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Wie souverän muss die Cloud aufgestellt sein?
Die Abhängigkeit von Technologieanbietern und -Diensten ist eine große Herausforderung für Unternehmen. Ansätze zur digitalen Autonomie helfen, die Risiken zu minimieren.
Jeder Tag bringt gegenwärtig neue Nachrichten aus der Welt, die deutlich machen: Europa muss seine digitale Zukunft selbst in die Hand nehmen. Die starke Abhängigkeit von Big Tech und Cloud-Diensten gefährdet unsere Souveränität – und mitunter sogar die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen. Zunehmende internationale Spannungen haben gezeigt, wie labil globale Lieferketten und digitale Infrastrukturen sein können. Doch wie sehr können wir uns auf Souveränität Made in Europe verlassen – und in welchem Umfang ist sie notwendig?
Die Frage nach dem richtigen Maß an Souveränität ist dabei differenziert zu betrachten. Für hochsensible Daten aus Verwaltung, Gesundheitswesen oder kritischen Infrastrukturen ist maximale Kontrolle unerlässlich. Hier müssen Daten zwingend in europäischen Clouds unter europäischer Gesetzgebung verarbeitet werden. Die DSGVO und weitere Regulierungen setzen dabei klare Rahmenbedingungen. Für weniger kritische Geschäftsprozesse können dagegen auch internationale Anbieter eine Option sein – vorausgesetzt, sie erfüllen die Compliance-Anforderungen und halten die erforderlichen Garantien zur Datensicherheit vertraglich ein.
Wichtig ist es dabei, die Abhängigkeit von einzelnen Technologieanbietern zu reduzieren. Denn sind Unternehmen erst einmal im sogenannten „Vendor Lock-in“ gefangen, können sie den Informations- und Datenschutz gemäß nationaler und europäischer Vorgaben nicht mehr sicherstellen.
Mehr ist mehr: Multi Cloud statt Vendor Lock-in
Um das zu vermeiden, ist die Multi-Cloud-Strategie ein vielversprechender Ansatz. Statt sich von einem einzelnen Anbieter abhängig zu machen, nutzen Unternehmen verschiedene Clouds parallel. Das ermöglicht es, sensitive Workloads in souveränen europäischen Clouds zu betreiben und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit globaler Hyperscaler für unkritische Anwendungen zu nutzen. Diese Hybrid-Strategie verbindet das Beste aus beiden Welten: maximale Datensicherheit dort wo nötig, maximale Skalierbarkeit wo möglich. Zudem erhöht die Verteilung auf mehrere Anbieter die Ausfallsicherheit und Verhandlungsposition gegenüber den Providern.
Ein kompletter Verzicht auf Big-Tech-Lösungen ist derzeit für die meisten Unternehmen weder möglich noch sinnvoll. Zu groß ist deren technologische Vorsprung, zu attraktiv die Kostenvorteile. Dennoch sollten Organisationen kritisch prüfen, welche Workloads sie auslagern können und welche besser in europäischer Hand bleiben. Der Fokus muss darauf liegen, schrittweise mehr digitale Souveränität aufzubauen – beginnend mit den sensibelsten Bereichen. Dafür braucht es eine Cloud-Infrastruktur, die höchste Sicherheitsstandards erfüllt und gleichzeitig wirtschaftlich konkurrenzfähig ist.
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„Entscheidend wird sein, dass alle Akteure – von Politik über Wirtschaft bis Forschung – an einem Strang ziehen. Nur mit vereinten Kräften können wir eine starke europäische Cloud-Alternative schaffen – souverän, innovativ und zukunftssicher.“
Christine Knackfuß-Nikolic, T-Systems
8ra, der Unterschiedsspieler
Hier setzt die europäische Initiative 8ra (IPCEI-CIS) an, die über 120 Partner aus zwölf EU-Mitgliedsstaaten vereint. Ihr Ziel ist der Aufbau eines dezentralen, interoperablen und sicheren Multi-Provider Cloud-Edge-Kontinuums. Anders als bisherige Ansätze setzt 8ra konsequent auf offene Standards und vermeidet so Vendor-Lock-in-Effekte.
Die Initiative arbeitet parallel an vier Aspekten der technologischen Grundlagen:
- Entwicklung einer föderierten Cloud-Edge-Infrastruktur
- Nahtloser grenzüberschreitender Datenaustausch
- Sichere, transparente Alternativlösungen zu US-Anbietern
- Maximierung der Ressourceneffizienz durch dynamische Lastverteilung
Besonderen Wert legt 8ra auf den Community-getriebenen Open-Source-Ansatz. Er ermöglicht es auch kleineren Anbietern, sich am Ökosystem zu beteiligen und fördert dadurch Wettbewerb und Innovationen. Gleichzeitig profitieren die Nutzenden von echter Wahlfreiheit bei maximaler Interoperabilität.
8ra ist mehr als ein technisches Projekt – es ist ein strategischer Meilenstein für Europas digitale Souveränität. Die Initiative schafft:
- technologische Unabhängigkeit durch eigene Infrastrukturen und Standards
- wirtschaftliche Stärke durch ein offenes, wettbewerbsfähiges Ökosystem
- Rechtssicherheit durch konsequente Ausrichtung an EU-Werten und -Gesetzen
- Innovationskraft durch kollaborative Entwicklung und Wissensaustausch
Souveränität Made in Europe
Der Weg zur digitalen Autonomie ist kein einfacher. Aber je länger wir warten, desto schwieriger wird es, den Rückstand aufzuholen. Europa muss jetzt handeln und massiv in die eigene digitale Infrastruktur investieren. 8ra zeigt, wie Europäische Staaten gemeinsam Großes erreichen können.
Entscheidend wird sein, dass alle Akteure – von Politik über Wirtschaft bis Forschung – an einem Strang ziehen. Nur mit vereinten Kräften können wir eine starke europäische Cloud-Alternative schaffen – souverän, innovativ und zukunftssicher. Die Zeit drängt, aber die Chancen waren nie besser. Packen wir es an – für ein digital souveränes Europa, das seine Werte auch in der digitalen Welt selbstbewusst vertritt.
Über die Autorin:
Christine Knackfuß-Nikolic ist Chief Technology Officer von T-Systems. Sie leitet die technische Strategie des Unternehmens und sorgt für eine enge Abstimmung mit den übergreifenden Geschäftszielen. Darüber hinaus fördert sie Innovations- und Inkubationsaktivitäten, indem sie aktiv nach neuen Technologien Ausschau hält, die Technologie-Roadmap erstellt und erfolgreiche Markteinführungen steuert.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.