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Warum souveräne Clouds echte Kontrolle brauchen

Souveräne Cloud erfordert mehr als ein Label: Nur wer Datenhoheit, Rechtsklarheit und technologische Offenheit sicherstellt, behält echte Kontrolle und Unabhängigkeit.

Unternehmen, die sich heute für eine neue oder erweiterte Cloud-Strategie entscheiden, kommen am Thema souveräne Cloud kaum vorbei. Dieses Label wird von den meisten Anbietern verwendet. Darunter sind sowohl globale Hyperscaler wie Microsoft, Amazon oder Google als auch europäische Spezialisten mit lokalem Fokus. Das Versprechen ist stets ähnlich – maximale Kontrolle über Daten, Schutz vor fremden Zugriffen und Transparenz im Betrieb. Doch genau hier beginnt das Problem: Das Etikett souverän täuscht oft über strukturelle Abhängigkeiten und juristische Grauzonen hinweg.

Auf den ersten Blick erscheint es vielleicht attraktiv, kritische Workloads und sensible Daten in der souveränen Variante eines bestehenden Public-Cloud-Anbieters zu betreiben. Die Annahme dabei ist: Wenn der Hyperscaler schon Teil der Infrastruktur ist, kann man den Rest auch dort unterbringen. Nur eben abgesichert. Doch wer so denkt, tappt in eine gefährliche Falle.

Die souveräne Cloud eines US-Anbieters ist nicht immer so unabhängig, wie sie scheint. In Wahrheit entsteht eine trügerische Sicherheit und der Verlust der Kontrolle über die eigenen Daten kann leiser, aber folgenschwerer eintreten, als man denkt. Dabei wäre es möglich, digitale Souveränität konsequent umzusetzen. Es gibt Lösungen, die in rechtlicher, technischer und operativer Hinsicht nachvollziehbar darlegen, wie echte Kontrolle über Daten, Prozesse und Infrastruktur gewährleistet wird. Doch zwischen Anspruch und Realität liegen manchmal Welten, wie der Fall von Microsoft im Frühjahr 2025 zeigt.

Der Fall Microsoft: Weckruf in Sachen digitale Souveränität

Im Rahmen eines US-Verfahrens musste der Hyperscaler eingestehen, dass selbst in Europa gespeicherte Daten unter Umständen dem Zugriff amerikanischer Behörden unterliegen. Hier prallen zwei Rechtsräume aufeinander: die US-Auskunftspflichten einerseits und die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) andererseits. Unternehmen, die ihre sensiblen Daten in einer Hyperscaler-Cloud hosten möchten, können sich nicht auf Rechtssicherheit nach deutschem oder europäischen Recht verlassen. Dies wirft die Frage auf, ob diese Angebote tatsächlich eine Lösung für deutsche Unternehmen darstellen können.

Andreas Kadler, Plusserver

„Mehrere Millionen Geräte in Deutschland sind betroffen, doch der große Startschuss zur Umstellung bleibt aus. Der Markt agiert trotz der Dringlichkeit erstaunlich zögerlich.“

Andreas Kadler, Plusserver

Dieses Beispiel verdeutlicht die zentrale Schwachstelle vieler souveräner Cloud-Angebote: die fehlende rechtliche Trennung vom Mutterkonzern. Denn wer der Jurisdiktion eines Drittstaats unterliegt, kann keine vollständige Kontrolle über seine Daten garantieren. Das gilt selbst dann, wenn Betrieb, Support und Infrastruktur formal in Europa verortet sind. Dieser Umstand untergräbt das Vertrauen, das Unternehmen in die Souveränitätsversprechen ihrer Anbieter setzen.

