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Wie Prozessintelligenz Unternehmens-KI voranbringt

KI-Anwendungen in Unternehmen scheitern bislang häufig am selben Punkt: ihnen fehlt der Kontext. Diesen bietet Prozessintelligenz. Drei Trends, wohin die Reise geht.

Immer mehr Unternehmen erkennen greifbare Mehrwerte im Einsatz von KI. So zeigt eine Befragung von Celonis unter 1.620 Führungskräften, dass 64 Prozent einen signifikanten ROI von der KI-Nutzung erwarten. Acht von zehn planen, ihre Prozesse mithilfe der Technologie zu optimieren. Und 61 Prozent nutzen KI-Anwendungen wie Chatbots oder KI-Assistenten, um effizienter zu werden. Zugleich fürchtet mehr als jeder Zweite, dass ineffiziente Prozesse den Mehrwert ihrer KI-Initiativen schmälern. Diese Sorge ist nicht unbegründet: Viele KI-Projekte scheitern, weil den Anwendungen das Wissen über die spezifischen Unternehmensprozesse fehlt.

So steht und fällt die Ergebnisqualität KI-gestützter Anwendungen mit der zugrunde liegenden Datenbasis. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen privat genutzten Anwendungen und solchen, die im geschäftlichen Kontext eingesetzt werden: Während ersteren eine riesige Bandbreite an online verfügbaren Quellen zur Verfügung steht, sind letztere auf die unternehmensinternen Systeme beschränkt. Die darin enthaltenen Daten sind für die Unternehmens-KI in der Regel aber nicht ohne weiteres zugänglich. Dadurch fehlt ihr der Kontext, um faktenbasierte Entscheidungen treffen zu können – vergleichbar einem GPS-System, das keinen Zugriff auf die Karte hat.

Prozessintelligenz: Gemeinsame Sprache für Geschäftsprozesse

Der Schlüssel zur Lösung liegt in Prozessintelligenz, einer Weiterentwicklung der Process-Mining-Technologie. Wie ein Röntgengerät durchleuchtet Process Mining Unternehmensprozesse von Anfang bis Ende, indem es Daten aus internen und externen Quellen zusammenführt und mit weiteren relevanten Informationen anreichert. Prozessintelligenz baut auf diesen Ergebnissen auf und wandelt sie in handlungsrelevantes Wissen um. Damit schafft sie eine Sprache, die alle Systeme und Ebenen eines Unternehmens miteinander verbindet.

Diese Sprache versteht auch die Unternehmens-KI: Sie erhält dadurch Einblicke in die spezifischen Prozesse einer Organisation und somit Zugriff auf die notwendigen Informationen, um Anfragen korrekt und zielführend beantworten zu können. Auf diese Weise schafft Prozessintelligenz die Basis für den effizienten Einsatz von KI im Geschäftskontext – was in vielerlei Hinsicht neue Entwicklungspotenziale eröffnet.

Trend 1: Agentenbasierte KI denkt Unternehmensprozesse neu

Eine aktuell viel diskutierte Ausprägung von Unternehmens-KI sind KI-Agenten. Ihr größtes Einsatzpotenzial liegt überall dort, wo Menschen sonst repetitive und stupide Aufgaben erledigen müssten, zum Beispiel in der Beantwortung häufiger Kundenanfragen, dem Management von Bestellungen oder der Priorisierung von Tickets im Kunden-Support. Ausgestattet mit dem nötigen Kontextwissen – durch Prozessintelligenz – können KI-Agenten solche Prozesse automatisiert erledigen. Konventionellen Chatbots sind sie dabei weit überlegen, denn sie erlauben eine automatisierte und fundierte Entscheidungsfindung, auch bei komplexen Sachverhalten.

Besonders effizient ist es, mehrere KI-Agenten im Kollektiv für die Erledigung einer bestimmten Aufgabe einzusetzen. Beispiel Bestandsmanagement: Geht der Lagerbestand eines bestimmten Artikels zur Neige, setzt der erste KI-Agent einen Alarm ab und stößt den Einkaufsprozess an. Der zweite holt Angebote ein, der dritte prüft sie und veranlasst gegebenenfalls die Bestellung oder informiert den Einkäufer. Diese Zusammenarbeit gilt es zu orchestrieren, und darin wird perspektivisch eine Herausforderung für Unternehmen liegen. Gelingt dies, haben KI-Agenten das Potenzial, viele Unternehmensabläufe nachhaltig zu verbessern.

