Warum die DATEV Datenbanken immer noch auf Mainframes betreibt

Die DATEV setzt mit ihrem Kundenstamm seit Jahrzehnten auf Mainframes. Wichtiges Entscheidungskriterium dafür ist das Kosten-/Leistungsverhältnis.

Die DATEV ist seit Jahrzehnten im Outsourcing-Geschäft aktiv: Sie übernimmt für ihre Mitglieder aus Steuerkanzleien, Wirtschaftsprüfungsbüros, Verwaltung und Unternehmen Lohnabrechnungen, Buchhaltung oder Steuerabrechnungen. In ihr Nürnberger Rechenzentrum werden alle benötigten Mandantendaten über das Internet (früher per Diskette oder CD-ROM) geschickt und anschließend verarbeitet. Steuerberater und andere Kunden müssen sich nicht selbst um die komplizierten IT-Auswertungen kümmern.

Von IBM wird die DATEV gerne als Vorzeigekunde für die langjährige Nutzung des Mainframes präsentiert. Lothar Lux, Mitglied der DATEV-Geschäftsleitung und für sämtliche Aktivitäten rund um Rechenzentrum und Mainframe verantwortlich, sieht das etwas nüchterner. Lux schätzt sein Unternehmen als erfahrenen Kunden ein, der durchaus auf Augenhöhe mit IBM diskutieren könne.

Lothar Lux, DATEVLothar Lux, Mitglied der Geschäftsleitung der DATEV eG und verantwortlich für die IT und das Rechenzentrum, sieht die Zukunft des IBM-Mainframe realistisch. Solange das Kosten-/Leistungsverhältnis stimme, werde man dieser Technologie treu bleiben.

Auf die Frage, warum die DATEV – anders als andere Unternehmen – noch immer bei der Stange bleibe und auf den Mainframe setze, verweist Lux auf die klassischen Rechenzentrums-Anwendungen wie Rechenwesen, Lohn oder Steuern. Diese seien so aufgebaut, dass sie eine sehr stabile Datendrehscheibe bräuchten: Hier habe sich der Mainframe über die Jahre wegen seines I/O-Verhaltens und seiner hohen Auslastbarkeit eindeutig bewährt. Lux spricht von dem „Non-plus-Ultra“ auf diesem Gebiet und lobt besonders das Workload-Management des Systems.

Momentan gäbe es angesichts dieser Pluspunkte keine vergleichbare Plattform von Interesse für sein Unternehmen. Interessant ist in diesem Zusammenhang das kleine Wörtchen „momentan“. Wer genau hinhört, kann in dem Gespräch, das Lux mit SearchDataCenter führte, immer wieder dezent versteckte Hinweise dazu hören, dass man bei der DATEV sehr genau den IT-Infrastrukturmarkt beobachtet und immer wieder sehr genau mögliche Alternativen zum Mainframe prüft.

Kontinuierliche Verbesserungen beim IBM-Mainframe

Bis jetzt würde es IBM auch immer wieder gelingen, im I/O-Verhalten zuzulegen. Ob es auf lange Sicht so weitergehen kann, wisse man nicht, aber bis jetzt habe es immer sehr gut geklappt. Bei den Online-Anwendungen und bei Websphere setzt die DATEV darüber hinaus auch Power-Unix-Systeme von IBM ein, und andere Software läuft auf x86-Systemen. Insofern ist man kein reiner Mainframe-Shop, sondern durchaus vielseitig aufgestellt – je nach den Anforderungen an I/O, Performance, Security oder entsprechend einem allgemeinen Kosten-/Nutzen-Kriterium.

DATEV-Rechenzentrum
Das DATEV-Rechenzentrum stützt sich nicht nur auf die Mainframe-Architektur, sondern ist sehr breit aufgebaut.

Oft läuft es inzwischen so, dass moderne Lohn-oder Elster-Anwendungen auf Unix-Systemen liegen, die dazugehörigen Datenbanken aber nach wie vor auf dem Mainframe aktiv sind. Lux betont, dass man regelmäßig überprüfe, ob solche Lösungen mit zwei Systemen noch zeitgemäß seien und insbesondere eine DB2-Datenbank weiterhin auf dem Großrechner laufen müsse. Wer den Einsatz von Mainframes als statisch mit vor sich hinlaufenden Altanwendungen interpretiere, hätte allerdings ein falsches Verständnis von der Arbeit im Rechenzentrum.

Sogar Cloud auf Mainframe ist laut Lux heute möglich. So könnten zum Beispiel die Mandanten eines Steuerberaters ihre Daten direkt über das Internet bei der DATEV einspielen, der (Um)Weg über den Steuerberater sei nicht mehr nötig. Das gelte auch für eingescannte Belege, auf die das Steuerbüro dann „in der Wolke“ zugreife. Die DATEV nennt solche Verfahren „Unternehmen online“. „Arbeitnehmer online“ stellt ein ähnliches Angebot bereit.

Vor etwa 15 bis 20 Jahren war die DATEV auch einmal Comparex- und Siemens-Kunde auf dem Mainframe-Sektor. Man setzte Hardware von diesen Herstellern ein, bis die Systeme dann allmählich vom Markt verschwanden. Mit Interesse hatte man damals beobachtet, dass Siemens beziehungsweise Fujitsu-Siemens noch ein IBM-kompatibles Mainframe-Betriebssystem herausbringen wollten. Die auch von der DATEV im Prinzip angestrebte Zwei-Hersteller-Politik war mit dem Verschwinden der genannten Hersteller aber nicht mehr möglich gewesen.

Mit der faktisch gegebenen Lock-in-Situation beim Mainframe versucht die DATEV laut Lux so umzugehen, dass man gegenüber dem Hersteller kein Blatt vor den Mund nehme. Man sehe und schätze die Vorteile des Mainframes, versuche aber sehr deutlich zu machen, dass man bei neuen Applikationen selbst bestimmen werde, auf welcher Plattform sie letztendlich laufen. Man habe durchaus Möglichkeiten, Druck von Kundenseite aus aufzubauen.

Vergessen, so Lux, dürfe man darüber nicht, dass IBM durchaus Gelegenheiten einräumt, bei der weiteren Entwicklung der Mainframe-Technologie auf Hard-und auf Software-Seite als Kunde mitzureden – gerade auch im Vergleich zu anderen Herstellern. Lux rühmt die guten Connections in die Labors in den USA oder auch in Böblingen. Man werde dort ernst genommen.

Als Forum für den Erfahrungsaustausch diene auch die Anwendervereinigung GSE, vor allem mit anderen großen Unternehmen. Die Zukunft der Mainframe-Technologie bei IBM sieht Lux insgesamt realistisch. Ihm ist bewusst, dass der Konzern immer wieder Abteilungen abgestoßen hat, wenn sie nicht mehr den eigenen Profiterwartungen entsprochen haben – von elektrischen Schreibmaschinen über Telefonanlagen bis hin zu PCs und x86-Servern. Aus seiner Erfahrung heraus glaubt er aber, dass die Gewinnmargen bei Mainframes noch ganz gut seien. Er mache sich keine Sorgen, dass IBM auch hier bald das Feld räumen werde. Die Margen seien für einen Verkauf schlichtergreifend zu gut. Lux muss es schließlich wissen, was sein und andere Unternehmen regelmäßig so an den Monopolisten IBM „abdrücken“.

Mit anderen Worten: Cash Cows tötet man nicht so einfach.

 

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