Robotic Process Automation: Was lässt sich automatisieren?

Robotic Process Automation (RPA) boomt, doch der Hype kühlt ab. Eine kritische Bestandsaufnahme, wie weit die Technologie ist und wo sie zum Einsatz kommt.

Kaum ein Monat vergeht, in dem die Wachstumsprognosen von Robotic Process Automation (RPA) nicht angehoben werden. Neue Start-ups drängen auf den Markt und etablierte Spezialanbieter eilen von einem Umsatzrekord zum nächsten.

Laut Gartner liegt UiPath mit einem Umsatz von 114,8 Millionen Dollar und einem Marktanteil von 13,6 Prozent auf Platz eins bei den RPA-Anbietern. Inzwischen ist das Unternehmen sieben Milliarden Dollar wert und die Nummer eins im Magic Quadrant for Robotic Process Automation Software.

Dahinter folgt Automation Anywhere. Die Kalifornier hatten im letzten Jahr einen Umsatz von 108,4 Millionen Dollar und verfügen über einen Marktanteil von 12,8 Prozent. Ebenfalls Leader im Gartner Magic Quadrant ist Blue Prism (siehe Abbildung 1). Insgesamt wurden 2018 846 Millionen Dollar umgesetzt. Im laufenden Jahr soll dieser Wert um 90 Prozent auf rund 1,6 Milliarden Dollar anwachsen. Wie man in der Gartner-Grafik sehen kann, beherrschen insbesondere kleine Spezialanbieter den Markt.

: Die aktuellen Unternehmen im Gartner Magic Quadrant for Robotic Process Automation Software.
Abbildung 1: : Die aktuellen Unternehmen im Gartner Magic Quadrant for Robotic Process Automation Software.

90 Prozent der Bürojobs lassen sich automatisieren

Doch auch wenn die Anbieter nicht besonders groß sind, versuchen sie ihren Prognosen und Geschäftsmodellen Gehör zu verschaffen. Automation Anywhere CEO Mihir Shukla geht zum Beispiel davon aus, dass 90 Prozent aller momentanen Bürojobs automatisiert werden können. Gleichzeitig prognostiziert er, dass 30 Prozent der Jobs heute noch gar nicht existieren, da sie erst als Folge der einsetzenden Automatisierung entstehen.

„RPA ist eine Technologie, die unsere gesamte Arbeitswelt transformieren wird, vergleichbar mit dem Internet und dem Smartphone“, sagt Shukla über das neue Anwendungsfeld.

Die Kernelemente von RPA sind Bots. Das Wort ist eine Kurzform von Robot. Unzählige Bots wurden inzwischen entwickelt, mit denen sich Tausende Aufgaben vereinfachen, beschleunigen oder sogar ersetzen lassen. Die meisten Bots haben die Anwender selbst entwickelt, nur wenige sind so umfangreich und komplex, dass sie nur von erfahrenen Programmierern erstellt werden können.

Ein solcher Bot ist Telefonverkäufer bei der US-Versicherungsgesellschaft Geico. Basierend auf den Tools von Automation Anywhere und IBM Watson hat das Unternehmen einen Bot entwickelt, der einfache Versicherungspolicen am Telefon verkaufen kann.

Der Bot kann zum Beispiel bestehende Versicherungen erweitern, eine Änderung des Fahrzeugtyps in einer KFZ-Police vornehmen sowie diese entsprechend der Fahrleistung und Fahrzeugnutzung anpassen. Die Kommunikation erfolgt in natürlicher Sprache. Kunden merken dabei nicht, dass sie sich mit einem Roboter verständigen.

Plattformen und Bot Stores

Die meisten Bots werden jedoch von Sachbearbeitern selbst entwickelt. Die Folge ist, dass sich die auf diesem Gebiet aktiven Anbieter inzwischen auf die Bereitstellung und Pflege entsprechender Plattformen konzentrieren. Ergänzt wird dies mit Ausbildungsangeboten und einem API-System zur Einbettung der Bots in Business-Software.

