Fachwissen über besagte Applikationen, deren Systemumgebungen und -betrieb geht immer stärker zurück.

Historische Abneigung gegen Veränderungen

In der Mainframe-Community hat sich aufgrund der oben genannten Herausforderungen eine Kultur der Vorsicht, Kontrolle und Absicherung etabliert. Die Betreuung dieser Umgebungen erfordert ein tiefes Fachwissen, um sie zu pflegen.

Deshalb bedarf jedwede Veränderung – und davon gibt es viele – stets eingehender Vorbereitung und umfangreicher Prüfungen, bevor diese umgesetzt werden. Insbesondere, da, anders als es heute beispielsweise in der Cloud üblich ist, eine Reihe technischer Details manuell justiert werden müssen.

Änderungen am System werden daher mit großer Sorgfalt und Zurückhaltung und nur zu ganz bestimmten Zeiten im Jahr vorgenommen. Änderungen an Anwendungen, die vorgenommen werden sollen, werden nur wenige Male im Jahr umgesetzt. Auf diese Weise wurde die Abneigungshaltung gegenüber Veränderungen zu einem noch fundamentaleren Teil der Mainframe-Mentalität. Dies macht natürlich Veränderung langsam und widerspricht der geforderten Agilität.

Doch auch technische Gründe beeinflussen die Haltung der Unternehmen zur Modernisierung ihrer Mainframes, denn Legacy-Geschäftsanwendungen sind fast immer eine gewachsene Mischung aus Programmen, Datenbanken, Schnittstellen, Middleware und sonstigen Werkzeugen. In vielen Fällen bestehen diese Komplexitäten bereits seit Jahrzehnten, und das Verständnis für die Feinheiten ihrer Implementierung nimmt rapide ab.

Das führt zu einer weiteren Herausforderung: Die oft wichtigen und umfangreichen Applikationen leben in einer anderen Umgebung, werden von separaten Teams gepflegt und betrieben. Neue Entwicklungen erfolgen auf anderen Plattformen und unter Verwendung moderner, einfacher zu bedienender Technologien.

Eine bessere Integration der immer noch benötigten Bestandsanwendungen in diese neue Welt ist sicherlich wünschenswert. Ein Unternehmen kann hier auf einen erheblich größeren Pool an Talenten und Werkzeugen zurückgreifen. Darüber hinaus wird die Tür zu einer weiten Open-Source-Welt geöffnet, was an sich schon einen großen Reigen an Möglichkeiten bietet.

Unternehmenskritische Anwendungen

Eine zielgerichtete und verantwortungsvolle Modernisierung beginnt mit einer Analyse, welche Teile einer Anwendung ersetzt und welche Komponenten nicht modernisiert werden sollen. Hierzu ist es wichtig, einen möglichst kleinteiligen Ansatz nutzen zu können. 

Schließlich ist zu beachten, dass im Laufe der Zeit und in vielen Fällen Interdependenzen zwischen unterschiedlichen Bereichen einer Anwendung entstanden sind und Interoperabilität gesichert bleiben muss. Bei herkömmlichen Modernisierungsmethoden ist dieser zusätzliche Aufwand oft so groß, dass Projekte kaum abgeschlossen werden.

Der Einsatz eines Software Defined Mainframes (SDM, software-definierter Mainframe) löst dieses Problem aufgrund seiner einzigartigen Kompatibilität bei gleichzeitigem Umzug auf eine moderne Plattform; eben jener Plattform, die auch von den besagten Neuentwicklungen genutzt wird.

Thilo Rockmann, LzLabs

„Die Betreuung dieser Umgebungen erfordert ein tiefes Fachwissen, um sie zu pflegen. Deshalb bedarf jedwede Veränderung – und davon gibt es viele – stets eingehender Vorbereitung und umfangreicher Prüfungen, bevor diese umgesetzt werden.“

Thilo Rockmann, LzLabs

Eine binär kompatible Laufzeitumgebung ermöglicht eine iterative Migration und in der Folge eine nahtlose Interoperabilität zwischen migrierten Legacy-Programmen und etwaig modernisierten Komponenten.

Nur das jeweils modernisierte Programm wird geändert. Das Ergebnis ist die Möglichkeit, eine Legacy-Anwendung vergleichsweise einfach und inkrementell umzustellen, Programm für Programm. Bis zur vollständigen Modernisierung wird die Integrität und Verfügbarkeit der ursprünglichen Anwendung zu keiner Zeit beeinträchtigt – anders als dies bei einem Umschreiben, einem Umzug auf eine Standardapplikation oder auch nur bei einer Re-Kompilierung des Source Code der Fall wäre, wenn dieser überhaupt noch vollständig in der real laufenden Version vorhanden ist.

Diese inkrementelle Vorgehensweise bietet gleich mehrere Vorteile. So wird initial die Anwendung nicht geändert und später immer nur die Komponente einer Anwendung modernisiert, die die höchste Dringlichkeit hat. Gegebenenfalls auch unter Verwendung modernerer Programmiersprachen. Darüber hinaus reduziert sich das Risiko, denn das System bleibt nutzbar, die Komponenten werden nach und nach während der Migration auf den SDM in Betrieb genommen.

Zusätzlich erfordert die schrittweise Ablösung des Mainframes ein kleineres Team und damit weniger Ressourcen, als wenn das System komplett auf einen Schlag abgelöst werden muss. Testmöglichkeiten werden vereinfacht und lange Code-Freeze-Perioden werden vermieden.

Bei dem hier beschriebenen Ansatz ergibt sich eine elegante Kombination aus „never change a running system“ und „wer rastet, der rostet“, die viele neue Möglichkeiten bietet, die Zukunft in die eigene Hand zu nehmen und voran zu schreiten. Für Unternehmen, deren wirtschaftlicher Erfolg eng mit dem Betrieb ihrer Applikationen auf einem Mainframe verbunden ist, ist dies sicherlich eine spannende Option. Nach Angaben der Swisscom, die diesen Schritt bereits gegangen ist, steigert dies die Flexibilität des Unternehmens und reduziert gleichzeitig in erheblichem Maße die Ausgaben für die IT.

Über den Autor:
Thilo Rockmann ist Chairman und COO bei LzLabs und verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in der ITK-Branche. In dieser Zeit war er unter anderem als Chairman, Präsident, CEO, Geschäftsführer, Group Systems Director und Technologieberater für viele namhafte Unternehmen tätig. Dazu zählen Accenture, Sun Microsystems, Easynet (BSkyB) und JME Ventures. Er hat ein Diplom in Physik der Universität Hamburg sowie einen MBA der University of Wales in Cardiff. 

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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