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EU-Ökodesign-Verordnung: Was auf Software-Unternehmen zukommt

Effizienzsteigerung in den Bereichen Energie und Ressourcen wird künftig mit der EU-Ökodesign-Verordnung Pflicht. Für die Softwareentwicklung bedeutet das große Herausforderungen.

Die geplante Ökodesign-Verordnung der EU verspricht eine deutliche Neuausrichtung in der Unternehmenslandschaft sowie tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen. Seit 2005 legt die EU-Ökodesign-Richtlinie die grundlegenden Standards für Produkte innerhalb der EU fest.

Die neue Verordnung wird die bestehende Richtlinie von 2009 ablösen und ihren Anwendungsbereich erweitern, um strengere Anforderungen an die ökologische Nachhaltigkeit nahezu aller Waren, die in der EU gehandelt werden, festzulegen. Im Zuge der Verordnung sollen ein digitaler Produktpass eingeführt und klare Vorschriften für Transparenz und Verbraucherschutz festgelegt werden.

Durch diese Maßnahmen will die Europäische Kommission nachhaltigere Softwareentwicklung fördern und Elektroschrott reduzieren. Das Ziel ist ambitioniert: Bis 2030 soll in Europa jährlich Energie im Umfang von knapp 167 Terawattstunden eingespart werden. Umgerechnet würden europaweit so mehr als 46 Millionen Tonnen CO2 (CO₂) eingespart werden. Das entspricht ungefähr dem jährlichen Energieverbrauch Dänemarks.

Des einen Freud, des anderen Leid?

Die EU-Ökodesign-Verordnung verspricht Konsumenten primär eine erhöhte Qualität der Produkte, insbesondere eine längere Lebensdauer der Software, die smarten Produkten ihre Funktionalität verleiht. Dies bedeutet, dass Anwendungen widerstandsfähiger gegen Fehler und Systemabstürze sein werden, was insgesamt zu einer besseren Nutzererfahrung führt. Aktualisierungen und Updates werden auf ein Minimum reduziert, was nicht nur kosteneffizienter ist, sondern auch die Umweltbelastung durch die Herstellung neuer Software verringert. Und auch in Sachen Transparenz sind Verbesserungen zu erwarten: Nutzer können künftig viel einfacher Informationen über die Ressourceneffizienz einer Anwendung erhalten und dadurch umweltbewusstere Entscheidungen treffen.

Von Softwareherstellern verlangt die Verordnung jedoch eine erhebliche Umstellung. Entwicklungsprozesse müssen neu bewertet und gestaltet werden, um sicherzustellen, dass sowohl die Software als auch die damit verbundenen Produkte länger nutzbar sind und weniger Ressourcen verbrauchen. Zwar mag dies mit höheren anfänglichen Investitionen einhergehen, doch langfristig wird sich dies auszahlen: Beschwerden, Support-Anfragen und Software-Updates reduzieren sich aller Voraussicht nach deutlich, wenn Hersteller von Anfang an nachhaltiger entwickeln.

Das passende Werkzeug gibt es schon: Product Line Engineering

Die wohl größte Herausforderung, wenn es um die Langlebigkeit von Software und softwaregestützten Produkten geht, ist wohl die konstante Veränderung der jeweiligen Umgebung. Dies wird vor allem bei vernetzten Produkten schnell deutlich und erfordert eine fortwährende Anpassung und Aktualisierung, um stets auf dem aktuellen Stand zu bleiben.

Mit Blick auf die EU-Ökodesign-Richtlinie kann Product Line Engineering (PLE) eine bedeutende Rolle spielen. PLE ermöglicht Herstellern die Schaffung von Softwareproduktlinien, die auf gemeinsamen Kernkomponenten beruhen, jedoch gleichzeitig flexibel genug sind, um sich an sich wandelnde Umgebungen anzupassen. Durch diesen modularen Ansatz können Anbieter bereits heute nachhaltige Software entwickeln, die müheloser gewartet und aktualisiert werden kann. Automobilproduktion sowie Luft- und Raumfahrt setzen schon seit Jahren auf PLE. Der Vorteil für diese und andere Industrien besteht in einer von Anfang an nachhaltigen Softwareentwicklung, die den Bedürfnissen von Anwendern und Herstellern gerecht wird.

