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Wozu brauchen Firmen und Fabriken 5G-Campusnetze?

Bald können deutsche Firmen lokale 5G-Frequenzen für private 5G-Netze beantragen. Doch ist 5G besser als WLAN? Werden 5G-Campusnetze das Ende der Industrie-WLANs einläuten?

5G hat unterschiedlichste Vorzüge, für Privatleute, Firmen, Fabriken, Autos, Straßen: Die ersten Privatkunden können sich seit Juli 2019 an der hohen Geschwindigkeit von 5G-Smartphones und 5G-to-WLAN-Routern erfreuen, sofern sie irgendwo schon eine der ersten 5G-Funk-Inseln finden.

Die ersten 5G-Smartphones und 5G-Router

Die Deutsche Telekom etwa bietet seit Juli 2019 zwei 5G-Frühstarter-Pakete mit unlimitiertem Datenvolumen:

  • Samsung Galaxy S10 5G Smartphone mit Magenta Mobil XL Special Vertrag für 84,95 Euro pro Monat.
  • HTC 5G Hub Router mit Magenta Mobil Speedbox XL Vertrag für 74,95 Euro pro Monat.

Am 3. Juli 2019 erzielte auf der 5G-Launch-Pressekonferenz der Telekom in Berlin ein HTC 5G Hub live gut 1.000 MBit/s über 5G.

Auch Vodafone verspricht seit Juli 2019 auf seiner Privatkunden-Website „Smartphones & GigaCube mit 5G – surfe schon jetzt mit der neuen 5G Hardware“:

  • Samsung Galaxy S10 5G
  • Huawei Mate20 X 5G
  • Huawei GigaCube 5G

Doch sollte man den wichtigsten Satz bei den Tarifen nicht übersehen: „Jetzt schon mit bis zu 500 MBit/s im 4G Netz surfen“. 4G? 500 MBit/s? Ja surft die 5G-Hardware denn vorerst nur im 4G-Netz?

Abbildung 1: Der Vodafone GigaCube 5G von Huawei funkt sowohl 5G als auch Wi-Fi 6 gleichzeitig. Spannend für Privatkunden, aber auch für Firmen und Filialen, sobald es genug 5G-Funkzellen im Land gibt
Abbildung 1: Der Vodafone GigaCube 5G von Huawei funkt sowohl 5G als auch Wi-Fi 6 gleichzeitig. Spannend für Privatkunden, aber auch für Firmen und Filialen, sobald es genug 5G-Funkzellen im Land gibt

Als „wichtigste Vorteile von 5G“ verspricht Vodafone auf der gleichen Website:

  • Deutlich höhere Datenraten mit bis zu 10 Gbit/s
  • Niedrigere Latenzzeiten von unter 1 ms
  • Übertragung in Echtzeit
  • Etwa 1.000-mal höhere Netzkapazität als 4G-LTE-Standard
  • Schlüsseltechnologie für IoT-Anwendungen

Bundesweite 5G-Bänder für Privatkunden

Essenzielle Grundlage für die oben genannten Privatkundenangebote ist das erforderliche Frequenzspektrum: Am 12. Juni 2019 ist die Versteigerung der bundesweiten 5G-Pionier-Frequenzen von 3.400 bis 3.700 MHz sowie rund um 2 GHz für die bundesweite Nutzung zu Ende gegangen. Insgesamt wurden in diesen Bändern 420 MHz für 6.549.651.000 Euro, rund 6,6 Milliarden, an die vier Netzbetreiber Drillisch Netz AG, Telefónica Deutschland GmbH & Co. OHG, Telekom Deutschland GmbH und Vodafone GmbH versteigert. Nach Abschluss weiterer Formalien dürfen die vier Bieter auch tatsächlich die vollen Sendestärken in den neuen Frequenzen aufdrehen.

Firmen haben andere Netzwerkbedürfnisse

Natürlich können auch Unternehmen die öffentlichen 5G-Netze samt 5G-Handy und 5G-Router nutzen, im Büro, in der Fabrik, im Home Office, auf Dienstreisen.

Zusätzlich benötigen größere Unternehmen aber auch eigene Campusnetze. Laut Deutsche Telekom sind das „exklusive Mobilfunknetze für ein definiertes lokales Firmengelände, eine Universität oder einzelne Gebäude, wie beispielsweise ein Bürohaus. Sie sind auf die individuellen Bedürfnisse der Nutzer zugeschnitten und erfüllen zukünftige Anforderungen aus dem Umfeld der Industrie 4.0“.

Typische Eigenschaften solcher Campusnetze sind laut Telekom:

  • geschlossenes Funknetz
  • starke Datensicherheit
  • schnelle Datenübertragung mit niedrigen Latenzzeiten
  • garantierte Verfügbarkeit von hohen Bandbreiten mit einem definierten Datendurchsatz
  • Sehr hohe Zuverlässigkeit bei wenig Energiebedarf

Der Zugriff vom öffentlichen Netz auf das Campusnetz sollte laut Telekom nicht möglich sein. Umgekehrt solle das private Funknetz jedoch an das normale Mobilfunknetz angebunden sein, damit Firmen mit Partnern, externen Dienstleistern oder Zulieferern kommunizieren können. Diese Kombination aus einem privaten und einem öffentlichen Netz bezeichnen die Telekom-Experten als Dual Slice Lösung.

