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Die nächste Generation deutscher Datenfachkräfte ausbilden

Der Mangel an Fachkräften, die Daten richtig analysieren können, stellt Unternehmen und Institutionen vor große Herausforderungen. Wie lässt sich dieses Problem lösen?

Kompetenzlücken sind eine ständig wachsende Herausforderung für Unternehmen und staatliche Institutionen, die danach streben die erforderlichen Qualifikationen zu vermitteln, um wettbewerbsfähig und auf globaler Ebene relevant zu bleiben. Auch wenn die Kompetenzlücken in einigen Bereichen zurückgegangen sind, klaffen an anderer Stelle wieder neue Lücken auf.

Im Bereich von Data Analytics beispielsweise bestand der Mangel an technologischen Fähigkeiten im Bedarf an hochqualifizierten Data Scientists, die Analyseinitiativen leiten und datengestützte Erkenntnisse liefern. Heute zeigt sich diese Kompetenzlücke in einem Mangel an Fachkräften auf allen Ebenen. Diese sollten über die erforderlichen Fähigkeiten, Datenkenntnisse und zugänglichen Tools verfügen, um in einer zunehmend datengesteuerten Umgebung effektiv arbeiten zu können. 

Nach Angaben der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) meldet mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen derzeit Probleme bei der Besetzung von Stellen aufgrund des Fachkräftemangels. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der DIHK Achim Dercks spricht von „zwei Millionen vakant bleibenden Arbeitsplätzen“ sowie von Produktionsausfällen in Höhe von „fast 100 Milliarden Euro“.

Deutschland verdoppelt mittlerweile seine Anstrengungen zur Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte, um den Fachkräftemangel zu verringern. Bundeskanzler Olaf Scholz bekräftigt: „Wir wissen, dass wir unsere Zukunft, die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft und auch die Leistungsfähigkeit unserer sozialen Sicherungssysteme nur dann gewährleisten können, wenn wir über genügend Fachkräfte verfügen.“ Um ein Visum und damit eine Beschäftigung in Deutschland für Berufe in der Softwareentwicklung zu erhalten, ist nach den derzeitigen Regelungen jedoch der Abschluss eines vierjährigen Hochschulstudiums erforderlich.

Für deutsche Unternehmen, die im globalen Wettbewerb bestehen wollen, ist damit eines klar: In den nächsten zehn Jahren muss der Großteil des technischen Nachwuchses, also die nächste Generation deutscher Datentalente, intern an deutschen Schulen, Universitäten und in einzelnen Unternehmen ausgebildet werden.

Diskrepanz zwischen technischen Fähigkeiten und Bildung

Um die Jahrtausendwende waren die ersten echten Data Scientists Mathematiker, Physiker und Statistiker – Menschen, die manuell programmierten und Daten aus abgeschotteten Abteilungen zogen, um Geschäftserkenntnisse zu liefern. Data Science selbst ist noch eine junge Disziplin. Es braucht Zeit, Ressourcen und Lehrkräfte, um ein formales Ausbildungsprogramm von Grund auf neu aufzubauen.

Die Diskrepanz zwischen der aktuellen Technologielandschaft und den im Rahmen der formalen Bildung vermittelten Fähigkeiten stellt eine ständige Herausforderung dar. Wir befinden uns in einer der wichtigsten Phasen der Datenerstellung in der Geschichte. Unternehmen sind zunehmend bestrebt, Daten zu nutzen, um schnelle und genaue Entscheidungen zu treffen. Dieser Bedarf an Entscheidungsintelligenz und Datenerkenntnissen geht jedoch nicht mit der Anzahl qualifizierter Fachkräfte, die dem Arbeitsmarkt beitreten oder wieder beitreten, einher.

Unternehmen, die besser informierte Entscheidungen treffen müssen, benötigen genaue Daten als Grundlage für ihren Erfolg. Der effektivste Weg, diese Grundlage zu schaffen, ist der menschliche Faktor – indem den richtigen Personen die richtigen Tools zur Verfügung gestellt werden: Den Personen, die nicht nur über das geschäftliche Wissen verfügen, sondern auch über den Kontext hinter der Frage, die sie beantworten müssen.

Nachfrage versus Angebot – Data Scientists versus Entscheidungsintelligenz

Der Begriff Data Scientist ist wegen dieser frühen Sichtbarkeit in einem neuen Bereich in gewisser Weise zum Synonym für Data Analytics geworden, was auf eine gleichzeitige Verständnislücke in Unternehmen und unter Fachleuten der formalen Bildung zurückzuführen ist. Dies hat zu einem allgemeinen Missverständnis geführt, dass die Lösung für diese Herausforderungen der Datenanalyse in der Einstellung neuer hochqualifizierter Data Scientists liegt: Data Scientists, die in der Lage sind, die zur Steigerung des Geschäftswerts erforderlichen Lösungen manuell zu programmieren.

