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Agentic AI: Wenn KI-Agenten die Supply-Chain-IT entlasten

Agentic AI automatisiert Routinen, simuliert Szenarien und ergänzt ERP-Systeme, um Lieferketten zu beschleunigen, Silos aufzulösen und Supply Chains resilienter zu machen.

Agentic AI gilt als die nächste Entwicklungsstufe der künstlichen Intelligenz (KI). Im Unterschied zu bisherigen Ansätzen, die vor allem auf Datenanalyse und Prognosen setzen, können diese Systeme Szenarien simulieren, eigenständig planen und innerhalb festgelegter Grenzen Prozesse selbst anstoßen.

Unternehmen fragen sich, welchen konkreten Mehrwert dieser Ansatz im Supply Chain Management (SCM) bietet. Der folgende Beitrag ordnet die Möglichkeiten ein: von automatisierten Routinen über die Ergänzung klassischer ERP-Systeme bis hin zur Entflechtung komplexer IT-Strukturen.

Agentic AI in der Supply Chain

Im Supply Chain Management kommt KI derzeit vor allem bei Prognosen, Mustererkennung und Entscheidungshilfen zum Einsatz. Agentic AI (agentische KI) geht jedoch noch einen Schritt weiter: Die Software verknüpft Daten mit Handlungsoptionen, simuliert Szenarien und kann Prozesse innerhalb definierter Grenzen eigenständig anstoßen.

Ein Beispiel: Lieferkettenplaner stellen die Frage Was passiert, wenn der Lieferant in Asien ausfällt? in natürlicher Sprache. Das System simuliert verschiedene Szenarien, berücksichtigt unterschiedliche Faktoren mit ein und schlägt automatisierte Reaktionen vor.

Eine Publikation der TU Hamburg-Harburg zeigt, dass dieser Ansatz echten Mehrwert schafft und das Potenzial solcher integrierten Daten- und KI-Modelle für resilientere Lieferketten hervorhebt.

Konfigurierbare KI-Agenten: Erweiterung klassischer ERP-Prozesse

Klassische ERP-Systeme bilden den Kern vieler Unternehmensprozesse, stoßen jedoch dort an Grenzen, wo Daten in Silos liegen oder schnelle Anpassungen nötig sind. Hier setzen konfigurierbare KI-Agenten an: Sie verknüpfen und synchronisieren ERP-Prozesse miteinander.

Statt Abläufe sequenziell zu optimieren – etwa zunächst die Beschaffung, dann die Logistik und schließlich die Fertigung –, modellieren die Agenten verschiedene Variablen parallel, kommunizieren untereinander und ermöglichen so ein gleichzeitiges Abwägen von Optionen (Autonomous Concurrent Orchestration). Der Vorteil: Silos werden aufgelöst und in komplexen Planungssituationen bessere Trade-offs erzielt.

ERP-Systeme sind und bleiben für den Kernbetrieb von zentraler Bedeutung. Agentic AI ergänzt sie um eine intelligente Ebene, die sich an Veränderungen anpasst, aus Feedback lernt und Entscheidungen automatisiert vorbereitet. Technisch wird dies durch die Verbindung spezialisierter Supply-Chain-IT mit Daten- und KI-Infrastrukturen wie Databricks realisiert. So können Szenarien nicht nur agentenbasiert modelliert, sondern auch in Echtzeit mit Daten aus ERP, IoT und weiteren Quellen gespeist werden.

Agentic AI: IT entflechten, Supply Chains beschleunigen

Viele Industrieunternehmen stehen vor ähnlichen Herausforderungen: historisch gewachsene ERP-Systeme, verteilte Datenquellen und manuelle Schnittstellen. Das Ergebnis sind komplexe IT-Landschaften, die schnelle Entscheidungen bremsen und die notwendige Agilität in globalen Lieferketten erschweren. Welche Folgen das haben kann und wie sich diese Komplexität überwinden lässt, untersucht auch das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS. Dort wird deutlich: Fragmentierte IT-Strukturen sind nicht nur ein Effizienzproblem, sondern auch ein Risiko für die Resilienz – und intelligente, integrierte Systeme können hier entscheidend zur Beschleunigung beitragen.

Hier setzt Agentic AI an und geht über klassische Analysefunktionen hinaus: Das System erfasst Daten, modelliert Szenarien und initiiert eigenständig Handlungsempfehlungen. Erkennt ein Agent beispielsweise einen drohenden Engpass bei einem Zulieferer, kann er alternative Szenarien simulieren, Bestände umleiten oder Fertigungsanpassungen vorbereiten. Die finale Entscheidung bleibt jedoch immer beim Planer.

Die Agenten arbeiten vernetzt und brechen die sequenzielle Logik klassischer ERP-Prozesse auf. Variablen werden parallel modelliert, was eine ganzheitliche Sichtweise und schnellere Trade-offs ermöglicht.

Karsten Rose, Kinaxis

„Agentic AI ergänzt die menschliche Expertise im Supply Chain Management, anstatt sie zu ersetzen. Die Software automatisiert Routinen, liefert fundierte Vorschläge und ermöglicht schnellere, skalierbare Analysen.“

Karsten Rose, Kinaxis

Langfristig verändert dies auch das Rollenverständnis im Supply Chain Management. Operative Routinen können durch Agenten automatisiert werden. Für Planer entsteht dadurch mehr Raum, um strategische Aufgaben zu übernehmen: Risiken managen, Partnerschaften aufbauen und Nachhaltigkeitsziele verfolgen.

Augmented Intelligence: Die Zukunft des SCM

Agentic AI ergänzt die menschliche Expertise im Supply Chain Management, anstatt sie zu ersetzen. Die Software automatisiert Routinen, liefert fundierte Vorschläge und ermöglicht schnellere, skalierbare Analysen. Dabei behalten Planer die Kontrolle, treffen strategische Entscheidungen und gestalten Beziehungen.

Dadurch verändert sich das Rollenprofil: weg von reaktiver Krisenbewältigung, hin zu strategischem Handeln. Unternehmen, die Agentic AI sinnvoll einsetzen, können ihre IT-Strukturen entflechten, Prozesse beschleunigen und die Resilienz ihrer Supply Chains erhöhen.

Über den Autor:
Karsten Rose ist erfahrener Vertriebs- und Führungsexperte mit mehr als 20 Jahren im Enterprise-Software-Bereich. Als Regional Vice President DACH & Netherlands verantwortet er bei Kinaxis den Vertrieb der KI-gestützten Lieferketten-Orchestrierung. Zuvor war er über ein Jahrzehnt bei Coupa Software in verschiedenen Führungspositionen tätig und sammelte umfassende Erfahrung bei SAP Ariba, wo er den Vertrieb in Zentral- und Osteuropa leitete. 

 

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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