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Privates 5G-Netz für Industrie 4.0 aufbauen

Wenn Produktionsunternehmen von Anfang an auf die richtige Netzwerkoption setzen, sind sie gut für künftige Industrie 4.0-Investitionen wie autonome Roboter aufgestellt.

Industrie 4.0 steht für den Einsatz des Internet of Things (IoT) in der industriellen Fertigung und deren Verzahnung mit modernster Informations- und Kommunikationstechnik. Im Rahmen von Industrie 4.0 erzeugen und empfangen autonome Roboter zunehmend proprietäre Informationen. Dazu gehören CAD-Dateien, Produktionsstatistiken und andere wichtige Daten, die sich direkt auf die Wettbewerbsfähigkeit, den Gewinn und die Kundenzufriedenheit eines Unternehmens auswirken.

Um den Daten- und Produktionsfluss aufrechtzuerhalten und gleichzeitig vor Hackern und Industriespionage geschützt zu sein, benötigen Firmen ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges drahtloses Netzwerk. Unternehmen aus der Fertigungsindustrie, die ein IoT-Netzwerk aufbauen wollen, können Investitionen in 4G LTE und 5G als Teil ihrer Strategie für sichere und leistungsfähige private Netzwerke in Betracht ziehen.

IDC schätzt, dass Fertigungsunternehmen und Firmen anderer Branchen im Jahr 2019 rund 945 Millionen US-Dollar für private 4G-LTE- und 5G-Netzwerkinfrastrukturen ausgaben. Bis 2025 werden sie 5,7 Milliarden US-Dollar dafür investieren. Das entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 43,4 Prozent. Als neuere Technologie bietet 5G einige Fähigkeiten, die 4G nicht hat. Dazu gehören:

  • Zuverlässige Kommunikation mit niedriger Latenz: Da die 5G-Technologie Latenzzeiten von nur 1 Millisekunde bietet, was ideal für verzögerungsempfindliche, unternehmenskritische Anwendungsfälle wie Time-sensitive Networking ist.
  • Hohe Kapazität bei der Kommunikation mit Maschinen: Mit dieser Funktion können 5G-Netze bis zu 1 Million IoT-Geräte pro Quadratkilometer unterstützen. Dazu gehören etwa autonome Lademaschinen, Industrieroboter und Sensoren, die erkennen, ob ein Förderbandmotor zu überhitzen beginnt.
  • Mehr mobile Bandbreite: 5G unterstützt bandbreitenintensive Anwendungen wie HD- und 4K-Videoüberwachungskameras in und um eine Anlage. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz lassen sich diese Videos auch nutzen, um den Betrieb in der Fabrikhalle zu überwachen und auf Probleme und Möglichkeiten zu analysieren, etwa um Arbeitsabläufe zu optimieren und Engpässe zu beseitigen.
  • Natürlich wird 4G noch jahrelang existieren. Auch 5G bietet eine ähnliche Langlebigkeit für den Einsatz in Netzwerkinfrastrukturen und IoT-Geräten, die mindestens in den nächsten 20 Jahren weithin verfügbar sein werden.

Obwohl 5G neu ist, sind erste Anzeichen für niedrigere Kosten zu sehen. Private 5G-Betreiber profitieren vom Aufbau und Ausbau öffentlicher Netze, deren schiere Größe für den Massenmarkt die Infrastrukturkosten stetig senkt. Laut TeleGeography waren Ende 2020 weltweit 163 öffentliche 5G-Netze im kommerziellen Einsatz, und bis Ende 2021 sollten es 277 sein.

Abbildung 1: Für die digitale Transformation mit 5G benötigen Unternehmen Tools und Services für IT, OT und Netzwerk.
Abbildung 1: Für die digitale Transformation mit 5G benötigen Unternehmen Tools und Services für IT, OT und Netzwerk.

Strategische Kontrolle

Unternehmen wählen zwar unterschiedliche Technologien für ihre privaten Netzwerke, aber alle verfolgen die gleiche Strategie, um mehr Kontrolle zu erlangen. So haben sich beispielsweise einige Versorgungsunternehmen für den Aufbau privater 2,5G-, 3G-, 4G- und WiMax-Netze entschieden, um mehr Kontrolle über den Netzzugang zu erhalten. Durch den Besitz eines privaten Netzes erhalten Produktionsunternehmen die Kontrolle über die Abdeckung und können die Leistung genau auf ihre individuellen Anforderungen abstimmen.

Einige Unternehmen setzen 5G für autonome Anwendungsfälle ein wie Roboter für die diskrete Fertigung oder eine genauere Kontrolle über die Fertigung. Autonome mobile Roboter verbessern die Effizienz, Zuverlässigkeit und Genauigkeit des Transports und der Beförderung von Autoteilen und Materialien. Sie können die Arbeitskosten senken, menschliche Fehler vermeiden und die Sicherheit am Arbeitsplatz erhöhen. Diese Roboter sind flexibler als fahrerlose Transportfahrzeuge, die geplanten Routen folgen, und lassen sich so programmieren, dass sie Hindernissen ausweichen und Umwege fahren können.

