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Blockchain: Ist die Technologie reif oder nur ein Hype?

Kaum ein Tag vergeht, an dem Blockchain nicht in Meldungen auftaucht. Vielen gilt die Technologie als Heilsbringer, doch Analysten warnen vor einem Hype.

Die Lobeshymnen auf Blockchain sind unüberhörbar: Ob in der Logistik, in der Finanzwelt, der öffentlichen Verwaltung, dem Personal-Management, im Gesundheitswesen, dem Umweltschutz und sogar bei der weltweiten Armutsbekämpfung soll die Blockchain-Technologie revolutionäre Veränderungen bewirken. Auch der Ärger mit gehackten Daten soll damit beendet werden.

Blockchain wird eine ähnliche Revolution des Datenwesens sein wie vor einigen Jahren das Internet. Viele der Transaktionen, die aktuell noch über konventionelle Datenbanken laufen, werden meines Erachtens nach durch das neue System ersetzt“, sagt Sebastian Förtsch, Chef beim TÜV NORD.

Blockchain: dezentral und sicher

Im weitesten Sinne ist Blockchain eine Datenbank. Doch es existieren ein paar wesentliche Unterschiede. So gibt es spezifische Regeln, wie die Daten in die Datenbank geschrieben werden. Das heißt, es darf keinen Konflikt mit anderen Daten geben, die bereits in der Datenbank vorhanden sind (Konsistenz), es können nur Daten hinzugefügt werden (Unveränderbarkeit) und die Daten selbst sind an einen Eigentümer gebunden (Name).

Die Datenbank ist replizierbar und alle Beteiligten können gleichermaßen darauf zugreifen. Letztlich besteht ein Konsens unter den Beteiligten einer Blockchain über den aktuellen Status aller gespeicherten Informationen und es gibt keine zentrale Überwachung. Gerade der letzte Punkt macht den großen Unterschied zu allen bestehenden IT-Anwendungen aus. In der Finanzwelt fallen damit Banken weg, in der Verwaltung und im Handel Notare, Treuhänder oder Clearingstellen.

Experimente und Projekte

Was das in der Praxis bedeutet, lässt sich an ein paar Beispielen verdeutlichen. So arbeiten IBM und der Container-Spediteur Maersk zusammen, um die Blockchain-Lösung von IBM im internationalen Güterverkehr einzuführen. Ziel ist es, den derzeitigen Papieraufwand zu reduzieren und die Bearbeitung zu beschleunigen.

Hieran arbeitet auch die englische HSBC Bank. Laut deren Angaben eignet sich Blockchain inzwischen für die finanzielle Absicherung des internationalen Handels. So hat die Bank jüngst eine Bürgschaft für eine Sendung Sojabohnen von Argentinien nach Malaysia mit Blockchain abgesichert. „Diese Abwicklung stellt einen Wendepunkt für den zukünftigen Welthandel dar“, ist Vivek Ramachandran überzeugt, der bei der HSBC Bank für Innovationen beim Depositengeschäft zuständig ist.

In Berlin versucht das Startup Brickblock eine Blockchain für den Immobilienmarkt zu etablieren. „Die Transaktionen sind viel schneller. Außerdem kann man auch nur einen Teil der Immobilien wiederverkaufen", sagt Mitgründer Jakob Drzazga. Ebenfalls in Berlin ist Bitbond ansässig, ein auf Bitcoin basierender Kreditservice, der eigenen Angaben zufolge ein monatliches Volumen von einer Million Dollar managt.

In den USA betreibt Bitwage ein auf Blockchain basierendes Entlohnungssystem für Micropayments für Programmierer der Gig-Economy. Diese sind zumeist in Ländern angesiedelt, wo man nur schwer ein Bankkonto bekommt und internationale Transaktionen mit hohen Gebühren verbunden sind.

Gartner: Blockchain ist overhyped

Doch bislang sind die Erfolge noch mäßig. Viele Analysten sind bei ihrer Einschätzung von Blockchain-Technologie noch zurückhaltend. „Unsere diesjährige CIO-Umfrage beweist, dass Blockchain eindeutig overhyped ist“, heißt es in einer Meldung von Gartner.

Dabei sehen die Gartner-Analysten Blockchain erst am Anfang des Hype-Zyklus: „Vor 2025 wird es für die Unternehmen kein nennenswerten ROI geben.“ Das liegt unter anderem an dem Negativ-Image, das durch die Kryptowährung Bitcoin entstanden ist.

Viele Business-Anwendungen, die man jetzt mit Blockchain angehen will, haben eine Reihe an gesetzlichen und regulatorischen Auflagen, die auch mit dieser Methode zur Datenverarbeitung nicht lösbar sind.
Angus Champion des CrespignyErnst & Young

„Die technischen Probleme von Blockchain sind bescheiden im Vergleich zu den kulturellen und emotionalen Barrieren“, sagt Dwight Klappich, Vice President bei Gartner. Er geht davon aus, dass 90 Prozent des Widerstandes gegen die Blockchain-Technologie auf irrationale Beweggründe zurückzuführen ist.

Hierzu vergleicht er den gegenwärtigen Hype mit der RFID-Situation vor 15 Jahren: „Als Walmart die Einführung von RFID-Etiketten für alle Lieferanten zur Pflicht machte, glaubten alle, das sei der Durchbruch. Doch Walmart stellte das Projekt schnell wieder ein, und selbst heute ist RFID noch nicht als Mainstream-Etikett anzutreffen.“

Bitcoin: Schlechtes Image zeigt Wirkung

Folglich sind auch die Investoren zurückhaltend. Bei Brickblock muss man beispielsweise zunächst mit realem Geld eine Kryptowährung kaufen. Mit dieser wird dann der Immobilienkauf bezahlt. Solange man in dieser Kryptowährung verbleibt, ist das kein Problem. Doch beim Rücktausch in Euro oder Dollar kann es ein böses Erwachen geben.

Bitcoin oder auch Ethereum haben an manchen Tagen Kursschwankungen von mehr als 30 Prozent. Kein Wunder, dass etablierte Investoren nichts von der Kryptowährung halten. „Bitcoin ist wie Rattengift“, schimpfte Starinvestor Warren Buffet kürzlich über das Blockchain-Geld.

Auch Angus Champion des Crespigny, Blockchain-Experte bei Ernst & Young, sieht einen massiven Hype rund um diese Technologie. „Viele Business-Anwendungen, die man jetzt mit Blockchain angehen will, haben eine Reihe an gesetzlichen und regulatorischen Auflagen, die auch mit dieser Datenverarbeitungsmethode nicht lösbar sind“, erläutert er.

Technische Beschränkungen

Darüber hinaus gibt es auch technologische Probleme. Die dezentrale Struktur der Datenspeicherung und –bearbeitung macht das System langsam, erfordert wesentlich mehr Storage und Energie. „Bei Blockchain fühlt man in die Bearbeitungszeiten von vor zwanzig Jahren zurückversetzt“, sagt Max Gulker vom American Institute of Economic Research.

Kumar Palepu vom Beratungshaus Virtusa sieht noch ein weiteres Problem: Die Implementierung innerhalb einer globalen IT- und TK-Struktur. „Blockchain ist eine grundlegend disruptive Technologie; es ist nichts, was man einfach schnell einschalten kann, sagt er. „Die TK-Carrier verfügen heute über unglaublich komplexe Netzwerkinfrastrukturen. Daher erfordert eine Anpassung und Änderung an Blockchain viel Zeit und Planung. Es gibt da einiges, das vorher berücksichtigt und bedacht sein muss, wie Skalierbarkeit, Sicherheit und Kosten.“

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