Warum Industrie-WLANs nicht reichen

Natürlich gibt es bereits Campusnetze auf der Basis von Office-WLANs oder den etwas robusteren Industrie-WLANs. „Steigt in einem Unternehmen jedoch die Zahl der vernetzten Maschinen und Anwendungen, sind leistungsstärkere Mobilfunknetze notwendig“, argumentiert die Telekom.

Außerdem eigne sich WLAN „nicht für mobile Szenarien, etwa für fahrerlose Transportsysteme in der Logistik“. OSRAM etwa teste gemeinsam mit der Telekom den Einsatz von Robotern, die sich selbständig, also nicht per Fernsteuerung, auf dem Firmengelände bewegen. Voraussetzung für diese autonomen Fahrzeuge seien nahtlose Funkzellen. „Mit WLAN würde der Roboter beim Wechsel in eine andere Zelle zunächst anhalten, erst eine neue Verbindung aufbauen und dann weiterfahren“, meint die Telekom. So etwas sei in automatisierten Geschäftsprozessen der Industrie 4.0 nicht denkbar.

WLAN werde zwar in der Industrie auch weiter eine große Rolle spielen. „Aber LTE und zukünftig 5G wird die WLAN Netze für eine noch bessere, vor allem verlässliche Konnektivität ergänzen“, so die Telekom.

Abbildung 2: Dieser Audi fährt gerade per VR-Brille LTE-ferngesteuert über den Campus Garching der TU München. Die Forscher um Prof. Dr.-Ing. Markus Lienkamp träumen aber schon vom 5G-Netz: Damit könnte der Audi auch 50 km/h fahren, wegen der kürzeren 5G-Latenzen, mit LTE sind es nur 20 km/h. Der Fahrer im Auto saß nur aus Sicherheitsgründen am Steuer, hat bei der Testfahrt aber nie ans Lenkrad gegriffen.
Abbildung 2: Dieser Audi fährt gerade per VR-Brille LTE-ferngesteuert über den Campus Garching der TU München. Die Forscher um Prof. Dr.-Ing. Markus Lienkamp träumen aber schon vom 5G-Netz: Damit könnte der Audi auch 50 km/h fahren, wegen der kürzeren 5G-Latenzen, mit LTE sind es nur 20 km/h. Der Fahrer im Auto saß nur aus Sicherheitsgründen am Steuer, hat bei der Testfahrt aber nie ans Lenkrad gegriffen.

Lokale 5G-Campusnetze für Unternehmen

Die größte Schwäche von WLAN ist weithin bekannt: Es ist nicht sonderlich stabil und nicht sehr zuverlässig, weil es im Gegensatz zum Mobilfunk keine geschützten Bänder hat, in denen es ungestört funken kann.

Schon 2018 haben daher deutsche Industrieunternehmen, aber auch Städte, Gemeinden und große Landwirtschaftsbetriebe, lokale und regionale Frequenzen für den Aufbau und Betrieb von eigenen 5G-Netzen gefordert. Tatsächlich sollen lokale (aber vorerst keine regionalen) Frequenzen im Bereich von 3700 bis 3800 MHz im zweiten Halbjahr 2019 von der Bundesnetzagentur, kurz BNetzA, nach entsprechenden Anträgen vergeben werden. Und zwar zum Kosten-Deckungs-Prinzip, also nicht per Auktion gegen Höchstgebote und daher sehr günstig. Das ärgert die großen Telkos, die ja Milliarden für die bundesweiten 5G-Lizenzen zahlen mussten.

Hohe Eignung für Hallen und Werksgelände

Just diese Frequenzen von 3.700 bis 3.800 MHz, also 3,7 bis 3,8 GHz, haben eine hohe Eignung für lokale Anwendungen in Hallen und auf Werksgeländen. Zum Vergleich: Das ebenfalls lokal orientierte WLAN funkt bekanntlich bei 2,4 und bei 5 GHz: Dabei reicht 2,4 GHz etwas weiter, dafür ist 5 GHz etwas schneller. Noch ein Vergleich: LTE 800 wird eher für die große Flächendeckung eingesetzt, LTE 2600 dagegen für kleine Funkzellen, etwa für dichte Innenstädte, Bahnhöfe, Flughäfen: Die Physik der Wellenausbreitung diktiert den Einsatzbereich, das wird auch bei 5G und Wi-Fi 6 so bleiben.

Abbildung 3: Diese Huawei-Grafik fasst den ursprünglichen Planungsstand vom Herbst 2018 zusammen. Das Konflikt-Potenzial im Bereich 3,7 bis 3,8 GHz wurde aber per März 2019 entschärft, vor allem durch die vorläufige Streichung der Regionalfrequenzen
Abbildung 3: Diese Huawei-Grafik fasst den ursprünglichen Planungsstand vom Herbst 2018 zusammen. Das Konflikt-Potenzial im Bereich 3,7 bis 3,8 GHz wurde aber per März 2019 entschärft, vor allem durch die vorläufige Streichung der Regionalfrequenzen

Im Herbst 2018 hatte die Bundesnetzagentur zwar noch die Absicht, regionalen Outdoor-Nutzern wie etwa Gemeinden satte 80 MHz zu geben, und lokalen Outdoor-Nutzern wie etwa Industriebetrieben nur schmale 20 MHz, siehe Abbildung 3.

