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Die Zukunft der Festplatte: MAMR, HAMR und der Weg zu 50 TB

Wachsende Datenmengen und KI erfordern enorme Speicherkapazitäten. Hersteller versuchen mit neuen Festplattentechnologien wie HAMR und MAMR diesen Bedarf zu adressieren.

Während Flash-Speicher weiterhin spektakuläre Fortschritte macht, bleibt die klassische Festplatte trotz ihres Alters von über 60 Jahren das Rückgrat globaler Datenhaltung. Hyperscaler, Cloud-Anbieter, KI-Plattformen und Big-Data-Anwendungen treiben den Speicherbedarf in Höhen, die vor wenigen Jahren undenkbar schienen. Hersteller wie Toshiba oder Western Digital investieren deshalb massiv in neue Aufzeichnungstechnologien wie MAMR (Microwave-Assisted Magnetic Recording) und HAMR (Heat-Assisted Magnetic Recording), um die Skalierung der Festplatten (HDD) in den kommenden Jahren weiter voranzutreiben.

Ein Gespräch mit Rainer Kaese, Senior Manager bei Toshiba Electronics Europe, zeigt, wie realistisch die Roadmap der Hersteller ist, und warum viele Zukunftstechnologien zwar funktionieren, aber noch lange nicht massentauglich sein werden.

Warum MAMR heute den Markt dominiert

Aktuell setzt Toshiba auf Flux-Control-MAMR, eine vergleichsweise behutsame Weiterentwicklung der konventionellen Magnetspeicherung. Die Technologie nutzt einen Spin-Torque-Oszillator zur Fokussierung des magnetischen Flusses während des Schreibvorgangs. Der Vorteil hierbei ist, dass die bestehenden Medienbeschichtungen weiterverwendet werden können.

Dadurch ist MAMR kostengünstig, robust und vor allem massentauglich, drei Kriterien, die auf dem Festplattenmarkt entscheidend sind.

Toshiba liefert heute bis zu 24 TB per konventioneller CMR-Technologie (Conventional Magnetic Recording) mit zehn Plattern. Der nächste Schritt ist bereits klar: Es sollen 28 TB mit elf Plattern erreicht werden, weiterhin auf MAMR-Basis. Erwähnenswert dabei ist, dass der Hersteller ab dieser Größe seine Enterprise-HDDs nur noch auf SATA-Basis anbieten wird. Grund hierfür ist, dass selbst die letzten großen Hyperscaler komplett auf SATA-Technologie umgestellt haben, auch wenn ihre Infrastruktur im Backend weiterhin SAS verwendet.

Doch bei elf bis zwölf Plattern stoßen Hersteller an physikalische Grenzen. Dazu gehören geringere Plattenstärken, sinkende Schockresistenz und steigende Vibrationsanfälligkeit. Darüber hinaus lässt sich die Speicherdichte mit MAMR nur begrenzt steigern. Jenseits der 30-Terabyte-Marke wird die Technologie schnell unwirtschaftlich, auch die Microwave-Assisted-Switching-MAMR genannte Weiterentwicklung von Flux-Control-MAMR, bei der die Mikrowellen die Beschichtung der Platter aktivieren.

Rainer Kaese bringt es auf den Punkt: „Die Mikrowellentechnologie ist irgendwann am Ende. Wir brauchen etwas zukunftsträchtigeres.“

HAMR: Technisch reif, wirtschaftlich noch nicht

HAMR gilt seit Jahren als die Zukunft der Festplatte. Statt Mikrowellen nutzt HAMR Laserlicht, das die magnetische Oberfläche lokal bis nahe an die Curie-Temperatur erhitzt. Dadurch sinkt die benötigte Koerzitivkraft, und es lassen sich kleinere Bits mit weniger magnetischer Energie schreiben, die nach dem Abkühlen wieder stabil sind.

Technisch funktioniert HAMR längst zuverlässig. Toshiba hat bereits einen 30-TB-HAMR-Prototyp mit neun Plattern vorgestellt. Die zweite Generation soll dann mit elf Platter etwa 40 Terabyte erreichen und ist für 2027 geplant. Im Jahr 2028 soll eine Version mit 50 Terabyte folgen.

Der Engpass der Technologie ist nicht das Medium, sondern die Laserdiode, denn sie muss extrem präzise gefertigt werden. Die derzeitigen Lieferanten können bislang solche Dioden nicht zum nötigen Kostenpunkt produzieren, was HAMR-HDDs teuer macht.

HAMR-HDDs sind bereits am Markt verfügbar, aber eben zu einem stolzen Preis. Seagate machte 2025 seine 30-TB-HAMR-HDD für Endkunden verfügbar, die bei 661 Euro liegt. Unternehmenslaufwerke haben natürlich nochmal eine andere Kostenstruktur. Damit sind solch teure Medien beispielsweise für Hyperscaler oder Enterprise-Kunden schlicht noch nicht marktfähig.

„Es gibt immer drei Anforderungen bei der Entwicklung und Bereitstellung von Speichermedien: Bedarf, technische Machbarkeit und wirtschaftliche Produzierbarkeit. Bei HAMR ist das Letzte derzeit das Problem.“, so Kaese.

