Warum europäische Cloud-Anbieter Hyperscaler schlagen können

Obwohl weltweit agierende Hyperscaler nach wie vor den Cloud-Markt dominieren, sind kleinere Provider aus Europa eine ernst zu nehmende Konkurrenz. Warum ein Wechsel lohnt.

Tech-Riesen wie Microsoft, Google, AWS und IBM bieten inzwischen standardisierte Cloud-Services zu relativ geringen Preisen und haben ihr Angebot in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut und immer weiter perfektioniert.

Und das Wachstum des Cloud-Marktes wird sich nicht so schnell einstellen: Nach Modellrechnungen steigt der Umsatz mit Cloud Computing im Jahr 2023 auf rund 600 Milliarden US-Dollar – fast doppelt so viel wie 2020. Kein Wunder also, dass kleinere Provider aus Deutschland und Europa den US-amerikanischen Hyperscaler nicht den ganzen Markt überlassen wollen.

Und im heimischen Markt bilden sie sogar eine echte Alternative: Sie stehen näher an Kunden, kennen ihre Bedürfnisse und können ihr Angebot flexibler auf einzelne Kunden zuschneiden. In vielen anderen Bereichen sind sie mit den Cloud-Giganten gleichauf – und schlagen sie sogar.

Haben Sie schon einmal etwas von Datenschutz gehört?

Auch wenn der Begriff EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) sperrig klingt, sind die europäischen Anforderungen an die Sicherheit von Daten besonders hoch. Insbesondere die deutschen Richtlinien gehören zu den strengsten weltweit. 2018 in Kraft getreten, haben sich lokale Cloud-Provider bereits vorher mit der EU-DSGVO auseinandergesetzt und ihre Lösungen daran angepasst. Die Daten in Rechenzentren europäischer Anbieter sind sicher – zum Beispiel vor dem (legalen) Zugriff ausländischer Behörden und Geheimdienste.

Durch Tochterunternehmen mit europäischem Sitz versuchen Hyperscaler aus Übersee zwar, die Sicherheitsstandards einzuhalten. Jedoch nur mit mäßigem Erfolg. Auch wenn für ihre Server auf hiesigem Boden dieselben Standards gelten, wie für die Server heimischer Unternehmen, ist deren Umsetzung nicht gesichert: US-Unternehmen müssen die Daten ihrer Nutzer unter Umständen herausgeben, egal, wo die Server stehen und gegebenenfalls unter Androhung von Strafe. Vertrauliche Informationen aus Europa sollten also am besten auch den Servern europäischer Unternehmen anvertraut werden.

Welche Grenzen Hyperscaler setzen

Freiwillige Kunden mit Qualität zu überzeugen, ist nicht die einzige Möglichkeit, sie an einen bestimmten Hersteller zu binden. Viele setzen auch auf eine Strategie, die Vendor Lock-In genannt wird. Dabei werden die Produkte so konzipiert, dass sie nur untereinander kompatibel sind. Lange Vertragslaufzeiten sind ebenfalls ein beliebtes Mittel.

Auch bei Cloud-Lösungen gibt es mittlerweile Standards, die unabhängig vom Hersteller sind. Für Virtualisierungs-Tools sind dies KVM und OpenVZ, bei Infrastructure as a Service (IaaS) setzt sich OpenStack durch. Auch die Programmierschnittstelle REST API hat sich etabliert. Und trotzdem setzen gerade Hyperscaler auf proprietäre Technologien, ob nun aus Performance- oder Kostengründen.

Ein weiterer Vorteil für die Hyperscaler ist, dass der Anbieterwechsel schwieriger wird: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen umgeschult werden und ein Ausfall in der Umstellungsphase mit einkalkuliert. Nicht zuletzt führt das auch zu Kosten – für Umzug und Umschulung selbst sowie für Beratungsunternehmen. Die Bereitschaft für einen Anbieterwechsel sinkt.

Lokale Cloud-Provider setzen oft auf allgemeine Standards und verringern Vertragslaufzeiten, indem sie ihr Abrechnungsmodell flexibel gestalten, etwa nach Zeit oder genutzter Rechenleistung.

Rechenleistung kann man skalieren. Support und Verträge auch?