Längere Lebensdauer dank sinnvoller Investitionen

Zwei wesentliche Faktoren sorgen dafür, dass Produkte vorzeitig entsorgt werden müssen: Alterung und Fehler. Die Anwendung von PLE ermöglicht eine schnellere und effizientere Aktualisierung von Software sowie die Fehlerbehebung durch die Nutzung einer gemeinsamen Codebasis. So sinkt die Anzahl veralteter oder unbrauchbarer Produkte automatisch, was letztendlich zu einer Verringerung des ökologischen Fußabdrucks führt.

Durch die Möglichkeit, Produkte mit eingebetteter Software länger zu unterstützen und anzupassen, kann PLE dazu beitragen, dass sie auf dem Markt länger relevant bleiben und weniger schnell veralten. Auf diese Weise erhöhen Hersteller die Lebensdauer ihrer Anwendungen und leisten einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigeren Zukunft.

Der Einsatz von PLE erfordert zwar anfänglich höhere Investitionen in die Entwicklung einer flexiblen und modularen Codebasis, doch langfristig zahlt sich dies aus: Hersteller können ihre Kosten reduzieren, da sie weniger Zeit und Ressourcen für die Neuentwicklung von Software aufwenden müssen. Dies eröffnet ihnen die Möglichkeit, von nachhaltigen Produkten zu profitieren, die über einen längeren Zeitraum hinweg kontinuierliche Einnahmen generieren können.

Anpassungsfähigkeit ist der Schlüssel zur Ressourcenschonung

Die zentrale Idee hinter Product Line Engineering ist die maximale Wiederverwendung von Softwarebausteinen. Das bedeutet, dass Entwickler weniger Zeit und Ressourcen für die Neuentwicklung von Komponenten aufbringen müssen, da sie auf bereits vorhandene Module zurückgreifen können. So können Ressourcenverbrauch und der Energieaufwand für die Herstellung neuer Softwareprodukte reduziert werden.

Prof. Dr. Danilo Beuche, PTC

„ Die geplante EU-Ökodesign-Verordnung wird einen Wandel in der Art und Weise mit sich bringen, wie Software entwickelt, verwendet und gewartet wird. Endverbraucher können sich auf eine verbesserte Produktqualität und eine verlängerte Lebensdauer von Lösungen freuen.“

Prof. Dr. Danilo Beuche, PTC

Die sich fortwährend entwickelnden Softwareumgebungen, besonders im Kontext vernetzter Produkte, erfordern eine hohe Flexibilität. PLE ermöglicht es, Software und intelligente Produkte mühelos und anpassungsfähig an sich verändernde Umgebungen anzupassen, ohne von Grund auf neu entwickelt werden zu müssen. Dies führt zu einer Einsparung von Zeit und Ressourcen und reduziert den Bedarf an komplett neuen Produktionszyklen.

PLE bereitet den Weg zum Ökodesign

Die geplante EU-Ökodesign-Verordnung wird einen Wandel in der Art und Weise mit sich bringen, wie Software entwickelt, verwendet und gewartet wird. Endverbraucher können sich auf eine verbesserte Produktqualität und eine verlängerte Lebensdauer von Lösungen freuen. Hersteller stehen vor der Herausforderung, ihre Entwicklungsprozesse anzupassen, um nachhaltigere Anwendungen zu schaffen. Insgesamt wird die neue Regelung dazu beitragen, den ökologischen Fußabdruck der Softwareindustrie zu reduzieren und so langfristig positive Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt zu erzielen.

Product Line Engineering (PLE) ist der Schlüssel zur nachhaltigen Gestaltung von Software und smarten Produkten. In einer sich dynamisch entwickelnden Umgebung wird dieser Ansatz daher zu einem entscheidenden Werkzeug für die nachhaltige und kosteneffiziente Softwareentwicklung der Zukunft.

Über den Autor:
Prof. Dr. Danilo Beuche ist als VP of Strategy and Go-to-Market bei PTC tätig und ehemaliger CEO und Mitbegründer von pure-systems, einem Softwareunternehmen, das mit pure::variants eine Software für die Implementierung von Produktlinientechnologien in eingebetteten Softwaresystemen entwickelt hat. Danilo begann seine Karriere auf dem Gebiet der eingebetteten Betriebssysteme und Softwarefamilien Mitte der 90er Jahre. Seine Forschungen zur Werkzeugentwicklung für featurebasierte Softwareentwicklung an der Universität Magdeburg führten schließlich zur Gründung von pure-systems im Jahr 2001. Seit 2016 ist er zudem Honorarprofessor am Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI) der Universität Leipzig.

 

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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