Souveränität ist kein Label

Digitale Souveränität ist kein Zusatzmodul, das sich bei Bedarf aktivieren lässt. Sie muss von Anfang an in die Cloud-Strategie integriert werden. Gerade für Unternehmen des deutschen Mittelstands, die sich täglich zwischen technologischen Anforderungen und knappen Ressourcen bewegen, erscheint dieser Anspruch zunächst als zusätzliche Belastung. Schon jetzt kämpfen viele IT-Abteilungen mit komplexen Multi-Cloud-Strukturen, begrenzten Budgets und einem wachsenden Katalog an regulatorischen Pflichten. In diesem Kontext erscheint das Thema Souveränität schnell als ein weiteres To-do auf einer ohnehin übervollen Agenda.

Doch genau hier liegt ein grundlegendes Missverständnis. Digitale Souveränität ist keine operative Maßnahme zur Lösung akuter Probleme, sondern ein strategischer Rahmen, der darüber entscheidet, wie widerstandsfähig, rechtskonform und zukunftsfähig die digitale Infrastruktur tatsächlich ist. Unternehmen, die von Anfang an Souveränität mitdenken, schaffen keine zusätzliche Baustelle, sondern eine tragfähige Grundlage. Es geht darum, die Kontrolle über Systeme, Daten und Prozesse zu behalten, und zwar nicht nur technisch, sondern auch rechtlich und organisatorisch. Und diese Kontrolle ist kein Selbstzweck, vielmehr die Voraussetzung für glaubwürdige Sicherheitskonzepte, belastbare Compliance und langfristige Innovationsfähigkeit.

Digitale Souveränität braucht fünf solide Pfeiler

Eine Cloud kann nur dann als souverän bezeichnet werden, wenn sie auf einem klaren Fundament steht. Dieses Fundament umfasst fünf aufeinander aufbauende Prinzipien, die über Erfolg oder Scheitern der digitalen Selbstbestimmung entscheiden.

1. Datenschutz als unverzichtbare Basis

Egal wie viel Kontrolle man über seine Daten hat, personenbezogene und geschäftskritische Daten müssen geschützt werden. Die DSGVO bildet hierfür den verbindlichen Rahmen, doch Datenschutz ist mehr als nur eine regulatorische Pflicht: Er schafft Vertrauen bei Kunden, Mitarbeitern und Partnern. Eine souveräne Cloud muss deshalb den Schutz sensibler Daten technisch wie organisatorisch garantieren – durch Verschlüsselung, klare Zugriffsrechte und Security by Design. Wer diesen Grundpfeiler vernachlässigt, entzieht dem gesamten Gebäude die Stabilität.

2. Datenhoheit sichert Kontrolle

Echte Datensouveränität bedeutet, zu jeder Zeit zu wissen, wo welche Daten liegen, wie sie verarbeitet werden und wer Zugriff hat. Nur so vermeiden Unternehmen Abhängigkeiten durch proprietäre Strukturen oder intransparente Blackbox-Systeme. Doch diese Kontrolle ist nicht allein eine technische Frage, sie muss auch vertraglich abgesichert sein. Viele Service Level Agreements (SLAs) und Anbieterbedingungen bleiben gerade dort vage, wo es kritisch wird: bei Haftung im Datenschutzfall, bei Zuständigkeiten im Support oder bei der Absicherung von Backups und Recovery. Ein souveräner Anbieter schafft hier Klarheit – durch transparente Prozesse, klare SLAs und nachvollziehbare Verantwortlichkeiten. Erst das Zusammenspiel von technischer Transparenz und rechtlich belastbarer Governance macht Datenhoheit belastbar und verleiht Unternehmen die notwendige Durchsetzungsfähigkeit.

3. Rechtsraum-Souveränität als Garant für Verlässlichkeit

Sowohl symbolisch über einen Serverstandort als auch konsequent über den gesamten Betreiber hinweg muss Klarheit über den Standort der Daten herrschen. Wer Rechenzentren in Frankfurt nutzt, aber einem Mutterkonzern in Seattle oder Palo Alto untersteht, kann im Zweifel keinen vollständigen Schutz vor fremdem Zugriff gewährleisten. Erst wenn Unternehmenssitz, Eigentumsverhältnisse, Steuerung und Gerichtsbarkeit innerhalb des europäischen Rechtsrahmens angesiedelt sind, lässt sich verhindern, dass Daten über juristische Hintertüren in die Reichweite außereuropäischer Behörden geraten. Gerade in Branchen mit hohen Compliance-Anforderungen – etwa dem Gesundheitswesen, der öffentlichen Verwaltung oder der Finanzindustrie – sollte dieser Schutz keine Kür sein, sondern Pflicht. Ein vertrauenswürdiger Anbieter muss deshalb nicht nur lokal betrieben, sondern auch lokal kontrollierbar sein.