Die Verträge von Hyperscaler basieren meist auf konsequent durchstandardisierten Service Level Agreements (SLAs). Dabei werden die erbrachten Leistungen des Anbieters genau definiert und über einen bestimmten Zeitraum festgelegt. Spielraum für Änderungen gibt es nicht, beide Parteien sind für die Laufzeit des Vertrags an die vereinbarten Konditionen (zum Beispiel Speicherkapazität oder Rechenleistung) gebunden. Und zwar unabhängig davon, wie viel im Endeffekt tatsächlich benötigt wird.

Für Hyperscaler sind SLAs schon allein wegen der vielen Kunden oft die einzige Möglichkeit, schnell und auf Abruf exakt einheitliche Angebote bereitstellen zu können. Und auch beim Support müssen sie wegen ihrer Größe Abstriche machen: Sie können die enorme Menge von Anfragen kaum bewältigen. Um Kosten zu sparen, wird der Support häufig an Drittanbieter übertragen oder automatisiert. So ist es kaum möglich, den Support mit Bezug auf die jeweilige Problemstellung wirklich zu individualisieren.

Lokale, kleinere Cloud-Provider sind hier im Vorteil. Ihr Angebot lässt sich leichter und individueller abstimmen und flexibler gestalten. Die eigenen Support-Teams können nah am Kunden arbeiten und auf kundenspezifische Probleme eingehen. Außerdem unterstützen sie Unternehmen dabei, in eine Cloud zu migrieren oder zu implementieren. Bei Hyperscaler hingegen beginnt und endet der Support häufig mit der Vertragslaufzeit.

Nachhaltigkeit zum Nachtisch

Da Cloud-Umgebungen mehrere Infrastrukturen bündeln und in einem zentralisierten Serversystem so ökonomisch wie möglich organisieren, sind sie nachhaltiger als verteilte On-Premises-Rechenzentren. Allein aus wirtschaftlichem Interesse achten Cloud-Provider darauf, Ressourcen so effizient wie möglich einzusetzen und zu verteilen.

Unternehmensinterne Rechenzentren sind oftmals überdimensioniert: Hardware, die zu Beginn eines Projektes oder für Hochzeiten benötigt wird, befindet sich später im Leerlauf und verbraucht unnötig Strom. Cloud-Services weisen nicht benötigte Infrastruktur einem anderen Kunden zu oder schalten Systeme ab, wenn ihre Ressourcen nicht nachgefragt werden.

Henrik Hasenkamp, Gridscale

„Lokale Cloud-Provider setzen oft auf allgemeine Standards und verringern Vertragslaufzeiten, indem sie ihr Abrechnungsmodell flexibel gestalten, etwa nach Zeit oder genutzter Rechenleistung.“

Henrik Hasenkamp, Gridscale

Ein weiterer Vorteil: Das Hauptgeschäft eines Cloud-Providers liegt im intelligenten Management und Betrieb von Rechenzentren. So können sie beispielsweise die entstehende Sekundärenergie effizient nutzen, indem sie damit ihre Gebäude heizen oder sie ins Netz einspeisen. Diese Weiterverwendung ist mit viel Aufwand und hohen Kosten verbunden, die sich gerade kleine und mittlere Unternehmen nicht leisten können – Cloud-Provider hingegen schon.

In dieser Hinsicht macht es keinen Unterschied, ob Unternehmen die Cloud-Lösung eines Hyperscaler oder von heimischen Anbietern nutzen, da sie ihre Rechenzentren auf die gleiche Art und Weise betreiben.

Wechseln wirkt Wunder

Seit einigen Jahren treten immer mehr kleine, regionale Anbieter in Konkurrenz zu den großen Tech-Giganten. Ein individueller Support und flexible Verträge machen es für europäische und deutsche Unternehmen attraktiv, die Services lokaler Provider zu nutzen.

Auch die größere Unterstützung bei Migration und Implementierung ist ein Argument, alternative Anbieter anstelle der weltweit agierenden Branchengrößen in Betracht zu ziehen. Ausschlaggebend ist in vielen Fällen vor allem der Datenschutz: Die berechtigterweise immer wieder kritisierten Beziehungen zwischen NSA und AWS, FBI und IBM können deutsche Unternehmerinnen und Unternehmer entspannt verfolgen, während ihre Daten sicher auf heimischen  Servern liegen.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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