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Recruiting-Prozess ist Basis für gute Candidate Experience

Um Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig zu binden, sollten Unternehmen ihre Employee Journey optimieren. Welche Maßnahmen HR-Verantwortliche hierfür ergreifen können.

Um Mitarbeiter in Zeiten des Fachkräftemangels zu gewinnen und langfristig zu binden, sollten Unternehmen ihre Employee Journey optimieren. Welche Maßnahmen HR-Verantwortliche in den drei Phasen dieser Reise – Recruiting, Weiterentwicklung und Offboarding – ergreifen können, erklärt Ulrich Jänicke, CEO aconso, in einer dreiteiligen Artikelserie. Im ersten Teil beschäftigt er sich mit dem Recruiting. Teil zwei und drei konzentrieren sich auf Weiterentwicklung und Offboarding.

Unternehmen suchen händeringend nach qualifizierten Mitarbeitern. Insbesondere IT-Fachkräfte sind Mangelware. So erhöhte sich die Zahl der offenen Stellen im Bereich IT im Jahr 2018 um satte 49 Prozent, wie eine Bitkom-Studie zeigt. Konnten sich Unternehmen vor einigen Jahren noch Fachkräfte aus dem Bewerberpool auswählen, ist es heute genau umgekehrt. Für Arbeitgeber bedeutet das: Sie müssen sich ins Zeug legen und sich Bewerbern als attraktives Unternehmen präsentieren.

Doch wie kann ihnen das gelingen? Ein vielversprechender Ansatz ist, den Karriereweg des Mitarbeiters als Reise durch das Unternehmen zu begreifen. Diese lässt sich grob in drei Phasen einteilen: Recruiting, Weiterentwicklung und Offboarding. In jeder Phase sollte der Mitarbeiter an allen Berührungspunkten mit dem Unternehmen (Touchpoints) möglichst positive Erfahrungen machen – People based HR ist hier das Stichwort. Bereits in Phase eins, dem Recruiting, gibt es dazu eine Reihe von Ansatzpunkten für HR-Verantwortliche.

Bewerbungsprozess so komfortabel wie möglich gestalten

Im Bewerbungsprozess müssen Unternehmen für eine positive Candidate Experience sorgen. Das fängt bei einer guten Stellenanzeige an. Sie sollte klar und verständlich darstellen, welche Aufgaben und Verantwortungen der Job umfasst und welche Fähigkeiten dafür erforderlich sind. Ebenso wichtig sind Informationen zur Unternehmenskultur und zu Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten.

Laut der Softgarden-Studie 2018 (PDF) haben sich 73,1 Prozent der Kandidaten schon einmal nicht auf einen Job beworben, weil die Stellenanzeige zu schlecht war. Außerdem sollten Stellenangebote für mobile Endgeräte optimiert sein. Denn wie eine Studie des Jobportals Monster (PDF) zeigt, nutzen bereits 53 Prozent der Kandidaten ihr Smartphone, um unterwegs nach Stellen zu suchen.

Den Bewerbungsprozess sollten Unternehmen für Kandidaten so einfach und komfortabel wie möglich gestalten. Die meisten Interessenten (72,9 Prozent) bewerben sich am liebsten per E-Mail, so die Monster-Studie Die Bewerbung der Zukunft (PDF). Lange Formulare auszufüllen, schreckt dagegen ab. Laut der Softgarden Studie 2019 haben 56 Prozent der Kandidaten schon einmal eine Bewerbung abgebrochen, weil ihnen das Bewerbungsverfahren zu umständlich war.

In manchen Branchen, etwa im Einzelhandel, geben Bewerber ihre Unterlagen häufig noch auf Papier direkt in der Filiale ab. Um auch solche Bewerbungen in einen digitalen Recruiting-Prozess zu integrieren, können Unternehmen zum Beispiel den Scanservice eines Dienstleisters in Anspruch nehmen. Dieser digitalisiert, validiert und klassifiziert die Unterlagen, ordnet sie den entsprechenden Stellen zu und pflegt sie in das HCM-System ein. Im Idealfall erfolgt das automatisiert mit Robotic Process Automation (RPA), so dass die relevanten Unterlagen der Führungskraft innerhalb von kürzester Zeit digital zur Verfügung stehen. Dies beschleunigt den Bewerbungsprozess und führt zu schnellen Reaktionszeiten.

