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NIS2-Bereitschaft: Compliance evaluieren und umsetzen

Viele Unternehmen stehen immer noch vor der Frage, ob sie bereit sind für die Umsetzung der NIS2-Richtlinie. Die neue Regulierung kann aber auch eine Chance für Unternehmen sein.

Die erweiterte NIS2-Richtlinie betrifft deutlich mehr Unternehmen als ihre Vorgänger: Neue Kriterien für Unternehmensgröße, Zahl der Mitarbeitenden und Umsatz erweitern den Kreis der betroffenen Firmen erheblich. Die Anforderungen reichen von der 24/7-Überwachung der IT-Systeme über automatisierte Reaktionen auf Sicherheitsvorfälle bis zu regelmäßigen Meldungen. Dabei geht es längst nicht nur um IT-Sicherheit – auch physische und personenbezogene Sicherheit müssen in das Konzept integriert werden.

Besonders KRITIS-Unternehmen und Zulieferer stehen vor wachsenden Herausforderungen. Der Zeitdruck ist hoch: Die Implementierung notwendiger Systeme wie das eines Informationssicherheits-Managementsystems (ISMS) kann etwa ein Jahr dauern. Erschwerend kommt die Komplexität moderner Infrastrukturen hinzu, während begrenzte Kapazitäten oft den Fokus auf das Tagesgeschäft lenken. Neben festgelegten Strafen von bis zu 10 Millionen Euro oder zwei Prozent des Jahresumsatzes fordert die NIS2-Richtlinie sowohl technische Maßnahmen als auch klare Strukturen und Prozesse. Ein strukturiertes Vorgehen ist der Schlüssel, um sich langfristig vorzubereiten.

Ausgangspunkt mit Gap-Analyse definieren

Eine gute Bestandsaufnahme ist der erste Schritt: Unternehmen müssen ihren aktuellen Sicherheitsstatus erfassen, um gezielte Maßnahmen abzuleiten. Die Komplexität moderner Infrastrukturen erschwert dies teilweise. NIS2 verlangt darüber hinaus, auch physische und personenbezogene Sicherheit einzubeziehen. Prozesse bleiben dabei häufig auf der Strecke, da begrenzte Kapazitäten den Fokus auf das Tagesgeschäft lenken.

Diese Fragen helfen Unternehmen, die Schwachstellen und den Handlungsbedarf zu erkennen:

  • Systeme und Updates: Sind alle Systeme auf dem aktuellen Stand, und können ausstehende Updates strukturiert durchgeführt werden, ohne den normalen Betrieb zu stören?
  • Legacy-Systeme und Abhängigkeiten: Gibt es im Unternehmen noch alte Legacy-Systeme, die keine Updates mehr erhalten, und wenn ja, wie werden diese abgesichert?
  • Sensible Daten und Zugriff: Wo werden sensible Daten gespeichert (digital und physisch), und sind die Zugriffsrechte klar geregelt, dokumentiert und umgesetzt?
  • Zulieferer und Partner: Welche Zulieferer und Dienstleister haben Zugang zu kritischen Infrastrukturen, und wie werden diese Zugänge kontrolliert und verwaltet?
  • Notfallmanagement: Gibt es einen Plan B für den Notfall, der Zuständigkeiten und Abläufe auch an Wochenenden, Feiertagen und im Krankheitsfall abdeckt?
  • Prozesse und Dokumentation: Welche kritischen Prozesse sind dokumentiert, und wie wird sichergestellt, dass diese regelmäßig überprüft und aktualisiert werden?

Diese Fragen legen den Grundstein, um Sicherheitslücken im eigenen Unternehmen rechtzeitig zu erkennen, Cyberangriffe abzuwehren und Risiken zu minimieren. Doch eine IST-Analyse genügt noch nicht, um die Anforderungen der NIS2-Richtlinie zu erfüllen. Standards wie ISO 27001 bieten hierbei eine gute Orientierung: Diese internationale Norm definiert die Anforderungen an ein ISMS und schafft einen strukturierten Rahmen für technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen. Ein ISMS macht die Fortschritte messbar, strukturiert notwendige Maßnahmen und schafft Prozesse, die kontinuierlich optimiert werden können. In komplexen Sicherheitslandschaften ist das ein besonderer Vorteil.

Mit einer Gap-Analyse und der Einführung eines ISMS legen Unternehmen die entscheidende Grundlage, Risiken effizient zu minimieren und wichtige Compliance-Vorgaben zu erfüllen.

Technologische Wegbereiter für NIS2-Compliance

Nach der Gap-Analyse ist eine solide technische Basis ebenso entscheidend, um die Anforderungen der NIS2-Richtlinie zu erfüllen. Einzellösungen reichen nicht aus, um die vielschichtigen Anforderungen der NIS2-Richtlinie zu erfüllen. Ein Security Operations Center (SOC) spielt dabei eine Schlüsselrolle: Es überwacht sicherheitsrelevante Daten, erkennt Bedrohungen frühzeitig und ermöglicht gezielte Reaktionen.

