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Swisscom: Mainframe-Abschied ist Kulturwandel

Die Swisscom stellte sich dem anspruchsvollen Projekt der Mainframe-Ablösung und musste bei der Migration feststellen, dass dafür nicht nur technische Hürden zu überwinden sind.

Der Mainframe ist in vielen Unternehmen nicht mehr nur ein Rechnersystem, sondern oft eine Gesinnungsfrage. Viele Firmen, die sich je einen Mainframe zugelegt haben, sehen diesen als integralen Teil ihrer Infrastruktur. Da diese Rechenboliden in den meisten Rechenzentren mehr als fünf, zehn oder noch mehr Jahre ihren Dienst verrichteten, sind sie für die meisten IT-Verantwortlichen nahezu nicht zu ersetzen, abzulösen oder gar wegzudenken.

Das hat oft damit zu tun, dass viele Unternehmen ab einem bestimmten Punkt, die restlichen Prozesse, Apps oder andere Infrastruktur um den Mainframe herum gebaut oder sogar eine zweite, unabhängige IT-Infrastruktur erschaffen haben, damit die Prozesse und Transaktionen weiterhin reibungslos erfolgen können.

Doch trotz zahlreicher Innovationszyklen seitens IBM für den Mainframe, kommt diese Technologie tatsächlich in die Jahre und Firmen suchen nach Alternativen. Diese zu finden, ist in der Regel nicht schwierig; Daten, Apps und Prozesse vom Mainframe in eine offene IT-Welt zu migrieren, gestaltet sich allerdings oft als sehr schwierig und manche IT-Verantwortliche verzweifeln ob der absehbaren Migrationsaufwände und für viele Unternehmen dürfte dies sogar ein Grund sein, von einem solchen Projekt Abstand zu nehmen.

Die Abschaffung eines Mainframes ist somit nicht nur eine technische Neuausrichtung, sondern auch ein Neudefinieren der eigenen Infrastruktur, der Mitarbeiter und der IT-Prozesse.

Mit der Lösung von LzLabs sollen die extremen Hürden einer Mainframe-Migration beseitigt werden und das Schweizer Telekommunikationsunternehmen Swisscom wagte diesen Schritt, ihren über Jahrzehnte genutzten Großrechner abzuschaffen. Ein Unterfangen, das Geduld, Stehvermögen, Aufklärung und enge Zusammenarbeit zwischen internem IT-Team, der Leitung und dem IT-Anbieter erforderte.

Mainframe mit langer Historie im Unternehmen

Zur Geschichte: Die Swisscom betreibt ihren Mainframe bereits seit 1968 mit drei ihrer Schlüsselanwendungen sowie 14 externen Systemen. Das bedeutet die Verarbeitung von 50 Transaktionen pro Sekunde, 100.000 IMS und mehreren Millionen SQL Statements pro Tag. Eine Ablösung des Mainframe erforderte die Migration dieser Workloads sowie der von 2.500 MIPS und 20 Terabyte an aktivem Mainframe-Storage größtenteils im DB2-Format.

Zu den Anwendungen, die auf dem Mainframe laufen, gehören unter anderem das Abrechnungssystem der Swisscom, kurz SWIBI (für Analogtelefonie), und das Zentrale Rufnummernverzeichnis (TERCO, Telephon Rationalisierung mit Computern, Inventar und Festnetz-Anschlussverwaltung Analogtelefonie). Letztere ist wird – wie der Mainframe – bereits seit Ende der 1960er Jahre genutzt. Die Billing-Anwendung allein umfasst 1.058 COBOL V2/V3-Programme mit einigen C- und Assembler-Programmen mit ca. 1.7 Millionen Zeilen Code und 20.000 SQL-Anweisungen.

