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Cybersicherheit mit Digital Forensics und Incident Response

Effektive Sicherheit bedeutet mehr als reine Abwehr – gefragt sind vorbereitete Prozesse, geübte Abläufe und der richtige Mix aus Prävention, Forensik und Incident Response.

Effektive Cybersicherheit ist kein einmaliges Projekt, sondern ein durchgängiger Prozess, wie ihn das NIST-Framework beschreibt – vom Erkennen von Risiken bis zur Wiederherstellung nach einem Vorfall. Schon mit einfachen Maßnahmen wie Multi-Faktor-Authentifizierung, dem Abschalten unsicherer Protokolle, Netzwerksegmentierung, restriktiver Rechtevergabe und gezielten Schulungen lassen sich große Schutzwirkungen erzielen.

Die Zahl der Cyberattacken auf deutsche Unternehmen bleibt nichtsdestotrotz auf konstant hohem Niveau: 81 Prozent geben an, dass sie 2024 von Datendiebstahl, IT-Kriminalität, Industriespionage oder Sabotage betroffen waren. Auch Angriffe auf Industrielle Steuerungssysteme (OT, Operational Technology) in Unternehmen betreffen laut dem OT-Bericht von Fortinet fast ein Drittel. Die Fähigkeit, Angriffe zu erkennen und schnell zu reagieren, wird dadurch immer wichtiger – etwa durch ein Security Operations Center (SOC), das Systeme kontinuierlich überwacht und Gegenmaßnahmen koordiniert. Kommt es dennoch zu einem Vorfall, sind DFIR (Digitale Forensik und Incident Response), manipulationssichere Logs und dokumentierte Zugriffsrechte entscheidend, um Ursachen zu klären und Schäden einzugrenzen.

Digitale Forensik in der Praxis

Täglich werden nach Angaben des BSI rund 70 neue Schwachstellen bekannt, die potenziell von Angreifern ausgenutzt werden können. Für die digitale Forensik bedeutet das in erster Linie, die konkrete Angriffsweise im jeweiligen Fall zu identifizieren. Zu den häufigsten Einfallstoren zählen dabei Phishing und Social Engineering, die Ausnutzung von Exploits und Zero-Day-Lücken, Angriffe über das Remote Desktop Protocol (RDP) sowie Manipulationen in der Lieferkette über Drittanbieter-Tools.

Die forensische Analyse erfolgt in mehreren Schritten. Nach einem Sicherheitsvorfall zählt zunächst die schnelle Isolierung der betroffenen Systeme, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern und den kompromittierten Status zu dokumentieren. Darauf folgt die Sicherung aller relevanten Daten: Forensik-Images von Festplatten und Netzwerken, RAM-Dumps zur Bewahrung flüchtiger Informationen sowie Hash-Werte zur Überprüfung der Datenintegrität. In der anschließenden Analysephase werden Protokolle wie Event- und Firewall-Logs ausgewertet, verdächtige Prozesse oder neu angelegte Konten untersucht und – sofern möglich – die eingesetzte Schadsoftware genauer analysiert. Abschließend richtet sich der Blick auf mögliche Strategien, um dauerhaft Zugriff zu behalten (Persistence), etwa versteckte Administrator-Konten, manipulierte Dienste oder geplante Tasks, mit denen Angreifer sich langfristigen Zugriff sichern.

Incident Response: Handlungsleitfaden für den Ernstfall

Die Incident-Response-Strategie kommt direkt nach dem Angriff zum Einsatz, noch bevor die Forensiker sich an ihre Arbeit machen. Der Ablauf folgt im Idealfall einem festgelegten Schema:

  1. Sofortmaßnahmen: Infizierte Systeme werden isoliert, kompromittierte Konten gesperrt und Passwörter geändert. Zudem wird geprüft, ob eine aktive Command-and-Control-Verbindung (C&C) zum Angreifer besteht.
  2. Schadensanalyse: Analysten prüfen, welche Daten und Systeme betroffen sind, ob Informationen abgeflossen sind und ob sich der Angriff über interne Zugänge wie VPN oder Remote-Desktop-Verbindungen (RDP) ausbreitet.
  3. Wiederherstellung: Expert bereinigen kompromittierte Systeme, spielen geprüfte Backups ein, setzen Systeme neu auf und schließen Sicherheitslücken mit Patches. Abschließend kontrollieren sie, ob noch Hintertüren oder versteckte Schadsoftware vorhanden sind.
  4. Meldung und Zusammenarbeit: Abhängig vom Vorfall gelten gemäß DSGVO Meldepflichten an Datenschutzbehörden und es empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit Strafverfolgern.
Martin Lutz, VINCI Energies

„Die größte Schwachstelle liegt häufig nicht in der Technik, sondern in fehlenden Strukturen. Ohne klare Pläne und eingeübte Kommunikation verzögern sich Reaktionen, Fehler nehmen zu und Schäden eskalieren. Wer seine Cyberresilienz nachhaltig stärken will, muss Prozesse vorbereiten, Abläufe trainieren und Verantwortlichkeiten eindeutig festlegen – ergänzt durch die passenden technischen und personellen Ressourcen.“

Martin Lutz, VINCI Energies

Welche Herausforderungen erschweren die Reaktion auf Angriffe?

Trotz Incident Response und Digitaler Forensik gibt es einige Herausforderungen, die es für Unternehmen nach einem Cyberangriff zu meistern gilt. Denn es besteht oft wenig Zeit, um zu reagieren. Ransomware verschlüsselt Systeme oft innerhalb weniger Minuten, während in vielen Organisationen Frühwarnsysteme wie SIEM oder XDR fehlen. Angriffe werden deshalb meist erst erkannt, wenn die Schäden bereits gravierend sind. Hinzu kommt: Unüberlegte Sofortmaßnahmen, etwa das Abschalten betroffener Systeme, können digitale Spuren vernichten und damit die forensische Aufklärung erheblich erschweren – insbesondere, wenn auch Datenschutzverstöße vorliegen und Beweise revisionssicher dokumentiert werden müssen.

Die technische Komplexität verschärft die Lage zusätzlich. Hybride Multi-Cloud-Architekturen mit isolierten Sicherheitslösungen erschweren den Überblick, während Angreifer auf verschleierte Methoden wie dateilose Malware, den Missbrauch von vorhandenen Systemwerkzeugen (Living off the Land, zum Beispiel PowerShell, WMI) oder verschlüsselte Kommunikation setzen. Gleichzeitig fehlen vielerorts erfahrene Fachkräfte für Incident Response und Digital Forensics. Interne Sicherheitsteams müssen neben ihren Alltagsaufgaben auch akute Vorfälle stemmen und stoßen im Ernstfall schnell an personelle Grenzen.

Fazit: Cybersicherheit strategisch angehen

Die größte Schwachstelle liegt häufig nicht in der Technik, sondern in fehlenden Strukturen. Ohne klare Pläne und eingeübte Kommunikation verzögern sich Reaktionen, Fehler nehmen zu und Schäden eskalieren. Wer seine Cyberresilienz nachhaltig stärken will, muss Prozesse vorbereiten, Abläufe trainieren und Verantwortlichkeiten eindeutig festlegen – ergänzt durch die passenden technischen und personellen Ressourcen. Besonders in komplexen IT-/OT-Umgebungen lohnt es sich, auf spezialisierte Partner zu setzen. Gemeinsam mit externen Dienstleistern wie Axians lassen sich so maßgeschneiderte Sicherheitsstrategien entwickeln, die präventive und reaktive Maßnahmen optimal kombinieren und auch in hybriden oder hochvernetzten IT-/OT-Umgebungen greifen.

Über den Autor:
Martin Lutz ist CISO bei VINCI Energies DACH & CEE ICT.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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