Rebuild-Zeiten und Ausfälle: Architektur statt Hardwarewechsel

Die hohen Kapazitäten verändern auch die Storage-Stratesgien von Unternehmen, denn selbst mit heutigen Kapazitäten stoßen klassische RAID-Verbände längst an Grenzen. Ein Rebuild einer 24-TB-HDD dauert selbst unter Idealbedingungen weit über eine Woche – unter realer Last mehrere Wochen. Der limitierende Faktor bleibt der mechanische Durchsatz von etwa 250 MB/s.

Deshalb tauschen moderne Hyperscaler defekte HDDs nicht mehr aus. Die großen Top-Loader-Systeme mit 60 oder 102 Einschüben machen manuelle Eingriffe zu aufwendig und riskant. Stattdessen bleiben ausgefallene Festplatten im System, während die Redundanz ausschließlich über verteiltes Erasure Coding sichergestellt wird.

Was kommt nach 50 TB: HAMR+ und Bit-Patterned Media

Theoretisch lassen sich im 3,5-Zoll-Formfaktor Speicherkapazitäten von 100 bis 200 Terabyte erreichen. Dafür müsste jedoch der magnetische Film künftig per Lithographie strukturiert werden, mit so genannter Bit-Patterned Media (BPM). Das isoliert jedes Bit und verhindert magnetische Störeinflüsse zwischen benachbarten Bits (Crosstalk). Das ist auch ein Hauptgrund, warum heutige Arealdichten an ihre Grenzen stoßen.

Doch BPM hat auch Nachteile. Die Medien wären weitaus teurer in der Herstellung, böten geringere Datendurchsatzraten und würden halbleiterähnliche Fertigungsprozesse erfordern. Damit wäre das zentrale Charakteristikum der Festplatte – die günstige Massenfertigung – in Gefahr.

Neue Speichertechnologien: vielversprechend, aber Jahrzehnte entfernt

In den letzten Jahren sorgten alternative Medien wie Glas (Silica von Microsoft), Cerabyte, 5D-Quarzstrukturen oder DNA-Speicher für Schlagzeilen. Viele dieser Konzepte funktionieren bereits im Labor – und einige könnten perspektivisch Petabyte oder Exabyte auf extrem kleinen Flächen speichern.

Doch sie haben zwei Probleme: Sie sind Write-Only oder nur einmal beschreibbar und sie sind extrem teuer und derzeit nicht massenproduktionstauglich.

„Jede Technologie, die die Festplatte irgendwann ablösen könnte, wird eine nicht überschreibbare Technologie sein“, meint Toshiba-Experte Kaese.

Damit würden Festplatten auch in einer Zukunft mit DNA- und Glasarchiven ihren Platz behalten – als so genannter Warm-Tier-Speicher zwischen SSD und Cold Archive.

Warum HDDs heute wichtiger denn je sind – insbesondere für KI

Während künstliche Intelligenz (KI) vor allem GPUs und Rechenleistung verlangt, wird oft übersehen, dass KI-Modelle vor allem eins benötigen: gigantische Datenmengen. Ohne die Speicherfähigkeit heutiger Festplatten wäre moderne KI nicht skalierbar.

„Betrachten wir mal die historische Entwicklung, die heutige KI-Umgebungen ermöglicht hat“, erklärt Kaese. „In den 1960er Jahren waren KI-Algorithmen bereits vorhanden, aber kaum die nötige Speicherkapazität oder Rechenleistung. In den 1980er und 1990er Jahren kamen die ersten ASICs auf den Markt, aber Festplatten boten noch immer zu geringe Kapazitäten, etwa im Megabyte-Bereich. Heute gibt es Exabyte-Scale-Speichersysteme, leistungsstarke GPUs und globale Vernetzungen: die optimale Kombination, die KI-Modelle praktikabel macht.“ Seine Schlussfolgerung ist simpel: „Die Festplatte hat die moderne KI erst möglich gemacht.“

Fazit: Die HDD hat noch Jahrzehnte vor sich

Festplattenhersteller navigieren einen schmalen Grat zwischen physikalischen Grenzen und wirtschaftlicher Realität. MAMR wird den Markt mit Medien mit bis zu 28 Terabyte und etwas darüber hinaus bedienen. Ab 40 Terabyte wird HAMR die Führung übernehmen, sofern die Kosten beherrschbar bleiben. Langfristig könnten Bit-Patterned Media und HAMR+ erneut große Sprünge ermöglichen.

Doch ob 50, 100 oder sogar 200 Terabyte – die Festplatte bleibt ein unverzichtbarer Bestandteil globaler Infrastruktur. Selbst wenn völlig neue Speicherarten marktreif werden, wird die HDD als wiederbeschreibbarer und kostengünstiger, warmer Tier einen festen Platz behalten.

Und angesichts der Tatsache, dass Datenmengen schneller wachsen als die Produktionskapazitäten aller Hersteller zusammen, ist eines klar: Die Frage ist nicht, ob Festplatten weiterhin gebraucht werden – sondern ob wir überhaupt genug davon produzieren können.

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