Im Jahr 2017 begann Markus Tschumper, verantwortlich für die General IT Services bei der Swisscom, das Projekt anzugehen. Die Gründe für die Notwendigkeit der Mainframe-Ablösung beschreibt er so: „Es zeichnete sich ab, das ein Weiterbetreiben des Großrechners schwierig werden würde. Nicht nur wegen der Wartung, sondern vielmehr wegen fehlenden internen Wissens. Die meisten Fachkräfte mit Mainframe-Knowhow gehen in Rente und junge Entwickler und IT-Kräfte sind nur schwer für diese Technologie zu begeistern. Es war absehbar, dass irgendwann niemand mehr weiß, wie die Apps wirklich aufgebaut sind oder gar wie man COBOL programmiert.“ Darüber hinaus waren steigende Kosten und die Abhängigkeit an nur einen IT-Lieferanten zusätzliche Druckpunkte, die für die vollständige Abschaffung des Mainframe sprachen.

Herausforderung: Kulturwandel

Anwender, die Applikationen vom Mainframe in eine offene IT-Welt migrieren wollen, stehen vor enormen technischen Herausforderungen. Zunächst muss der Administrator die Grundfunktionalität der App kennen. Diese muss dann für eine Migration quasi neu geschrieben werden, was selbst mit einem Compiler nicht einfach ist. Da ein anderer Code-Satz erforderlich wird, können sich Vergleiche im Code können anders gestalten und wenn eine Anwendung bereits über Jahrzehnte im Einsatz ist, so kann es sein dass der aktuelle Admin diese nicht zu hundert Prozent nachvollziehen und somit neu schreiben kann. Das wiederum gefährdet die Betriebsstabilität, was wiederum Geschäftsprozesse einem Risiko aussetzt.

Abgesehen von den technischen Hürden sah sich Tschumper mit zusätzlichen, ganz anderen Problemen konfrontiert. „Bei vielen Mitarbeitern breitete sich Besorgnis aus“, erklärt Tschumper. „Viele wussten nicht, wie die neue Organisation aussehen würde, wie sich die Arbeitsanforderungen verschieben würden oder ob es sogar größere Einschnitte gäbe. Darum haben wir uns wöchentlich den Fragen und Sorgen der Mitarbeiter gestellt. Es war essentiell wichtig, das Team zu informieren, motivieren und auf dem neusten Stand zu halten.“ Darüber hinaus sah er es als wichtig an, seine Überzeugung vom Gelingen des Projektes an die Mitarbeiter weiterzugeben.

Das 13 Personen zählende IT-Team musste auf diesen Wandel vorbereitet werden, denn der Wechsel von der Mainframe-Welt in eine offene Cloud-Umgebung bedeutet, die gesamten Geschäftsabläufe zu überdenken und anzupassen und natürlich auch die neuen Arbeitslasten entsprechend zu verteilen. Oft sind in solchen Fällen auch Schulungen nötig, falls Mitarbeiter mit den neuen Technologien nicht vertraut sind.

Tschumper beschreibt den Prozess als „Sinuskurve des Wechsels“. Da zunächst intern Widerstand gegen das Projekt auftrat, wurde ein externer Coach beauftragt, mit dem man einen gemeinsamen Weg für die Transformation definierte. Im Fall der Swisscom waren Geduld, Verständnis, ein offenes Ohr für die Befürchtungen und die richtige Kommunikation ausschlaggebend, dass das Projekt nicht nur technisch erfolgreich umgesetzt werden konnte.

Software Defined Mainframe – SDM

Das Schweizer Telekommunikationsunternehmen entschied sich für die Lösung Software Defined Mainframe von LzLabs, die auf ihrer eigenen Cloud-Infrastruktur betrieben wird. Die beiden oben genannten Anwendungen wurden auf Linux-Systeme migriert.

Neben Linux werden zudem PostgreSQL und andere Open-Source-Technologien genutzt. SDM ermöglicht dabei eine Migration ohne aufwendiges Kompilieren, was dem Unternehmen entgegen kam, da Tschumper betont, dass ein Re-Engineering quasi nicht machbar wäre.

