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KI in der Rechenzentrumsbranche: Chancen und Bedenken

KI-Tools können für die unterschiedlichsten Aufgaben in Rechenzentren eingesetzt werden. Doch James Carmillet sieht nicht nur Chancen, sondern äußerst auch einige Bedenken.

KI wird nahezu alle Branchen des Wirtschaftslebens einschneidend verändern. So weit scheint Einigkeit zu herrschen. Was konkret KI in unterschiedlichen Branchen bereits leistet und welche Veränderungen die Technologie noch mit sich bringen wird, ist hingegen alles andere als deutlich.

Um festzustellen, was KI für die Rechenzentrumsbranche bedeutet beziehungsweise in Zukunft bedeuten wird, hat BCS eine Reihe von Branchenvertretern zusammengerufen: Investoren, Entwickler, Architekturen, Berater, Ingenieure und Endnutzer. Das sind die wichtigsten Ergebnisse.

Im Einsatz gegen den Fachkräftemangel

In der Rechenzentrumsbranche übernimmt KI aktuell vor allem zeitaufwändige Verwaltungsaufgaben in der Hoffnung, dass dadurch Zeit für die Führungskräfte frei wird, die nächste Generation von Rechenzentrumsexperten auszubilden. Das soll dazu beitragen, den Kundendienst zu verbessern und den Fachkräftemangel zu mildern.

 James Carmillet, BCS Business Critical Solutions
 

„KI wird die in der Branche benötigten Fähigkeiten verändern und auch dafür sorgen, dass Nachwuchskräfte bestimmte Dinge nicht mehr lernen können oder müssen.“

James Carmillet, BCS Business Critical Solutions

Mittel der Wahl ist dabei aktuell ChatGPT, vor allem für die Recherche und das Erstellen von Berichten. So nutzen Investoren das Tool, um Memos und detaillierte Investitionsberichte zu erstellen. Service-Provider nutzen ChatGPT beispielsweise, um administrative Aufgaben wie die Erstellung von Scope-of-Service-Dokumenten zu automatisieren. Diese werden dann von den Verantwortlichen überprüft. Dieses Vorgehen erweist sich als effizienter als ein Dokument von Grund auf selbst zu entwerfen. Grundsätzlich betonen Nutzer von ChatGPT, dass alle Ergebnisse von ChatGPT durch erfahrene Experten überprüft werden müssen, weil das Tool nicht fehlerfrei arbeitet und es in einigen Fällen schwierig ist, einen Prompt zu erstellen, der zu genau den gewünschten Ergebnissen führt.

Einige Unternehmen haben gute Erfahrungen mit ChatGPT als Hilfsmittel zum Erstellen von Energieberichten gesammelt: Wofür sie normalerweise sechs Monate benötigen, reicht nun eine Woche. Etliche Branchenvertreter sind derzeit dabei, ihren gesamten Geschäftsprozess zu erfassen, um zu bewerten, wo KI-Tools ihnen helfen können. Insgesamt betrachtet die Branche das Potenzial für den Einsatz von KI als weitaus umfangreicher als den aktuellen Einsatz.

Lange nicht alle Unternehmen in der Branche begnügen sich mit den vorhandenen KI-Tools. Vielmehr entwickeln sie ihre eigenen KI-Produkte und investieren stark in Datenwissenschaft und Ressourcen.

Qualifikationsverlust?

KI wird die in der Branche benötigten Fähigkeiten verändern und auch dafür sorgen, dass Nachwuchskräfte bestimmte Dinge nicht mehr lernen können oder müssen. So wird es weniger notwendig für Nachwuchskräfte, sich detailliert mit Scope-of-Work-Dokumenten auseinandersetzen, weil sie sich deren Inhalt durch KI-Tools zusammenfassen lassen können. Es stellt sich die Frage: Wenn die KI niedere Aufgaben wie diese übernimmt, wie werden neue Mitarbeiter dann lernen? Werden sie einfach lernen, die KI-Systeme zu verwalten? Riskiert die Branche vielleicht, dass wichtige Fähigkeiten in Zukunft nicht mehr vorhanden sind?

Es ist zu früh, diese Fragen abschließend zu beantworten. Es bleibt aber wichtig, Fähigkeiten im Unternehmen zu erhalten, die notwendig sind, um die Ergebnisse von KI zu beurteilen. Als Beispiel kann die Automatisierung in der Fertigung dienen. Dort übernehmen Maschinen sowohl die Herstellung komplexer Teile als auch die Qualitätskontrolle. Eine menschliche Überprüfung findet häufig nur stichprobenweise statt. Wichtig ist, die Fähigkeit zur Stichprobenkontrolle auch beim Einsatz von KI zu bewahren.

Einschränkungen und Bedenken

Branchenvertreter sehen weiterhin großes Potenzial für KI in der Rechenzentrumsbranche. Der Einsatz von KI beispielsweise, um Kostenmodelle oder Zeitpläne für Stresstests effizienter zu erstellen, befindet sich noch in der Erprobungsphase, und der Erfolg hängt vor allem von den korrekten Daten ab, mit denen die KI-Modelle gefüttert werden. Es besteht allerdings Einigkeit, dass KI noch weit davon entfernt ist, die Rolle eines echten Rechenzentrumsexperten zu übernehmen. So führen Versuche, ein KI-Modell ein Rechenzentrum entwerfen zu lassen, derzeit noch zu eher belustigenden Ergebnissen.

Es bestehen auch grundsätzlichere Bedenken: Einige Branchenvertreter sehen in KI ein Risiko und sind derzeit vorsichtig, vor allem weil nicht deutlich ist, ob der Datenbasis, die aktuell zum Training der öffentlich zugänglichen KI-Modelle genutzt wird, zu vertrauen ist. In Anbetracht der Tatsache, dass Rechenzentrumsabläufe unternehmenskritisch sind, ist beim Einsatz von KI Vorsicht geboten.

Auch gilt es, die Sicherheit insbesondere von Kundendaten zu gewährleisten. Etliche Unternehmen aus der Branche haben bereits klare Richtlinien für die Verarbeitung von Kundendaten mit KI-Tools aufgestellt, die sie kontinuierlich neuen Gegebenheiten anpassen. Die übrigen Unternehmen arbeiten an der Etablierung entsprechender Regeln.

Blick voraus

Es ist noch zu früh, das Wachstum und die Auswirkungen von KI exakt zu bestimmen. Es herrscht aber Einigkeit darüber, dass Early Adopters die Gewinner sein werden. In naher Zukunft wird von Beratern und Anbietern erwartet werden, dass sie KI wie andere Tools nutzen. In einer idealen Welt sollte unter Beteiligung aller Branchensegmente eine branchenspezifische KI-Lösung als Standard entwickelt werden, um ein VHS/Betamax-Debakel zu verhindern. Aktuell besteht die wesentliche Hoffnung darin, dass KI dazu beitragen wird, die Arbeitsbelastung des vorhandenen Personals zu verringern, damit dieses seine Bemühungen auf die Schulung und Weiterbildung anderer konzentrieren kann.

Über den Autor:
James Carmillet ist Director of Cost Management bei BCS und agiert als vertrauensvoller Berater, der sich schnell ein Bild von den projektspezifischen Bedürfnissen und Anforderungen der Kunden macht. Er verfügt über branchenübergreifende Erfahrungen in den Bereichen Vertragswesen, Beratertätigkeit und Kundenberatung und teilt gerne sein Wissen und seine Erfahrung mit den Kunden. Carmillets Karriere umfasst Stationen unter anderem bei Delron Services, Mace sowie Currie & Brown.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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