VMware oder Citrix: Wer hat das umfassendere Virtualisierungs-Angebot?

VMware kontra Citrix: Wessen Virtualisierungsangebot liegt in Schlüsselbereichen wie VDI, App-Virtualisierung und Mobile Device Management vorne?

Ich verbringe eine Menge meiner Zeit damit, Konzerne bei der Entwicklung von Strategien für ihr End-User Computing (EUC) zu beraten. Ist die Strategie einmal entwickelt, führt dies in der Regel zum Entwurf von konkreten EUC-Angeboten.

Schon in den letzten Jahren war es längst nicht mehr ausreichend, nur gute Angebote für virtuelle Desktop-Infrastrukturen (VDI) im Portfolio zu haben. VMware hat diese Erkenntnis aufgegriffen und in den letzten Monaten ordentlich in sein EUC-Geschäft investiert. In den vergangenen 19 Monaten hat VMware einige Firmen erworben und Schlüsselpersonen von Citrix und aus der EUC-Community für sich gewinnen können, um sein EUC-Angebot zu verbessern.

Der nachfolgende Vergleich basiert auf den hier aufgeführten Produktversionen. Ich habe jedes einzelne Bewertungskriterium aufgebrochen und dargelegt, warum ich Produkte für gleichaufliegend halte oder warum eines in meinen Augen einen Vorteil bietet. Diese Produkte können als Teile verschiedener Lizenzpakete oder auch einzeln erworben werden:

  • VMware Horizon (Horizon 6.x, Mirage 5.x und Workspace 2.x)
  • Citrix XenDesktop (XenDesktop 7.x, XenApp 7.x, XenMobile 9.0)

Kategorie: VDI

Gewinner: Keiner

Derzeit verfügen sowohl VMware als auch Citrix über äußerst ausgereifte Angebote für die Desktop-Virtualisierung und liegen damit im Funktionsumfang nahezu gleichauf. Beide Hersteller bieten überwiegend dieselben Features und bedienen gleichartige Kundenszenarien. VMware und Citrix gehen einige Features mit unterschiedlichen Ansätzen an, wie etwa die Bereitstellung von Desktops. Größtenteils bieten Sie aber eine ähnliche Funktionalität für persistente und nicht-persistente Desktops.

Wo VMware mit der Unterstützung für GPU Pass-Through in Horizon punktet, mit der die meisten anspruchsvollen Grafikarbeiten beschleunigt werden, lässt es bei der hochgradig wünschenswerten vGPU-Unterstützung federn. Hier hat Citrix die Nase vorne, was man als kleinen Vorteil in spezifischen Anwendungsfällen betrachten kann – wenn auch wohl nicht mehr lange, ein ähnliches Angebot ist seit kurzem auch für VMware-Umgebungen erhältlich. Insgesamt aber sind sich die beiden Produkte beim Thema VDI also sehr nahe. Eine Produktentscheidung ließe sich vermutlich einfacher an Aspekten wie Anbietervertrautheit oder Preisgestaltung festmachen.

Kategorie: Physische PC-Verwaltung

Gewinner: VMware

Hier räumt VMware mit seinem Angebot Horizon Mirage ganz klar ab. Mirage liegt heute meilenweit vor allem, was Citrix für physische PCs anzubieten hätte. Mit Citrix würden Sie heute die Provisioning Services auf Ihre physischen Desktops ansetzen oder den lokalen XenClient-Hypervisor auf den PCs verwenden. Beide Optionen sind nicht so nutzer- oder administratorfreundlich wie Mirage. Auch bieten sie nicht die in Mirage gegebenen Verwaltungsmöglichkeiten.

Kategorie: EUC-Portal

Gewinner: Keiner

Die Portalangebote beider Hersteller sind sich gegenwärtig sehr ähnlich. Beide können Desktops, Apps und Datenverbindungen vermitteln und jedes der beiden Portale unterstützt Anwendungsvirtualisierung. SaaS- oder Webbasierte Anwendungen sind als Applikationspräsentationen ebenfalls verfügbar.

Mich persönlich hat der Quantensprung durch die letzte Version von Horizon Workspace am meisten beeindruckt. Die Produktverbesserung wurde dabei vor allem durch Neuerungen wie einer durchgängigen Architektur, besserer Admin-Oberfläche und einfacheren Anpassungsmöglichkeiten erreicht.

Kategorie: Mobile Device Management

Gewinner: VMware

Mit dem Kauf des Marktführers AirWatch hat VMware sich unmittelbar an die Spitze der Mobilgeräte-Verwaltung (Mobile Device Management, MDM) katapultiert. Vor diesem Zukauf arbeitete VMware an einer internen Lösung und lag weit abgeschlagen hinter Citrix mit dessen Einkauf von XenMobile.

Die nächste Herausforderung in diesem Bereich liegt in der Integration dieser Zukäufe in die eigenen EUC-Produktlinien. Citrix hat aus XenMobile nach anfänglicher Schwächephase inzwischen ein deutlich verbessertes Produkt gemacht. VMware dagegen hat kürzlich den ersten vereinheitlichten Application Store angekündigt, der durch die Integration von AirWatch und Workspace entstehen und Anwendern einen zentralisierten Zugriff auf Applikationen bieten soll. VMware baut damit weiter auf AirWatch auf, was für mich der Grund war, die Firma hier zum Gewinner zu küren.

