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AWS-Studie 2025: Deutsche Unternehmen werden zu KI-Pionieren

Eine AWS-Studie zu KI in Deutschland zeigt, dass Firmen Umsatz und Produktivität steigern können, doch fehlende Experten und hohe Compliance-Kosten das volle Potenzial bedrohen.

Die deutsche Wirtschaft erlebt einen stillen Wandel. Jeden Tag entscheiden sich mehr Unternehmen dafür, künstliche Intelligenz (KI) in ihre Geschäftsprozesse zu integrieren – von der Automobilindustrie bis zum Mittelstand, von etablierten Konzernen bis zu innovativen Start-ups. Was vor wenigen Jahren noch als Zukunftstechnologie galt, ist heute schon Geschäftsalltag geworden, wie die Studie „Unlocking Germany’s AI Potential 2025“ von Amazon Web Services (AWS) zeigt. Die zugrunde liegenden Daten stammen aus einer Befragung von 1.000 deutschen Führungskräften durch das Forschungsinstitut Strand Partners.

Die Zahlen der Studie zeichnen einen deutlichen Trend: Deutschland entwickelt sich zum führenden KI-Standort für Unternehmen in Europa. Mit einer Adoptionsrate von 53 Prozent liegt die Bundesrepublik deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 42 Prozent. Das Wachstum ist erstaunlich: 47 Prozent mehr Unternehmen nutzen KI als noch vor einem Jahr. Über 600.000 Unternehmen haben 2024 erstmals KI eingeführt. Doch hinter den reinen Zahlen verbirgt sich eine differenzierte Realität.

Interessante Erfolge, aber ungleiche Entwicklung

Die wirtschaftlichen Auswirkungen von KI-Technologien sind in Deutschland bereits messbar. 96 Prozent der Befragten berichten von einer durchschnittlichen Umsatzsteigerung von 34 Prozent. Ein mittelgroßes Unternehmen mit 50 Millionen Euro Jahresumsatz könnte zusätzliche 17 Millionen Euro durch KI-Integration generieren. Die Produktivitätssteigerungen sind ebenfalls erheblich: 80 Prozent sparen durch die Technologie etwa 21 Stunden pro Woche ein. Diese Zeit fließt in die Verbesserung des Kundenservices (66 Prozent), die Mitarbeiterentwicklung (49 Prozent) und Innovationen (47 Prozent).

„Deutsche Startups erweisen sich als Vorreiter der KI-Transformation“ erklärt Jonathan Weiss, Managing Director Amazon Development Center Germany. „Wir sehen, dass bereits 45 Prozent neue KI-basierte Produkte auf den Markt gebracht haben und 33 Prozent kombinieren verschiedene KI-Tools für komplexe Aufgaben und übertreffen damit den europäischen Durchschnitt von 26 Prozent.“

Die Hälfte der Studienteilnehmer nutzt KI gezielt in der Forschung und Entwicklung, 61 Prozent haben KI-basierte Kundenservicelösungen implementiert. 88 Prozent sehen Europa im globalen Vergleich als wettbewerbsfähigen Hub für innovative Unternehmen.

Bei etablierten Unternehmen zeigt sich ein zwiespältiges Bild. Zwar haben 65 Prozent der Großunternehmen KI eingeführt, doch 71 Prozent konzentrieren sich auf grundlegende Anwendungen wie Effizienz- oder Produktivitätssteigerungen. Nur acht Prozent setzen auf fortschrittlichste KI-Anwendungen, der europäische Durchschnitt liegt bei 14 Prozent. Auch kleine und mittlere Unternehmen bleiben zurück: 60 Prozent nutzen KI nur für grundlegende Zwecke. Diese Entwicklung birgt die Gefahr einer Zweiklassenwirtschaft, in der Start-ups durch innovative KI-Nutzung davonziehen.

Zwischen Potenzial und Realität: Die KI-Hindernisse

Trotz sehenswerter Erfolge stehen deutsche Unternehmen vor erheblichen Herausforderungen, die das volle Potenzial der KI-Transformation behindern. Die Studie identifiziert einige zentrale Hindernisse, die dringend angegangen werden müssen.

„Der Fachkräftemangel erweist sich als größtes Problem,“ sagt AWS-Director Weiss. „Hier sehen 48 Prozent der Unternehmen fehlende Kompetenzen als Hindernis für eine stärkere KI-Einführung. Und 56 Prozent geben an, dass der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften Innovationen behindert, 45 Prozent sehen dadurch ihr Unternehmenswachstum gefährdet. Da für 51 Prozent der neuen Arbeitsplätze in den kommenden drei Jahren KI-Kenntnisse erforderlich sein werden, ist das besonders kritisch.“

Deutsche Unternehmen kämpfen zudem mit hohen Regulierungskosten. Die Umfrage ergab, dass 44 von 100 Euro ihrer Technologieausgaben in Compliance-Kosten fließen – von Datenschutz über die Klassifizierung und Überwachung bis hin zur Dokumentation von KI-Systemen zur Erfüllung von Transparenz- und Risikoanforderungen. 81 Prozent der Unternehmen berichten, dass diese Ausgaben in den letzten drei Jahren gestiegen sind, 79 Prozent erwarten weitere Steigerungen.

