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Frugale KI: messbare Ergebnisse ressourcenschonend erzielen
Viele Unternehmen setzen KI für Showeffekte ein und statten sie mit Funktionen aus, die Ressourcen fressen und kaum Probleme lösen. Frugale KI verfolgt einen anderen Ansatz.
Es ist nicht neu, dass Unternehmen sich gern von ihrer besten Seite zeigen: Dinge positiver darstellen als sie sind – manchmal auch nachhaltiger und umweltfreundlicher, wie beim Greenwashing. Genauso wenig neu ist der Drang, Hypes zu folgen und neue Technologien möglichst schnell in Produkte einzubauen. Diese Dynamik macht auch vor der künstlichen Intelligenz (KI) nicht halt.
Oft werden KI-Funktionen eingeführt, um modern zu wirken – nicht, um konkrete Probleme zu lösen. Das Resultat sind teure, aber wenig wirksame Lösungen wie generische Chatbots, Co-Piloten oder Agenten. KI verkommt so zur Marketingmaßnahme und das mit Konsequenzen: Immer häufiger werden Unternehmen des sogenannten AI Washings beschuldigt – also der übertriebenen oder falschen Darstellung ihrer KI-Fähigkeiten, um etwa Aktienkurse zu stützen. In diesem Zusammenhang wurden in den Vereinigten Staaten schon im ersten Halbjahr dieses Jahres zwölf Sammelklagen im Zusammenhang mit KI eingereicht.
Hinzu kommt: Viele KI-Anwendungen sind nicht nur irreführend, sondern auch selten nachhaltig. Laut einem McKinsey-Bericht wird der Stromverbrauch europäischer Rechenzentren bis 2030 nahezu verdreifacht – getrieben vor allem durch den wachsenden Einsatz generativer KI. Diese Modelle verbrauchen enorme Rechenressourcen, erfordern teure Infrastruktur und liefern oft unklaren Return on Investment. So verbrennen Unternehmen Energie, Budgets und Glaubwürdigkeit für Funktionen, die in Demos glänzen, im Alltag jedoch Systeme belasten. Ohne einen Wechsel hin zu sparsamer, eingebetteter KI droht das aktuelle Modell unter seinem eigenen Gewicht zusammenzubrechen.
KI sollte nicht selbst zum Produkt werden
Dass es auch anders geht, zeigte der AI Summit in Paris im Frühjahr: Dort stand der Ansatz der frugalen KI im Mittelpunkt – einer KI, die ihren ökologischen Fußabdruck reduziert, ohne auf Leistungsfähigkeit zu verzichten. Der Grundgedanke: mehr erreichen mit weniger. Möglich wird das durch einen sparsamen, effizienten und verantwortungsvollen Einsatz, der schon mit einem grundlegenden Umdenken beginnt.
Die wirkungsvollste KI ist oft unsichtbar. Sie arbeitet im Hintergrund, sie analysiert, prognostiziert und optimiert innerhalb bestehender Abläufe. Anstatt zusätzliche Komplexität zu schaffen, sollte sie Bewährtes verbessern und dabei sparsam sowie zielgerichtet eingesetzt werden. KI muss operative Ziele unterstützen, nicht selbst zum Produkt werden.
Eine erfolgreiche Einführung von KI entsteht dabei selten durch Top-down-Initiativen. Projekte, die die Unternehmensleitung anstößt, ohne ein klares Problem zu adressieren, scheitern häufig. Der richtige Weg beginnt stattdessen bei den konkreten Reibungspunkten, die Teams in ihrem Arbeitsalltag erleben. Oft arbeiten Mitarbeitende unter hohem Zeitdruck oder stehen vor der Herausforderung, Kunden langfristig zu binden. Genau dort kann KI ansetzen und sich Schritt für Schritt bewähren. Der Ansatz ist daher Bottom-up: Unternehmen sollten zunächst einen Anwendungsfall identifizieren, die verfügbaren Daten prüfen und darauf aufbauend eine gezielte KI-Lösung entwickeln.
Frugale KI setzt dabei auf Optimierung. Das heißt, nur so viele Daten wie nötig zu verarbeiten, schlanke Algorithmen zu nutzen und passende Hardware einzusetzen. Vor allem aber ist es eine bewusste Entscheidung, nur dort KI einzusetzen, wo sie tatsächlich notwendig ist.
Menschen im Prozess behalten
Doch Effizienz allein reicht nicht – menschliche Aufsicht ist entscheidend. Übermäßige Automatisierung, besonders in sensiblen Bereichen wie dem Kundenservice, birgt erhebliche Risiken wie negative Kundenerfahrungen, Vertrauensverlust und kurzfristig orientierte Entscheidungen. KI sollte dabei unterstützen, einfache Fälle schneller zu bearbeiten und vorzusortieren, doch bei komplexen, emotionalen oder ethisch sensiblen Interaktionen müssen Menschen die Kontrolle behalten. Kontinuierliche Monitoring-Schleifen und Feedback-Mechanismen sind entscheidend, damit sich KI in die richtige Richtung entwickelt.
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„KI sollte dabei unterstützen, einfache Fälle schneller zu bearbeiten und vorzusortieren, doch bei komplexen, emotionalen oder ethisch sensiblen Interaktionen müssen Menschen die Kontrolle behalten. Kontinuierliche Monitoring-Schleifen und Feedback-Mechanismen sind entscheidend, damit sich KI in die richtige Richtung entwickelt.“
Grégory Herbert, Frisbii
Auch erprobte Modelle, die vorhersagen, wann Kunden abwandern, Betrug aufdecken oder das Verhalten von Zielgruppen analysieren, sind nur so gut wie der Rahmen, in dem sie eingesetzt werden. Sie müssen kontinuierlich überwacht und klar auf definierte Ziele ausgerichtet werden. Ohne menschliche Kontrolle besteht die Gefahr, dass sie nach falschen Metriken optimieren und beispielsweise Umsatz über Vertrauen stellen, oder ungewollt nach Vorurteilen bewerten. Hier zählen Transparenz und Empathie ebenso wie technische Leistungsfähigkeit.
Wirkung vor Hype
Die Diskussion um frugale KI zeigt: Die Zukunft gehört nicht den lautesten, sondern den wirkungsvollsten Lösungen. Unternehmen, die auf gezielte, ressourcenschonende und messbare KI-Anwendungen setzen, verschaffen sich nicht nur einen Wettbewerbsvorteil, sondern stärken auch das Vertrauen bei Kunden, Partnern und Investoren. So lässt sich aus einem technologischen Trend eine strategische Stärke machen – bevor der Hype der Realität weicht.
Über den Autor:
Grégory Herbert ist CEO der Recurring Revenue Management-Plattform Frisbii und verfügt über mehr als 20 Jahre Führungserfahrung im Technologiesektor. Er war zuvor in leitenden Positionen bei internationalen Technologieunternehmen wie LexisNexis, PROS sowie Dataiku tätig und bringt umfassende Expertise in den Bereichen Wachstum, Innovation und operative Exzellenz mit.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.