4. Operative Souveränität schafft Transparenz

Ebenso wichtig ist die vollständige Transparenz im laufenden Betrieb. Wer souverän agieren möchte, braucht Einsicht in alle relevanten Prozesse. Das umfasst die Datenverarbeitung, das Zugriffsmanagement, Backup-Strategien und Incident Response. Gerade hier lauern oft verborgen Schwachstellen: automatisierte Skripte, versteckte Supportzugriffe oder Subunternehmen, die bestimmte Betriebsfunktionen übernehmen. Wer nicht weiß, wer im Zweifelsfall mitliest oder die Systeme wartet, hat keine operative Kontrolle. Das betrifft auch das Thema Monitoring: Können Logs eingesehen werden? Gibt es Echtzeiteinblicke in sicherheitsrelevante Vorgänge? Und was passiert im Fall eines Security Incidents? Nur Anbieter, die diese Fragen lückenlos und nachvollziehbar beantworten können, liefern echte Transparenz. Alle anderen erzeugen bestenfalls ein trügerisches Sicherheitsgefühl.

5. Technologische Souveränität wahrt Handlungsfreiheit

Ein weiterer Kernaspekt souveräner Cloud-Strategien ist die technologische Offenheit. Viele Unternehmen geraten heute in neue Abhängigkeiten, ohne sich dessen bewusst zu sein. Dies geschieht, wenn sie sich für proprietäre APIs, nicht standardisierte Schnittstellen oder restriktive Lizenzmodelle entscheiden, die ihren Handlungsspielraum einschränken. Eine souveräne Cloud muss jedoch jederzeit einen Anbieterwechsel ermöglichen – sei es aus strategischen, wirtschaftlichen oder regulatorischen Gründen. Das setzt voraus, dass die eingesetzten Technologien interoperabel sind, auf offenen Standards beruhen und sich in bestehende Multi-Cloud-Strategien integrieren lassen. Gerade in einer Welt, in der sich digitale Anforderungen und gesetzliche Rahmenbedingungen schnell verändern, ist diese Flexibilität essenziell. Wer sich heute bindet, muss morgen noch handlungsfähig sein.

Ohne Kontrolle funktionieren digitale Strategien nicht

Die Entscheidung für eine Cloud-Lösung ist heute mehr denn je eine strategische Weichenstellung. Wer dabei nur auf Skalierbarkeit, Geschwindigkeit oder Kosten achtet, übersieht ein zentrales Risiko: den Kontrollverlust über die eigenen Daten. Die scheinbare Souveränität mancher Angebote kann sich schnell als juristische und technische Sackgasse entpuppen. Eine wirklich souveräne Cloud sollte europäisch verankert, transparent betrieben, technologisch offen und vertraglich abgesichert sein. Dies bildet ein vertrauenswürdiges digitales Fundament, auf dem Unternehmen ihre Zukunft sicher, unabhängig und innovationsfähig gestalten können. Souveränität ist kein Versprechen, das andere für einen halten können. Es ist eine Verantwortung, die Unternehmen aktiv übernehmen sollten.

Über den Autor:
Andreas Kadler ist CEO bei Plusserver. Als erfahrener Digitalstratege setzt er sich für nachhaltige, rechtssichere und wirtschaftlich tragfähige Cloud-Modelle ein. Sein Fokus liegt auf digitaler Souveränität, resilienter Infrastruktur und praxisnaher Innovationsfähigkeit für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen in Deutschland.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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