„Die regulatorische Unsicherheit verschärft die Situation,“ so Weiss. „Ganze 63 Prozent der befragten Unternehmen verstehen ihre Verantwortlichkeiten und Aufgaben unter dem KI-Gesetz der Europäischen Union (EU) nicht vollständig, so die Studie. Und auch 60 Prozent der Start-ups geben an, dass regulatorische Unsicherheiten ihre KI- und Technologiestrategien verzögert oder verändert haben.“

Darüber hinaus ergab die Umfrage, dass 38 Prozent der Unternehmen externe Beratung für Compliance-Fragen benötigen. Paradoxerweise nutzen bereits 26 Prozent der Unternehmen KI zur Automatisierung von Compliance-Prozessen – ein Zeichen dafür, dass die Technologie selbst Teil der Lösung sein könnte.

Drei-Punkte-Plan für Deutschlands KI-Zukunft

„Wir empfiehlt deutschen Entscheidungsträgern einen strategischen Drei-Punkte-Plan, um die identifizierten Hindernisse zu überwinden,“ sagt Jonathan Weiss. „Der erste Schwerpunkt liegt auf einem wachstumsfördernden regulatorischen Umfeld. Die Bundesregierung könnte die Compliance-Kosten senken, die derzeit fast die Hälfte aller IT-Ausgaben ausmachen, und klarere KI-Governance-Richtlinien schaffen. Verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten und Anreize für Forschung und Entwicklung würden Unternehmen zudem ermutigen, über Pilotprojekte hinauszugehen.“

Der zweite Punkt zielt laut Weiss auf genau eine solche KI-Innovationsförderung in Unternehmen aller Größen ab. Besonders Großunternehmen benötigen Unterstützung für ehrgeizigere Strategien. Steuerliche Anreize, Förderprogramme und Innovationszentren könnten die Risikobereitschaft stärken und Kooperationen zwischen etablierten Konzernen, Startups und Forschungseinrichtungen fördern. 71 Prozent der Unternehmen bezeichnen die Verbesserung des Zugangs zu privater und staatlicher Finanzierung als entscheidend.

Jonathan Weiss, AWS

„Unsere Studie zeigt, dass kleine und mittlere Unternehmen zurück bleiben: 60 Prozent nutzen KI nur für grundlegende Zwecke. Diese Entwicklung birgt die Gefahr einer Zweiklassenwirtschaft, in der Startups durch innovative KI-Nutzung davonziehen.“

Jonathan Weiss, AWS

Der dritte Punkt betrifft Investitionen in KI-Kompetenzen. 58 Prozent der Unternehmen halten diese in den kommenden fünf Jahren für entscheidend. „Deutschland sollte einen positiven Wachstumskreislauf aus digitaler Transformation und qualifizierten Arbeitskräften etablieren“, meint AWS-Director Weiss. „Die Digitale Strategie 2025 der Bundesregierung sieht Bildung als tragende Säule des Wandels – von innovativer KI-Forschung an Universitäten bis zur Integration von KI-Kompetenzen in die Berufsausbildung.“

Praxisbeispiel: KI entlastet Pflegekräfte

Das Münchner HealthTech-Start-up CareMates zeigt, wie erfolgreich KI in der Praxis eingesetzt werden kann. Bis zu 83 Prozent der Pflegekräfte berichteten, dass ihnen im Alltag nicht genug Zeit bleibe. Daher entwickelte das Unternehmen eine KI-gestützte Lösung, die administrative Aufgaben in der Pflege automatisiert. CareMates erstellt mit wenigen Klicks Vorschläge für individuelle Pflegepläne und reduziert auf diese Weise den Verwaltungsaufwand um 80 Prozent. Die Lösung erfüllt höchste Datenschutzanforderungen und gibt Pflegekräften Zeit für das Wesentliche zurück: die direkte Patientenversorgung. Aktuelle Schätzungen zeigen, dass Cloud-basierte KI 2023 über neun Milliarden US-Dollar zum deutschen Bruttoinlandsprodukt beigetragen hat.

Von der Vision zur strategischen Realität

Laut einer aktuellen Studie des Telecoms Advistory Service im Auftrag von AWS könnte Cloud-Technologie bis zum Jahr 2030 etwa 2,6 Billionen US-Dollar zum europäischen Bruttoinlandsprodukt beitragen, fast 434 Milliarden US-Dollar davon durch cloudbasierte KI. Deutschland hat bei der KI-Einführung in Europa eine Vorreiterposition erreicht und zeigt in diesem Bereich eine bemerkenswerte Dynamik. Um dieses Potenzial zu erschließen, müssen Unternehmen über das Experimentieren hinausgehen und KI strategisch in ihr Kerngeschäft integrieren.  

„Mit den richtigen Investitionen und politischen Maßnahmen kann Deutschland seine Position als globaler KI-Marktführer festigen und Innovation, Wirtschaftswachstum und die digitale Transformation in allen Branchen vorantreiben,“ betont Jonathan Weiss abschließend. „Ein mutiger Einsatz von KI wird nachhaltige Auswirkungen haben und Deutschlands Platz in der digitalen Wirtschaft der Zukunft sichern. Die Weichen dafür sind gestellt – jetzt kommt es auf die konsequente Umsetzung an.“

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