Tatsächlich aber wird diese Kompetenzlücke bei Data Analytics nicht dadurch behoben, dass man ausschließlich Programmieren lehrt. Die Lösung für diesen MINT-Fachkräftemangel liegt nicht bei Programmierern. Sie liegt bei nicht-MINT-Fachkräften, die sowohl neugierig auf Daten als auch datenkompetent sind.

Wenn man sich verirrt, bittet man auch nicht ein Data-Science-Team um eine Wegbeschreibung – man fragt beispielsweise eine Taxifahrerin oder einen Pizzaboten. Dieses Expertenwissen ist unersetzlich. Ganz ähnlich sollten auch nicht alle Lernenden Programmierer sein. Python macht niemanden zu einem herausragenden Data Analyst und sollte daher keine erforderliche Kompetenz für Datenanalysen darstellen. Wenn wir über Fachkräfte verfügen und diese mit zugänglichen Data Analytics Tools weiterbilden, können sie enger mit Data-Science-Teams zusammenarbeiten und – in vielen Fällen – ihre eigenen Probleme in ihrem eigenen Tempo lösen.

Libby Duane Adams, Alteryx

„Menschliche Intelligenz ist und bleibt entscheidend, wenn es darum geht, den Wert der riesigen Datenmengen zu erschließen, über die Unternehmen verfügen.“

Libby Duane Adams, Alteryx

Im digitalen Marketing, in der Personalabteilung, in der Buchhaltung, in der Logistik und in allen anderen Abteilungen eines Unternehmens gibt es heute eine Fülle von Daten und Fachleuten mit dem richtigen Kontext, die diese Daten in geschäftsförderndes Wissen umwandeln können.

Unternehmen sollten Programmieren dabei nicht als einzigen Weg zum Erfolg ansehen. Was wir stattdessen benötigen, ist eine Neuausrichtung auf Lehrkräfte. Diese sollten in der Lage sein, kreative Problemlösung mit einem Lehrplan zu unterrichten, der genau auf die Bedürfnisse der Lernenden zugeschnitten ist und sie auf ihrem zukünftigen Karriereweg unterstützt.

Kluft zwischen menschlicher Kreativität und technischen Fähigkeiten überbrücken

Menschliche Intelligenz ist und bleibt entscheidend, wenn es darum geht, den Wert der riesigen Datenmengen zu erschließen, über die Unternehmen verfügen. So können beispielsweise heterogene Teams aus abteilungsinternen Fachkräften einzigartige Einblicke in Datasets bieten und ihre eigenen Erfahrungen zur Bewertung von Verzerrungen nutzen, bevor Daten in ein Modell eingespeist werden. Darüber hinaus können sie auswerten, wie Daten zum Trainieren von Algorithmen verwendet werden. Diese Beschäftigten müssen keine vollwertigen Data Scientists werden – es gibt eine Vielzahl anderer Rollen und Spezialisierungen im Analyse-Universum.

Um das zu erkennen, genügt ein Blick in die Vergangenheit: Denn die wichtigsten datenbasierten Erkenntnisse der Geschichte wurden nicht von Data Scientists geliefert. Sie stammten von Fachkräften, die über die erforderliche praktische Erfahrung zur Identifizierung und Förderung von Veränderungen verfügten. Ein berühmtes Beispiel ist Florence Nightingale, die ihre Erfahrung genutzt hat, mit Gesundheitsstatistiken und Mathematik einen Zusammenhang zwischen Hygiene und besseren medizinischen Ergebnissen herzustellen. Das hat dazu beigetragen, den medizinischen Bereich zu revolutionieren und Leben zu retten.

Es wird immer eine große und oft übergreifende Nachfrage nach modernen technologischen Fähigkeiten geben. Doch da mehr Daten als je zuvor zur Verfügung stehen und es an qualifizierten Wissensarbeitern zur Verwaltung dieser Daten mangelt, können Unternehmen nur auf eine Weise erfolgreich sein: Sie müssen die Fähigkeit zur Lösung eines Problems in die Hände der Beschäftigten legen, die den größten Anreiz dazu haben, das Problem zu lösen.

Über die Autorin:

Libby Duane Adams ist Mitgründerin und Chief Advocacy Officer von Alteryx. Alteryx ermöglicht es Unternehmen weltweit, die Datenanalyse in ihren Organisationen für vielfältige Anwendungsfälle zu demokratisieren. Zuvor war Libby Duane Adams als Vertriebsrepräsentantin bei Strategic Mapping tätig und als Account Manager bei Donnelley Marketing Information Services.

 

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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