Herausforderungen

Nur wenige Hersteller haben Erfahrung mit der Entwicklung und Installation eines mobilen Netzwerks. Es gibt auch keine schlüsselfertigen privaten 5G-Netzwerklösungen für Robotik, die sofort einsatzbereit sind. Selbst wenn es sie gäbe, müssten diese Lösungen umfangreich angepasst werden, um sicherzustellen, dass alles reibungslos funktioniert. So müssen die Fertigungsfirmen beispielsweise sicherstellen, dass die Funksignale nicht durch physische Hindernisse wie Stahlregale oder Störquellen wie Elektromotoren gedämpft werden.

Der Schlüssel ist Interoperabilität. Unternehmen müssen mit allen Anbietern von Softwaresystemen, Geräten, autonomen Robotern und anderen Komponenten eines Industrie-4.0-Ökosystems zusammenarbeiten, um die Abdeckung der gesamten Fertigungsanlagen zu erreichen.

Zudem müssen Unternehmen gleichermaßen Fachwissen in OT (Operations Technology) und IT entwickeln, um die vielen potenziellen Fehler zu vermeiden, die bei einer Netzwerkimplementierung entstehen können. Der CIO könnte sich beispielsweise zu sehr auf die Auswahl der Technologie konzentrieren, anstatt zu berücksichtigen, wie sich diese Entscheidungen auf Anwendungsfälle und Geschäftsanforderungen auswirken.

Mobilfunkbetreiber bieten zunehmend Network as a Service (NaaS) an, um sich ihren Anteil am wachsenden Markt für private Netzwerke zu sichern. Ein Nachteil ist, dass NaaS-Angebote oft nur Erweiterungen des öffentlichen Netzes sind und keine Infrastrukturen, die speziell für die besonderen Geschäftsanforderungen eines jeden Kunden entwickelt und bereitgestellt werden. Selbst wenn sich ein Hersteller für NaaS entscheidet, benötigt er immer noch OT, Netzwerktechnologie und IT-Integration, die nicht zu den Spezialgebieten der Mobilfunkbetreiber gehören. All dies sind potenzielle Herausforderungen, die bei der Entwicklung einer Strategie für private Netze berücksichtigt werden müssen.

Die richtige Strategie wählen

Viele große Produktionsanlagen werden in Gebieten Orten mit niedrigen Grundstückspreisen gebaut. Diese abgelegenen Standorte sind allerdings oft die letzten Plätze, an denen Mobilfunkbetreiber die neueste Netztechnologie installieren. An solchen Standorten können die Hersteller 4G LTE für private Netze einsetzen. Alternativ können sie auch ihre eigene 5G-Technologie für private Netze nutzen.

Mit der richtigen Planung, den richtigen Ressourcen und dem Bewusstsein für mögliche Fallstricke können Hersteller ihre Strategie für private Netze richtig ausrichten, um die Vorteile der Robotik zu nutzen. Die Quintessenz: Von Anfang an alles richtig zu machen, ist leichter gesagt als getan, stellt aber sicher, dass das private 5G-Netz eine Transformation der Industrie 4.0 über Jahre hinweg unterstützen kann.

Über den Autor:
Ben Pietrabella ist ein weltweit führender Technologieexperte mit mehr als 30 Jahren Erfahrung in der erfolgreichen Entwicklung von komplexen Unternehmensanwendungen und Telekommunikationsprodukten. Vor seiner derzeitigen Tätigkeit als Vice President bei Capgemini Engineering für den Geschäftsbereich Netzwerkausrüster leitete Pietrabella die Advanced Network Technology and IoT Global Service Line von Altran. Er verfügt über umfangreiche Kenntnisse und Erfahrung in den Bereichen Unternehmensarchitektur, Produktmanagement, Produktentwicklung und Integrationsdienste für Unternehmensanwendungen verschiedener Branchen sowie TK-Software für Carrier. Bei Comverse war er für die Architektur des Produktportfolios, die Technologieauswahl und die Roadmaps des Unternehmens verantwortlich. Pietrabella war außerdem als Vice President of Deployment Architecture bei Pitney Bowes in leitender Funktion tätig, wo er das Architekturdesign und den Betrieb der SaaS-basierten On-Demand-Lösungen leitete. Er besitzt einen Master-Abschluss in Computer Engineering und hat das Advanced Management Program der Wharton School an der University of Pennsylvania absolviert.

Manas Tiwari ist bei Capgemini Engineering als Client Leader für den Geschäftsbereich Netzwerkausrüster tätig. Seit der Gründung von Hughes Software Systems hatte er im Laufe der Jahre verschiedene Führungspositionen innerhalb des Unternehmens inne. Er arbeitete mit Kommunikationsdienstleistern zusammen, um ihr Netzwerk zu virtualisieren und Anwendungen bereitzustellen, die das Wachstum vorantreiben, Capex und Opex reduzieren und einen Paradigmenwechsel für die Einführung neuer Lösungen auf dem Markt ermöglichen. Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in der erfolgreichen Entwicklung von komplexen Unternehmensanwendungen und Telekommunikationsprodukten ist Manas Tiwari ein weltweit führender Technologieexperte. Zudem verfügt er über umfangreiche Kenntnisse und Erfahrungen in den Bereichen Unternehmensarchitektur, Produktmanagement, Produktentwicklung und Integrationsdienste für Unternehmensanwendungen verschiedener Branchen sowie TK-Software für Carrier. Manas Tiwari hat einen Master-Abschluss in Business Administration in International Business von der ESCP Business School.

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