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Storage-Branche im Wandel: Mehr als „nur“ Speicher

Sieht man sich derzeit in der Storage-Branche um, so lassen sich kaum noch Speicherhersteller finden. Das liegt am Trend, dass Storage mehr sein muss als ein Datengrab.

Storage ist endgültig und offiziell zum Stiefkind der IT erklärt worden.

Sind Sie noch auf der Suche nach Storage – also Speicher, also „nur Speicher“? Da muss sie die Branche leider enttäuschen, denn einfach nur Storage scheint es auf der Portfolioliste selbst sowohl der alteingesessenen als auch neueren Hersteller nicht mehr zu geben.

IT-Verantwortliche, die sich immer größer werdenden Datenmengen, internen Richtlinien und Compliance-Vorgaben gegenübersehen, brauchen und wollen (oder so wird es ihnen von Herstellern suggeriert) mehr Funktionalität und Flexibilität.

Daten werden nicht mehr nur für Wiederherstellungszwecke oder Langzeitvorhaltung gespeichert, sondern für Geschäftszwecke analysiert, für standortübergreifende Teamarbeit dupliziert und geteilt/bearbeitet oder für unternehmensweite Suche und prädiktive Problemauffindung verwendet.

Vor allem sollen sie aber besser als zuvor gesichert werden, da das Gespenst eines Ransomware-Angriffs auch eine echte Gefahr für Backup-Daten geworden ist. Das bedeutet, dass ein „Mehr“ an Funktionen auf die Produktliste muss: Analysefähigkeiten, automatische Verteilung der Daten (Tiering), Klassifizierungsoptionen, Cloud- und Multi-Tennant-Fähigkeit, schnelle Ressourcenbereitstellung, Ransomware-Schutz.

Die Liste ließe sich verlängern. Oft werden die neuen Features auf Algorithmen der künstlichen Intelligenz (KI) und des maschinellem/tiefem Lernens basiert. Das ist zwar korrekt, wird aber derzeit so derartig als Sau durchs Dorf getrieben, dass es einen kaum noch interessiert. Hauptsache, es funktioniert.

Zusätzlich werden die Lösungen – laut Anbieteraussagen – immer einfacher zu handhaben. Speicherkenntnisse wie RAID-Konfigurationen, Volume einrichten oder LUNs verwalten sind ein Ding von gestern. Weboberfläche, Zugriff von jedem Standort aus (am besten vom Tablet oder Smartphone) eine einfache Terminologie und schon ist die Storage-Administration ein Kinderspiel. Man fragt sich allerdings, warum die Firmen nicht von Storage-Experten überrannt werden. Es muss wohl an etwas anderem liegen.

Firmen auf Sinnsuche – und neuem Image

Was bedeutet das für die Speicheranbieter? Nun, zum einen muss man nicht nur neue Produkte/Services kreieren, sondern zum anderen auch sich selbst neu erfinden. Das traditionelle Vokabular hat ausgedient und Marketing- und PR-Teams feilen beständig in Abstimmung mit der Geschäftsführung am Image, das natürlich mit den richtigen Worten kommuniziert werden muss.

Die Branche schafft sich quasi selber ab, zumindest terminologisch. Wenn es keine Speicherhersteller mehr gibt, gibt es dann noch eine Speicherbranche? Es scheint als ob Storage zum Nebenprodukt wird: Irgendwo sind die Daten sicher gespeichert, im Zweifel eben in der Cloud, die ja auch immer mehr zu Synonym für Speicher wird – mit zusätzlichen Services.

Backup darf als Begriff noch vorkommen, besser ist aber Data Protection, oder Datenmanagement oder Ransomware. Hauptsache nicht einfach nur Speicher. Storage kommt nicht mehr vor, das ist einfach da, im Zweifel als Service oder in der Cloud.

Es scheint, als wolle man die Existenz von Hardware und die Notwendigkeit, diese zu konfigurieren und warten, so klein wie möglich reden. Besser nicht erwähnen. Hardware? Lässt sich als Service bestellen (wird erstaunlicherweise tatsächlich physisch ins Rechenzentrum gerollt). Verwaltung? Einfach. Am liebsten lassen sich die System-Reinroller auch fürs Management der angelieferten Hardware bezahlen, das ist sauber und unkompliziert – Problem gelöst. Es überrascht nicht, wenn die Meinung aufkommt, Speicher sei tot. Die eigene Branche behandelt Storage ja, als wäre es genau das: Irrelevant und vom Bildschirm verschwunden. Nicht erwähnenswert. Wird nicht erwähnt.

Nun brauchen die ehemaligen Storage-Leader neue Namensgebungen und eine neue Bestimmung. Firmen wie IBM, HPE, Dell EMC oder Huawei haben es hier ein wenig einfacher, da sie generell mehr als Storage-Produkte in ihrem Portfolio hatten und haben. Hier wird dann einfach nur etwas hinzugefügt: Cloud, Container, as-a-Service oder RANSOMWARE. Für andere Unternehmen ist es nicht ganz so simpel. Wo früher nur „der führende Anbieter/Hersteller von Backup- und Storage-Lösungen“ vorkam, muss es heute umfassender klingen. Und nach mehr. Und einfacher. Und besser. Und sicherer. Definitiv Ransomware.

So kommt es also, dass sich die Eingangssätze, die in einer Pressemeldung das Unternehmen kurz umreißen sollen, in den letzten zwei Jahren geändert haben. Gefühlt sind sie länger geworden, viel länger. Ohne die Firmennamen zu nennen, sind hier einige Beispiele gelistet:

  • Cloud- und Daten-orientierter Softwareanbieter
  • IT-Pionier, der Storage as a Service in einer Multi-Cloud-Welt anbietet
  • The Zero Trust Data Security Company (allen Ernstes als Trademark geschützt)
  • ein anerkanntes, weltweit führendes Unternehmen im Bereich intelligenter Datendienste in On-Premises-, Cloud- und SaaS-Umgebungen
  • führend im Multi-Cloud-Datenmanagement
  • ein führender Anbieter von Datenmanagementlösungen (vergleichsweise harmlos)
  • der weltweit führende Anbieter von All-in-One-Lösungen für Enterprise Backup und Continuity
  • Anbieter von Lösungen zu Datensicherung, -wiederherstellung, Ransomware-Schutz und Business Continuity

Und so spielt die „dessen Name nicht genannt werden darf“-Branche Technologie-Bullshit-Bingo: wer die meisten technologischen Begriffen vor seinen Firmennamen oder Lösungsbezeichnung setzen kann, hat gewonnen. Inklusive Ransomware.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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