Das Projekt wurde in vier Phasen umgesetzt:

  1. Discovery (Status Quo ermitteln, sämtliche Interfaces, Anforderungen etc. identifizieren)
  2. Proof of Concept
  3. Plan für Migration entwickeln
  4. Testen (Hierfür können mittlerweile Tools für die Automatisierung genutzt werden, beispielsweise zum Vergleichen der App.)

Um die erwähnten Anwendungen erfolgreich auf SDM zu migrieren, bedurfte es der Unterstützung einer Reihe von komplexen Mainframe-Technologien:

  • IMS/TM
  • DRDA-Verbindungen (JDBC/ODBC) direkt in eine Db2-Datenbank
  • COBOL, PL/I & Java Stored-Proesse
  • Transaktionale Anwendungen
  • WebSphere MQ Message-orientierte Middleware (WMQ)
  • Triggered Integration mit WMQ
  • Call Attach Facility (CAF) und Resource Recovery Services Attachment Facility (RRSAF)-Zugang zu Db2
  • Umfassende Batch-Suiten
  • Db2-Datenbank und Utilities
  • Zahlreiche VSAM-Dateien, Generation Data Groups (GDG) und Partitionierte Datensätze (PDS)
  • Drittanbieter-Utilities für die Planung, Replikation und das Output-Management, das Loading/Unloading von Datenbanken und den Dateitransfer

Die Migration beziehungsweise Abschaltung des Mainframes erfolgte etappenweise. Die notwendige Downtime durfte 24 Stunden nicht überschreiten.

In einer Generalprobe testete das Unternehmen mit allen involvierten Mitarbeitern den Migrationsprozess, der dann auch relativ reibungslos verlief. Die Swisscom verzeichnete nur ein Performance-Problem aufgrund eines fehlenden Patches. Nachdem dies eingespielt wurde, lief und läuft die Lösung seit der ersten Woche problemlos, so Tschumper.

Kostenersparnisse und flexiblere Umgebung

Der Nutzen des Software Defined Mainframes ließ sich sehr schnell spüren. Die wichtigsten Kernanwendungen können nun problemlos in der eigenen Cloud-Umgebung betrieben werden. Hier werden die 2.500 MIPS auf acht virtuellen Cores von x86-Rechnern verarbeitet. Da der Mainframe zudem geo-redundant ausgelegt war, spart das Unternehmen mit dem Abschalten des Großrechners auch den Unterhalt eines zusätzlichen Standortes.

Laut Angaben der Swisscom konnte die Firma 70 Prozent der jährlichen Lizenzkosten sowie 25 Prozent an anderer Software einsparen, da nun Open-Source-Tools statt teurer ISV-Produkte zum Einsatz kommen. Darüber hinaus sank die IT TCO im Vergleich zur vorherigen Umgebung um 50-60 Prozent.

Das Unternehmen ist nun in der Lage, die Mitarbeiter in modernen IT-Verfahren zu schulen, eine effizientere Nutzung der Arbeitslast in der Cloud zu erreichen und Einsparungen in Bereiche für Innovationen zu reinvestieren.

Tschumper betont, wie wichtig es war, nicht nur die technischen Anforderungen, sondern auch die menschlichen Bedürfnisse bei einem solchen großen und wichtigen Projekt zu berücksichtigen: „Das Verhältnis Technik-Mensch war 50 zu 50. Der Erfolg dieses Projektes hing somit auch enorm von den Mitarbeitern ab. Man braucht jemanden, der vorausgeht und jemand, der unterstützt. Glücklicherweise hatten wir solch motivierte Teammitglieder in unserem Lead-Architekten Christian Hodel und dem Projektleiter Werner Pfäffli. Natürlich spielte auch die Zusammenarbeit mit LzLabs eine wichtige Rolle.“

Thilo Rockmann, CEO und Gründer von LzLabs fügt hinzu: „Wir mussten alle eine Lernkurve durchlaufen. Es gibt eben den Reißbrettplan und es gibt die Realität. Beides muss im Laufe eines solchen Projektes in Einklang gebracht werden und das konnten wir dank der guten Zusammenarbeit mit dem Swisscom-Team auch umsetzen.“

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