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Wie künstliche Intelligenz bei Disaster Recovery hilft

KI kann durch die Auswertung sehr unterschiedlicher Datenquellen und eine Synthese ihrer Erkenntnisse dazu beitragen, sich anbahnende IT-Katastrophen rechtzeitig zu erkennen.

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) gehört heute ganz selbstverständlich zu den Reaktionsmaßnahmen bei einem IT-Desaster. Ausgefeilte KI-Tools helfen Organisationen, eine Reihe kritischer Aufgaben zu bewältigen. Dazu gehören die Identifikation, Absonderung und Entfernung potentiell kompromittierter Daten nach einem Sicherheitszwischenfall oder der Aufbau eines Benachrichtigungssystems für den Notfall.

Adnan Masood, Chefarchitekt des Beratungsunternehmens UST, das sich auf KI und maschinelles Lernen spezialisiert hat, glaubt, dass KI auch bei der Automatisierung des IT-Service, der Datenwiederherstellung und der Disaster Recovery selbst helfen kann. Zudem ist KI in der Lage, die proaktive Verhinderung kritischer Situationen zu unterstützen – etwa, indem entsprechende Systeme rechtzeitig vor dem Eintreffen einer Gefahr warnen.

Im Fall eines IT-Desasters kann KI auf verschiedene Weise helfen. Die Technologie hat aber auch ihre Grenzen.

Die Grundfähigkeiten der KI bei der Disaster Recovery

KI wird durch Kriseninterventionsteams bereits verwendet, um den Status potentieller und aktueller Bedrohungen genau zu überwachen. Beispielsweise liefert mit KI verstärkte Computervision-Technologie ausgezeichnete Leistungen bei der Erdbeobachtung. Dazu gehören auch das Erkennen von Objekten und die langfristige Überwachung ganzer Gebiete. KI-Modelle lassen sich an Klimamodelle anbinden, um beispielsweise bevorstehende Wetterkatastrophen wie Stürme, Hitzewellen oder Dürren zu prognostizieren.

Gerüstet mit solchen Daten, können Anwender proaktiv Entscheidungen treffen, die Schäden verhindern – etwa zusätzliche Vorräte anlegen oder alternative Versorgungswege andenken. Auch die vorbeugende Verlagerung von Aktivitäten, etwa des Rechenzentrumsbetriebs, an einen Ausweichstandort ist möglich.

„Automatisierung und KI gemeinsam können die Bildanalyse beschleunigen und vereinfachen“, sagt Appu Shaij, CEO und Chefwissenschaftler bei Mobius Labs. Das Unternehmen ist darauf spezialisiert, Algorithmen mit visueller Intelligenz zu entwickeln. Laut Shaij ist die Analyse gesammelter Daten sehr herausfordernd und erfordert viel manuelle Verarbeitung. „Wenn man erkennt und analysiert, wie Objekte sich bewegen, kann man beispielsweise sehen, wie sich ein Waldbrand oder eine Flut ausbreiten. Diese Erkenntnisse können dann in die Bekämpfung solcher Katastrophen einfließen oder darin, rechtzeitig zu warnen.“

Andererseits beschränken sich die analytischen Fähigkeiten und Möglichkeiten der KI derzeit auf nachträgliche Analysen, sprich: Analysiert wird erst, wenn schon etwas passiert ist. „Obwohl auch das eine Menge Erkenntnisse bringt, ist das Ziel, potentielle Desaster vorherzusehen. Das schafft die Technologie derzeit aber noch nicht.“

Vorteile der KI für die Reaktionsmaßnahmen bei einem Desaster

Bei der Reaktion auf Desaster sind die wichtigsten Vorteile der KI ihre Geschwindigkeit, Skalierbarkeit und Verarbeitung nahezu in Echtzeit, sofern die Rechenressourcen dazu ausreichen. „Das hilft den Organisationen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Denn meistens ist die Situation bei einem Desaster hochkomplex“, sagt Dan Simion, Vice President bei Capgemini und zuständig für die Beratung von Unternehmen und IT-Abteilungen zu Fragen von KI und Analytik. „In so einer Situation müssen kritische Entscheidungen sofort getroffen werden.“

Durch ihre Fähigkeit, schnell große Datenmengen aufzunehmen und zu verarbeiten, kann KI eine wichtige Rolle dabei spielen, lauernde potentielle Bedrohungen zu erkennen. Beispielsweise können solche Systeme als hochzuverlässige Frühwarnlösungen bei der Wetterprognose, in der Landwirtschaft, auf Finanzmärkten oder sogar in der Geopolitik übernehmen.“

KI vereinigt unterschiedliche Datensätze und Datenquellen mit unterschiedlicher Herkunft. „Alle diese Daten werden als ein Gesamtstrom zusammengeführt und analysiert, um Prognosen bereitzustellen“, sagt Chuck Everette, Director of Cybersecurity Advocacy beim Cybersecurity-Spezialisten Deep Instinct.