Trend 2: Generative KI wird zum strategischen Treiber der Prozessoptimierung

Auch generative KI kann durch kontextgestützte Einblicke ganz neue Potenziale entfalten. Der Zugriff auf unternehmensspezifisches Wissen ermöglicht es zum Beispiel Large Language Models (LLMs), relevante und aktuelle Ergebnisse zu liefern, um die Entscheidungsfindung zu automatisieren. Bislang war das schwierig, denn LLMs berechnen ihre Ergebnisse auf Basis von Wahrscheinlichkeiten. Ohne Kontext beginnen sie zu halluzinieren. Selbst einfache Additionsaufgaben können sie etwa nicht lösen, wenn ihnen der Rechenweg nicht bekannt ist. Indem Prozessintelligenz diesen KI-Modellen den nötigen Kontext bereitstellt, erhalten sie Hinweise zur zielführenden Informationsverarbeitung. Um im Beispiel zu bleiben, fungiert sie wie ein Taschenrechner, der den korrekten Rechenweg weist. So ermöglicht Prozessintelligenz LLMs, faktenbasierte Ergebnisse zu erzielen, mit denen ein Unternehmen verlässlich arbeiten kann.

Florian Schewior, Celonis

„Die zunehmende Integration von KI und Prozessintelligenz wird neue Möglichkeiten für generative und agentenbasierte KI-Lösungen eröffnen, die eine automatisierte und effizientere Entscheidungsfindung erlauben.“

Florian Schewior, Celonis

Indem generative KI Daten mit betrieblichem Kontext in Einklang bringt, kann sie Schwachstellen in Abläufen aufzeigen und konkrete Empfehlungen aussprechen, um sie zu beheben. Dies erleichtert es Unternehmen, ihre Prozesse system- und abteilungsübergreifend zu optimieren. Integriert in Prozessintelligenz-Plattformen ermöglichen es generative KI-Funktionen Anwendern außerdem, KI-Agenten für spezifische Herausforderungen zu entwickeln.

Trend 3: Digitale Zwillinge werden zu Plattformen für Prozessintelligenz

Für eine breit angelegte Umsetzung von KI-Strategien brauchen Unternehmen zudem ein digitales Abbild ihrer Prozesse – denn wie beschrieben ist die Datenbasis entscheidend. Mit zunehmendem Einsatz von Prozessintelligenz wird sich diesbezüglich ein Wandel von statischen hin zu dynamischen Modellen vollziehen: Einzelne digitale Zwillinge werden unter Einbezug von KI und Geschäftskontext in ganzheitliche Plattformen übergehen, die Unternehmensprozesse transparent und in Echtzeit abbilden. Diese lebenden digitalen Prozesszwillinge stellen sicher, dass sich Unternehmen schnell an Marktveränderungen anpassen, innerbetriebliche Informationssilos abbauen, ihre Abläufe kontinuierlich verbessern und verschiedene Szenarien simulieren können.

Durch den Aufbau kollaborativer Prozessnetzwerke lassen sich auch Abläufe optimieren, die über die Grenzen einzelner Organisation hinausgehen. Das empfiehlt sich beispielsweise in Hinblick auf Prozessschritte entlang der Supply Chain. Entsprechende Lösungen schaffen eine gemeinsame Daten- und Wissensplattform, die schnellere und fundiertere Entscheidungen ermöglichen – auch ohne den Austausch sensibler Informationen. So lassen sich zum Beispiel Bestell- und Lieferprozesse zwischen Produzenten, Zwischenhändlern und Abnehmern verbessern und resilienter gestalten.

Kontext ist der Schlüssel

Erst Prozessintelligenz versetzt Unternehmens-KI in die Lage, korrekte und relevante Ergebnisse zu liefern, mit denen Unternehmen messbare geschäftliche Mehrwerte erzielen können. Die zunehmende Integration von KI und Prozessintelligenz wird neue Möglichkeiten für generative und agentenbasierte KI-Lösungen eröffnen, die eine automatisierte und effizientere Entscheidungsfindung erlauben. Dynamische digitale Prozesszwillinge werden es Unternehmen erleichtern, ihre Prozesse über Systeme und Abteilungen hinweg zu verbessern – oder sogar über Organisationsgrenzen hinweg, wenn kollaborative Prozessnetzwerke aufgebaut werden. Im Kontext liegt somit der Schlüssel für den effizienten Einsatz von Unternehmens-KI, der Prozessverbesserungen auf breiter Ebene möglich macht.

Über den Autor:
Florian Schewior ist Geschäftsführer für den DACH-Raum bei Celonis.

 

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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