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Edge-Rechenzentren: Zukunft durch Dialog

Edge-Rechenzentren sind für die Anwendungen der Zukunft erforderlich. Da sie sich auch in Innenstädten befinden werden, ist das eine Frage der Städteplanung und des Bürgerdialogs.

Der 5G-Mobilfunkstandard hat eine neue Ära in der Datenübertragung eingeläutet. Er bietet eine höhere Geschwindigkeit, geringere Latenzzeiten und eine größere Kapazität für mehr Geräte als seine Vorgänger. Die enorme Leistungsfähigkeit von 5G macht das Edge-Rechenzentrum als eine relativ neue Entwicklung in der Rechenzentrumsbranche scheinbar überflüssig. Wenn 5G-Verbindungen so große Datenmengen mit solch hoher Geschwindigkeit und geringen Latenzzeiten übertragen können, scheint es unnötig, Rechenkapazitäten näher an den Erzeugungsort bzw. den Aufenthaltsort des Anwenders zu bringen.

Die Notwendigkeit

Dieser Eindruck trügt allerdings. Tatsächlich besteht bei vielen Einsatzzwecken eine nahezu symbiotische Beziehung zwischen 5G und Edge Computing. Ohne Edge Computing wäre 5G nicht in der Lage, die in die Technologie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Fortschritte bei Technologien wie KI, ML, Deep Analytics, autonomes Fahren und AR/VR werden nur durch Hochgeschwindigkeitsverbindungen in Kombination mit einer Datenverarbeitung in der Nähe des Endnutzers möglich sein. Betrachten wir den sicherheitskritischen Bereich des autonomen Fahrens. Autonome Fahrzeuge müssen schließlich nicht nur ihre Umwelt erkennen, sondern idealerweise auch mit anderen Fahrzeugen und Verkehrsleitstellen kommunizieren, um auf Verkehrssituationen oder Gefahrenstellen vorbereitet zu sein. Je kürzer die Übertragungswege sind, desto effizienter geht dieser Datenaustausch vonstatten. Edge-Rechenzentren sorgen zudem für eine höhere Zuverlässigkeit der Kommunikation, kann doch immer ein Rechenzentrum in der Nähe die Datenverarbeitung übernehmen, sollte es zu einem Verbindungsproblem kommen.

Die Notwendigkeit von Edge-Rechenzentren wird zudem durch ein Phänomen verstärkt, das unter dem Begriff induzierter Verkehr auch aus dem Straßenbau bekannt ist. Tobias Kuhnimhof, Professor am Lehrstuhl für Stadtbauwesen und Stadtverkehr der RWTH Aachen, bringt die Begebenheit auf den Punkt: „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.“ Den meisten ist der Sachverhalt auch aus dem Alltag bekannt. Wird eine Straße zum Beispiel von zwei auf vier Spuren ausgebaut, ergibt sich zunächst ein besserer Verkehrsfluss, mittelfristig wird allerdings der Verkehr auf der Straße zunehmen und dadurch ähnlich schlecht fließen wie vor dem Ausbau. Entsprechend wird es sich bei 5G verhalten. Die stark wachsende Zahl von Nutzern und Anwendungen, die auf 5G angewiesen sind, wird dazu führen, dass die zunächst üppig erscheinende Bandbreite mittelfristig ein knappes Gut wird.

Das Problem

Edge-Rechenzentren sind für die Anwendungen der Zukunft also dringend erforderlich. Nicht jeder ist jedoch von der Idee begeistert, dass sich mehr und mehr Rechenzentren auch in Innenstädten befinden sollen. Edge-Rechenzentren werden damit auch zu einer wichtigen Frage der Städteplanung. Glücklicherweise gibt es eine Reihe guter Antworten auf diese Frage.

Umwidmung/Integration

Häufig kommt es in Städten zu Leerständen. Kaufhäuser schließen, Parkhäuser sind im Zentrum im Zuge der Verkehrsberuhigung nicht länger erwünscht und so weiter. Diese Gebäude lassen sich nicht selten zu Rechenzentren umfunktionieren. Das Stadtbild bleibt somit unangetastet. Es muss sich dabei nicht immer um komplette Gebäude handeln. Weil Edge-Rechenzentren nicht die Ausmaße herkömmlicher Data Center annehmen, reicht räumlich beispielsweise auch die Etage eines ehemaligen Bürogebäudes aus. Die Umwidmung oder die Integration in ein bestehendes Gebäude hat ohnehin ökologische Vorteile, weil sich dadurch der Material- und Energieverbrauch für den ansonsten benötigten Neubau senken lässt.