KI ist besonders gut darin, die richtigen Reaktionen auf Zwischenfälle zu empfehlen. Organisationen können daher ihren Businesss-Continuity-Plan um eine KI-getriebene automatisierte Reaktions-Engine ergänzen. Laut Everette lasse sich damit besser vorhersagen, wo Ressourcen und Wiederherstellungsversuche am dringendsten benötigt werden. „Solche Systeme helfen dabei, Entscheidungen zu treffen und kritische Pfade dafür zu erkennen, wie man den Betrieb so schnell wie möglich wieder zum Laufen bringt,“ berichtet er. „KI ist von unschätzbarem Wert dabei, schnelle Empfehlungen für die schnellstmögliche Wiederherstellung zu bekommen.“

Die Grenzen der KI-verstärkten Disaster Response

Die größte Herausforderung und Begrenzung, der sich KI gegenübersieht, besteht darin, nur aus den eingegebenen Daten lernen zu können. KI ist völlig abhängig von diesen Daten. „Man muss die mathematischen KI-Algorithmen als Rezept verstehen. Die Daten sind die Zutaten. Sind sie falsch oder reichen sie nicht aus, dann ist auch die KI-Plattform unbrauchbar,“ erklärt Everette.

KI kann ganz einfach nicht für sich selbst denken. Man braucht noch immer menschliche Forschung und Kreativität. „Wegen der großen Mengen an Daten, die KI braucht und des Einsatzes von viel Hardware, Software und Energie für das KI-Training war das bislang sehr teuer,“ sagt Everette. Mehr Daten bedeuten mehr Platzbedarf und damit natürlich auch mehr Stromverbrauch. „Das führt insgesamt zu Kostensteigerungen,“ warnt Everette.

Um die bestmögliche Leistung und Zuverlässigkeit einer solchen Lösung zu erreichen, muss es gut trainiert sein. Beim Aufbau eines passenden KI-Modells sollte das System erkennen, wie eine potentielle Katastrophe ablaufen könnte. Nur so kann es „normale“ Unordnung von einer wirklich desaströsen Situation unterscheiden. Allerdings ist das leichter getan als umgesetzt. „Ein Nachteil von KI bei der Disaster Recovery ist das Training der Modelle. Es ist sehr schwierig, die Modelle dazu zu bringen, ein Desaster richtig zu interpretieren,“ sagt Simion.

Ausblick

KI wird bei der Disaster Recovery wichtiger werden, glaubt Simion. „Je genauere Vorhersagen die Technologie machen kann, desto mehr wird sich KI ausbreiten.“

Zudem werden Technologien wie Augmented und Virtual Reality ständig verbessert. Sie können bei der Konstruktion realitätsnaher Modelle helfen. Dann könnten die DR-Teams von Unternehmen stärker visuell und damit realistischer lernen und trainieren, prognostiziert Simion.

Mit den weiteren Fortschritten der KI-Technologie erwarten Analysten, dass zunehmend auch proaktive Analysen verfügbar und breit eingesetzt werden. „Dann könnte man Katastrophen genau im Vorhinein prognostizieren, so dass angemessene Vorwarnungen und vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden können, bevor die Katastrophe eintritt,“ sagt Shaji. „Allerdings muss bis dahin noch viel geforscht werden.“

Grundsätzlich neue Bedrohungen kann KI möglicherweise gar nicht erkennen. Denn so lange Desaster sich im Rahmen des Bekannten halten – also Brände, Hochwasser, Stromausfälle oder Ransomware – kann man aus vergangenen Daten lernen. Doch bei etwas grundsätzlich Neuem, zu dem das System bisher noch keine Daten erhalten hat, wird es schwierig. Denn selbständig denken und schlussfolgern kann auch die beste KI nicht.

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