Ein SOC vereint Funktionen wie Security Information and Event Management (SIEM) sowie Extended Detection and Response (XDR). SIEM aggregiert und analysiert Datenquellen in Echtzeit, um Anomalien aufzudecken, während XDR eine erweiterte Erkennung und Reaktion über die klassischen Endpunkte hinaus bietet. Deshalb kann die SOC-Lösung mehr als Monitoring: Sie priorisiert Bedrohungen und automatisiert Gegenmaßnahmen, sodass Unternehmen schneller auf Vorfälle reagieren können. Außerdem schafft das SOC eine zentrale Plattform für Logging-Systeme und Audit-Trails. Das schafft Transparenz und erleichtert die Einhaltung von Meldepflichten und regulatorischen Vorgaben, weil Unternehmen auf einen verlässlichen Audit-Trail zurückgreifen können.

Für Unternehmen zahlt sich die Investition in solche Systeme gleich mehrfach aus: Sicherheitsvorfälle werden schneller und effizienter bewältigt. Dadurch sinken potenzielle Kosten für Schäden oder Strafzahlungen. Aufgrund der modularen Architektur im SOC bleiben Sicherheitsmaßnahmen flexibel anpassbar, um auf die dynamische Bedrohungslandschaft zu reagieren.

Christian Müller, Skaylink

„Krisenmanagement ist ein zentraler Bestandteil der Umsetzung. Klar definierte Notfallpläne stärken die Resilienz, indem sie Zuständigkeiten und Abläufe für den Ernstfall festlegen. So wird eine schnelle und effiziente Reaktion möglich.“

Christian Müller, Skaylink

Organisatorische Maßnahmen rechtzeitig umsetzen

Der Nutzen solcher Technologien entfaltet sich erst durch eine nahtlose Integration in Prozesse und Strukturen. Ein ISMS bildet hier die Basis: Es strukturiert Sicherheitsprozesse, macht Fortschritte messbar und ermöglicht es Unternehmen, flexibel auf neue Anforderungen wie die NIS2-Richtlinie zu reagieren.

Krisenmanagement ist dabei ein zentraler Bestandteil der Umsetzung. Klar definierte Notfallpläne stärken die Resilienz, indem sie Zuständigkeiten und Abläufe für den Ernstfall festlegen. So wird eine schnelle und effiziente Reaktion möglich. Risikoanalysen und praxisnahe Simulationen, wie Tabletop-Trainings, sind essenziell, um Schwachstellen frühzeitig zu erkennen. Diese Maßnahmen minimieren nicht nur Schäden, sondern erhöhen die Handlungssicherheit der Mitarbeitenden – besonders bei kritischen Prozessen.

Die organisatorischen Maßnahmen erstrecken sich über alle Unternehmensbereiche. Damit das gelingt, müssen der CISO beziehungsweise das IT-Management die Verantwortung übernehmen und die Abstimmung, Entwicklung sowie Umsetzung von Prozessen abteilungsübergreifend koordinieren.

Die Komplexität dieser Aufgaben kann hohe Anforderungen an den CISO und das interne Team stellen. Externe IT-Dienstleister können dabei unterstützen: Die Gap-Analyse bereichern sie mit einem unvoreingenommenen Blick. Da sie regelmäßig solche Aufgaben übernehmen, profitieren Unternehmen außerdem von ihrer Expertise darin, Richtlinien zu entwickeln oder Lösungen wie einen SOC zu implementieren. Das technische Know-how hilft dabei, neue Maßnahmen in die bestehenden Prozesse und Infrastrukturen zu integrieren. Mit diesem Support kann sich der CISO auf seine Kernaufgabe konzentrieren: die strategische Steuerung der Informationssicherheit im Unternehmen.

Auf dem Weg der Compliance

Sind Unternehmen damit bereit für NIS2? Eine finale Antwort gibt es erst, wenn NIS2 in Deutschland tatsächlich verabschiedet wird. Der Weg dahin beginnt mit einer fundierten Gap-Analyse, die Sicherheitslücken identifiziert und priorisierte Maßnahmen ableitet. Ergänzt durch ein ISMS schaffen Unternehmen eine nachhaltige Grundlage, um technische und organisatorische Prozesse für NIS2 vorzubereiten und auf die finale Fassung zu reagieren.

Doch sicher ist, dass NIS2 mehr als eine einmalige Anpassung verlangt: Regelmäßige Überprüfungen und ein starkes Krisenmanagement sind essenziell, um die Sicherheitsstrategie kontinuierlich zu optimieren und Ausfällen vorzubeugen. Unternehmen, die frühzeitig aktiv werden, stärken ihre Sicherheitskultur, schaffen Vertrauen und positionieren sich als resiliente Partner im digitalen Raum. Was zunächst als regulatorische Hürde erscheint, erweist sich deshalb als Chance für mehr Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit. Für Unternehmen, die noch keine Antwort auf diese Frage haben, ist jetzt der richtige Zeitpunkt zum Handeln.

Über den Autor:
Christian Müller ist Head of Cyber Security bei Skaylink.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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