Anpassung und Phantasie

Auch ein Neubau muss keineswegs einen optischen Schandfleck bilden. Rechenzentren in der Stadt müssen sich gestalterisch keineswegs an den Riesenanlagen auf der grünen Wiese orientieren. Vielmehr können sie so gestaltet werden, dass sie sich in das vorhandene Stadtbild integrieren oder es sogar bereichern. Hierfür kann beispielsweise die Verwendung von lokalen Baustoffen und Farben und eine stilistische Anpassung an die umliegende Bebauung erfolgen. Der Neubau eines Edge-Rechenzentrums unterscheidet sich aus städtebaulicher Sicht nicht vom Bau anderer Gebäude. Viel hängt dabei von den Plänen und Zielen der Stadtgestaltung ab. Warum nicht etwa einen Stararchitekten mit dem Entwurf eines Edge-Rechenzentrums beauftragen und so einen echten Hingucker im Stadtbild platzieren?

Ökologie

Auch aufgrund ihres Energiebedarfs haben Rechenzentren nicht den besten Ruf. Die wenigsten Menschen möchten auf die modernen Annehmlichkeiten verzichten, die Data Center erforderlich machen. Das hält sie allerdings nicht davon ab, Rechenzentren wegen ihrer negativen Ökobilanz zu kritisieren. Es bestehen eine Reihe von Möglichkeiten, diese Ökobilanz zu verbessern, angefangen vom Bezug erneuerbarer Energie, über den Einsatz stromsparender Server und Speichersysteme, die Kühlung durch Außenluft bis zur Nutzung der Abwärme. Um ergänzend zum Inneren ebenso das Äußere des Rechenzentrums ökologisch nachhaltig zu konzipieren, stellt Fassadenbegrünung einen wesentlichen Bestandteil dar. Diese vertikalen Gärten tragen insbesondere im Sommer dazu bei, die äußere Umgebungstemperatur zu senken und den Bedarf an Kühlung im Inneren zu vermindern. Neben dem Potenzial, hierdurch eine höhere Akzeptanz in der Gesellschaft zu erreichen, stellen grüne Fassaden Lebensraum für Vögel, Insekten und weitere Bewohner dar.

Kommunikation und Beteiligung der Bevölkerung

Dr. Alexandra Thorer, BCS Deutschland

„Edge-Rechenzentren sind für die Anwendungen der Zukunft dringend erforderlich. Nicht jeder ist jedoch von der Idee begeistert, dass sich mehr und mehr Rechenzentren auch in Innenstädten befinden sollen.“

Dr. Alexandra Thorer, BCS Deutschland

Nicht zuletzt lässt sich die Akzeptanz von Edge-Rechenzentren in unseren Innenstädten durch eine entsprechende Kommunikation unter Einbeziehung der Betroffenen fördern. Es gilt, die Vorteile und Notwendigkeit von Edge-Rechenzentren möglichst deutlich auf allen Kanälen zu kommunizieren und den Dialog mit der Community vor Ort zu suchen. Bürgerinnen und Bürger werden sich mit der neuen Rechenpower in ihrer Nachbarschaft viel weniger schwer tun, wenn ihnen das Projekt nicht ungefragt und unerklärt vor die Nase gesetzt wird.

Der Weg voran

Rechenzentren sind die Kraftzentralen der modernen Gesellschaft und spielen eine entscheidende Rolle für unser aller Zukunft. Darum ist es enorm wichtig, dass die Branche den möglichen Bedenken in Teilen der Gesellschaft Rechnung trägt, um eine Basis für den nächsten Entwicklungsschritt zu schaffen: den zügigen Aufbau eines Netzes von Edge-Rechenzentren.

Über den Autor:
Dr. Alexandra Thorer verfügt über umfangreiche Erfahrung mit der Leitung und Entwicklung großer internationaler Infrastruktur- und Technologieprojekte, Militärinfrastrukturprojekte und insbesondere Rechenzentren. Sie hat in Deutschland und Japan Architektur und Stadtplanung studiert und an der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne in infrastruktureller Stadtplanung promoviert. Seit 2021 leitet Thorer die deutsche Niederlassung der BCS Group (Business Critical Solutions).

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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