Neu hinzukommen derzeit Bot Stores. Automation Anywhere, Blue Prism und UiPath sind in diesem Bereich aktiv. Das Geschäftsmodell ähnelt den App Stores bei Mobilgeräten. Zum Beispiel verlangt Automation Anywhere 30 Prozent des darüber generierten Umsatzes, die anderen 70 Prozent gehen an den Partner, der den Bot entwickelt und anbietet. Die größte Anwendergruppe sind Finanzdienstleister und Banken.

Die Grenzen des Machbaren

Doch wie so häufig bei neuen Technologien, folgt auch bei RPA auf den Hype die Ernüchterung. „Wer glaubt, RPA ist wie der Zauberstab von Harry Potter, mit dem sich alle Probleme im Handumdrehen lösen lassen, der irrt sich“, sagt Cathy Thorbohm, Analystin bei Gartner. Sie weist insbesondere darauf hin, dass alle RPA-Projekte durch die Genehmigungs- und Prüfroutinen der IT-Abteilung gehen müssen. „Die meisten Bots müssen mit anderen Anwendungen problemlos kommunizieren können, und sie dürfen kein Sicherheitsrisiko darstellen.“

Pegasystems hat zur Umsetzung von RPA-Projekten eine Umfrage erhoben. Danach sagen rund die Hälfte der befragten Unternehmen, dass das Deployment von Bots wesentlich schwieriger ist, als ursprünglich angenommen. Typischerweise dauert es 18 Monate, bis ein Bot das macht, wofür er konzipiert wurde.

Das Beratungshaus Ernst & Young (EY) hat sich ebenfalls mit den Problemen von RPA-Projekten befasst. „30 bis 50 Prozent aller RPA-Projekte gehen den Bach runter“, sagt Neil MacLean, Partner bei EY. Laut seiner Analyse liegen die Ursachen in den Bereichen, die man mit RPA umschiffen wollte. „Einer der Hauptfehler bei RPA-Projekten ist, dass man es nur als ein reines IT-Projekt betrachtet“, sagt MacLean.

Außerdem gibt es noch technologische Grenzen. RPA-Software kann derzeit gut mit strukturierten Daten operieren. Zum Beispiel können sich Bots bei einem Rechnungseingang selbstständig weitere Informationen innerhalb der IT-Infrastruktur beschaffen. Dies erreichen sie über Datenbankabfragen oder Abfragen an ERP- und CRM-Systemen. Die Bots können diese Abfragen autark generieren und verstehen normalerweise auch die Antworten. Doch das alles funktioniert (noch) nicht mit unstrukturierten Daten. Frei formulierte Rechnungen, Briefe oder E-Mails zeigen schnell die Grenzen der heutigen Bot-Nutzung auf.

Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Und dann sind da noch die Arbeitsplatz- und Arbeitsmarktprobleme. Das Motto von UiPath lautet: Ein Roboter für jede Person! Das kann man entweder so interpretieren, dass jeder Mitarbeiter einen Roboter-Kollegen erhält – oder durch einen Roboter ersetzt wird.

Seitens der Arbeitnehmerorganisationen gibt es bisher keine offiziellen Stellungnahmen zum Thema, doch innerhalb der Unternehmen wird immer wieder über potenzielle Arbeitsplatzverluste diskutiert.

„In vielen Köpfen herrscht die Angst, dass RPA die Arbeitsplätze übernimmt. Das ist jedoch häufig eine falsche Sichtweise auf das Thema. Bei RPA handelt es sich um eine Technologie – nicht mehr und nicht weniger. Wie und zu welchem Zweck diese eingesetzt wird, liegt in der Hand des Unternehmens“, sagt Alexander Steiner, Chief Solution Architect bei Meta:proc.

Die Arbeitsplatzsorgen scheinen bislang unbegründet, denn es gibt keine Berichte über massiven Stellenabbau aufgrund von RPA. Ganz im Gegenteil: Derzeit führt RPA zu mehr, statt zu weniger Arbeitsplätzen. Nach Angaben des IT-Jobportals Technojobs sind die Angebote für RPA-Jobs in den letzten zwei Jahren um den Faktor 15 angestiegen.

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