Doch in den Anhörungen zeigten sich bundesweite Lizenznehmer wie Telekom und Vodafone entsetzt, weil sie befürchten mussten, dass regionale Anbieter mit üppigen 80 MHz Bandbreiten dann regionale 5G-Netze für Jedermann aufbauen, und somit selbst zu Mobilfunk-Netzanbietern werden könnten. Das würde die Geschäftsmodelle der großen Telkos unterlaufen.

5G-und-IoT-Netze für Smart City

Größere Städte und Gemeinden brauchen (und haben) längst eigene Kommunikationsnetze mit höchster Zuverlässigkeit, um ihre vielen Versorgungspflichten erfüllen zu können: Etwa in Form von TETRA Bündelfunk, Kupfer, Glasfaser, WLAN, LoRaWAN, Sigfox. Doch wo sind die Grenzen solcher Netze?

Abbildung 4: Städte wie München haben längst eigene Kommunikationsnetze, um ihre vielen Versorgungspflichten mit hoher Zuverlässigkeit erfüllen zu können. Erklärt von Dr. Jörg Ochs, Geschäftsführer SWM Infrastruktur
Abbildung 4: Städte wie München haben längst eigene Kommunikationsnetze, um ihre vielen Versorgungspflichten mit hoher Zuverlässigkeit erfüllen zu können. Erklärt von Dr. Jörg Ochs, Geschäftsführer SWM Infrastruktur.

Eine mögliche Variante hätte dann so aussehen können: Die Stadtwerke München, kurz SWM, mit über 7 Milliarden Euro Umsatz, würden ein privates 5G-Netz für ihre eigenen Betriebe sowie für Bürger und ansässige Firmen in München bauen. Die SWM hätten damit einen höchst lukrativen Standort, ganz ohne lästige Ausbauverpflichtungen in der unrentablen Provinz wie die Telkos.

5G-Antennen in jeder Münchener Bushaltestelle

Tatsächlich hat München schon eines der größten Glasfaser-Stadtnetze Deutschlands und Europas unter den Bürgersteigen liegen, circa 9.000 Kilometer, eine perfekte Basis für 5G also. Zudem sind fast alle Münchener Bushaltestellen mit Strom, Glasfaser, Internet und Doppeldecken ausgestattet. Man hätte also alle Haltehäuschen schnell mit kleinen 5G-Antennen ausstatten können und so ein schnelles und extrem dichtes Mobilfunknetz in die Stadt bekommen. Auch autonome Fahrzeuge hätten damit beste Bedingungen in München. Bushaltestellen liegen meistens direkt an den wichtigen Straßen der Stadt, dort wo auch die Autos fahren.

Städtische 5G-Netze: Horrorvision für Mobilfunker

Solche Aussichten auf stadteigene 5G-Netze müssen für landesweite Mobilfunkanbieter wie Telekom und Vodafone natürlich eine Horrorvision sein, denn sie könnten deren Geschäftsmodell unterlaufen, die Rendite-Rosinen aus dem Kuchen picken, und den Wert der teuer ersteigerten, bundesweiten Frequenzen nachträglich massiv reduzieren.

Regionale Frequenzen vorerst gekippt

Tatsächlich waren die großen Telkos schwer verärgert bei dem Gedanken, regionale 5G-Stadtnetze als neue Konkurrenten zu bekommen. Schlimm genug, dass sie mit 1&1 Drillisch schon einen vierten bundesweiten Mobilfunk-Netzanbieter akzeptieren müssen. Die Vergabe von regionalen Frequenzen wurde also kurz vor Beginn der 2019er Frequenz-Auktion von der BnetzA gekippt und vage vertagt. Im zweiten Halbjahr 2019 sollen nur noch lokale Frequenzen mit einer starken Orientierung an Grundstücksgrenzen und Flurnummern vergeben werden.

Zudem wurde die geplante Trennung zwischen lokalen Indoor- und Outdoor-Frequenzen ebenfalls kurz vor der Auktion aufgehoben. Unter anderem wegen zahlreicher Kommentare und Erklärungen großer Industriefirmen, die weit mehr als 20 MHz Bandbreite im lokalen Outdoor-Bereich ihrer Fabriken benötigen, etwa zur Funksteuerung von selbstfahrenden Autos, Staplern und Containern mit jeweils mehreren verbauten Videokameras pro Fahrzeug.

So hat sich nach dem politischen Gerangel nun die Situation für 5G-Firmennetze verbessert, aber für 5G-Stadtnetze sehr verschlechtert. Im nächsten Beitrag der 5G-Serie schauen wir uns den 5G-Bedarf der Autobauer etwas genauer an.

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