Kategorie: Synchronisation und Freigabe von Dateien

Gewinner: Keiner

Der Markt für die Synchronisation und Freigabe von Dateien hat sich durch die Konzernanforderungen zur Nutzung und Weitergabe von Dokumenten auf Mobilgeräten in neue Sphären bewegt. Beide Anbieter nehmen sich hier aus meiner Sicht derzeit nichts. Beide Produkte wurden von den Mutterfirmen erworben und werden weiter in die EUC-Produktlinien integriert. Der wahre Gewinner wird sich vermutlich in den kommenden 12 bis 24 Monaten zeigen und sich voraussichtlich anhand der umfassenderen Sharing-Plattform entscheiden.

Vor der Übernahme von AirWatch lag VMware in diesem Marktsegment klar zurück. Dank des Secure Content Lockers, mit dem VMware gleich doppelt vom AirWatch-Kauf profitierte, hat sich das Spiel jedoch gedreht.

Kategorie: Bereitstellung und Virtualisierung von Anwendungen

Gewinner: Citrix

Im Bereich der Anwendungsbereitstellung hat VMware viel gearbeitet, entwickelt und zugekauft, um seine Virtualisierungslösungen für Anwendungen auszubauen. VMware verfügt inzwischen über vier unterschiedliche Methoden zur Abstraktion der Anwendung vom Betriebssystem und deren Darstellung. 

Der erste große Schritt kam mit Horizon 6 und dessen Anwendungsvirtualisierung auf Basis von Microsoft RDS. Damit war ein Nebenbuhler zu Citrix XenApp geschaffen. Auch wenn Horizon 6 noch nicht ganz ausgewachsen ist, zieht es doch schon die Blicke der Citrix-Kunden auf sich und wird natürlich stetig verbessert, beispielsweise durch Horizon Flex und App Volumes.

Citrix hat mit seinem XenApp-Angebot aber noch immer die Führungsposition inne. Das Produkt ist schon lange am Markt und längst ausgereift. Die installierte Basis ist riesig und die Liste von Enterprise-Anwendungen für XenApp als Zielplattform entsprechend lang. Genau dort liegen auch die Hürden, die VMware mit der Weiterentwicklung von Horizon 6 nehmen muss. Mir selber gefällt das Momentum, das VMware im Bereich der Anwendungsvirtualisierung bereits erreicht hat – geht es so weiter, wird sich die Lücke zu Citrix schnell schließen.

Kategorie: Netzwerke

Gewinner: Citrix

Die meisten Menschen kommen vermutlich schnell zu der Ansicht, dass VMware im Netzwerkbereich mit seinen vShield-Angeboten vorne liegt, doch hier möchte ich widersprechen. Setzen Sie XenDesktop auf vSphere auf, so stehen Ihnen nämlich dieselben Möglichkeiten zur Verfügung. 

Dank des Netscaler-Angebots schwingt das Pendel dann vollends in Richtung Citrix. Netscaler begann einst als Load Balancer und wurde zunehmend mit neuen Fähigkeiten ausgebaut, einschließlich Edge-Zugriff sowie erweiterten Sicherheitsregeln und Abfragen.

Durch die Kopplung derartiger Funktionen an die Desktop-Lösungen von Citrix werden Kunden in die Lage versetzt, flexible Sicherheitsregeln für den Zugriff auf Inhalte zu erstellen. So können Anwendern beispielsweise nur spezifische Freigaben oder Server zugestanden werden, die Optionen in diesem Bereich sind zudem sehr flexibel. Damit ist für Citrix ein großes Plus zu verbuchen, selbst wenn es neben der XenDesktop-Linie als gesondertes Produkt vertrieben wird.

VMware hat mit F5 Networks ebenfalls an der Integration zusätzlicher attraktiver Features gearbeitet, wie etwa Traffic-Management für VMware-View-Installationen. Das reicht jedoch momentan noch nicht aus, um Citrix in diesem Bereich vom Thron zu stoßen.

Kategorie: Infrastruktur-Monitoring

Gewinner: VMware

Monitoring-Tools sind ein Gewinn für jeden Administratoren, der eine (virtuelle) Server-Infrastruktur betreut. VMware legt beim Horizon-Angebot vCenter Operations Manager for View mit bei, das ganz hervorragend die VM- und darunterliegende Ebene mit Session-Statistiken für PCoIP verwaltet. Mit der Veröffentlichung von vRealize Operations 6, vormals vCenter Operations Management Suite, bietet VMware jetzt zusätzliche Metriken für Gast-VMs, mit deren Hilfe ein Citrix-ähnliches Monitoring möglich wird.

EdgeSight von Citrix konzentriert sich auf die Ebene des Gast-Betriebssystems und darüber, bietet zuverlässigeres Monitoring von Sitzungen und Nutzererfahrung und ist zudem in XenApp eingebunden. Die Citrix-Produktlinie bietet jedoch keinerlei Unterstützung für das Überwachen von Hypervisoren und Infrastruktur, womit Citrix in der Kategorie Überwachung den Kürzeren zieht.

Über den Autor:
Brian Suhr ist ein zertifizierter VMWare Designexperte (VCDX5-DCV; VCDX #118) und bei AHEAD als Solutions Architect tätig. Er ist in der VMware-Community aktiv und beteiligt sich an der Leitung der in Chicago ansässigen VMUG Group. Sein Spezialgebiet umfasst Virtual Desktop Infrastructure und Cloud-Projektdesign. In 2011, 2012 und 2013 wurde er mit dem vExpert Status ausgezeichnet. 

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