Der Schnelle schlägt den Langsamen

Wie wichtig Geschwindigkeit im Recruiting-Prozess ist, zeigt die Softgarden-Studie 2019: 42,5 Prozent der Kandidaten haben schon einmal eine Bewerbung abgebrochen, weil das Unternehmen zu langsam reagiert hat. Mehr als die Hälfte (56,7 Prozent) erwarten, dass eine Einladung zum Vorstellungsgespräch innerhalb von ein bis zwei Wochen nach dem Bewerbungseingang kommt. 14,6 Prozent sogar in weniger als einer Woche.

In der Realität sind viele Unternehmen noch weit von der geforderten Performance entfernt. 23,4 Prozent brauchen zwei bis drei Wochen, um zu reagieren, 27,6 Prozent sogar mehr als vier Wochen. Mit einer geeigneten Bewerber-Managementsoftware, die alle am Recruiting-Prozess Beteiligten im Unternehmen verbindet, den Kommunikationsfluss optimiert und regelbasierte Abläufe automatisiert, lassen sich die Reaktionszeiten deutlich verkürzen. 40 Prozent der Personalabteilungen nutzen allerdings noch keine solche Lösung, so eine Studie von Staufenbiel (PDF) .

Im Bewerbungsgespräch selbst ist es wichtig, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen und dem Kandidaten auf Augenhöhe zu begegnen. Recruiter sollten dem Bewerber – wie in jeder Phase seiner Candidate Journey – Wertschätzung entgegenbringen. Laut einer Studie von Stellenanzeigen.de (PDF) wünschen sich 67 Prozent der Bewerber zudem, bereits im Vorstellungsgespräch das Team kennenzulernen.

Insbesondere die nachrückende Generation Y und Z legt außerdem Wert auf eine gute Work-Life-Balance. Recruiter sollten diese Thematik im Idealfall bereits im Bewerbungsgespräch ansprechen und Möglichkeiten, zum Beispiel individuelle Home-Office-Regelungen, aufzeigen.

Ist man sich einig geworden, sollte das Unternehmen dem Wunschkandidaten so schnell wie möglich ein Vertragsangebot machen, bevor er bei einem Wettbewerber unterschreibt. Mithilfe moderner Softwarelösungen kann eine Führungskraft etwa direkt im Anschluss an das Gespräch auf seinem Smartphone oder Tablet ein Angebot erstellen, digital signieren und an den Kandidaten versenden. Ein zeitraubender Umweg über die HR-Abteilung ist damit nicht mehr notwendig. Die Rechtssicherheit der Vertragsbausteine stellt die Software automatisch sicher.

Onboarding nicht unterschätzen

Hat der Mitarbeiter die Position angenommen, beginnt der Onboarding-Prozess. Es gilt, den neuen Kollegen möglichst schnell in das Unternehmen zu integrieren. Denn die ersten Tage und Wochen im neuen Job sind entscheidend. Laut einer Haufe-Studie denken beispielsweise bereits 15 Prozent der Neuankömmlinge am ersten Tag schon wieder an Kündigung. Das Unternehmen muss also schnellstmöglich zeigen, dass es seine Versprechen aus dem Vorstellungsgespräch hält und die Erwartungen des Kandidaten erfüllt.

Ulrich Jaenicke, aconso

„Im Bewerbungsgespräch ist es wichtig, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen und dem Kandidaten auf Augenhöhe zu begegnen.“

Ulrich Jänicke, aconso

Recruiter sollten das Onboarding daher gut vorbereiten – mit einer offiziellen Begrüßung, einem fertig eingerichteten Arbeitsplatz und gegebenenfalls einem Mentor, der den Neuankömmling in sein neues Aufgabengebiet einführt und für Fragen bereitsteht. Um für einen reibungslosen Onboarding-Prozess zu sorgen, können Unternehmen die notwendigen Aufgaben über eine Software steuern. Laut der Haufe-Studie tun dies jedoch erst 35 Prozent der HR-Abteilungen. 83 Prozent der Befragten gaben an, dass sie Verbesserungspotenzial beim Onboarding haben.

Fazit

Um Bewerber für das eigene Unternehmen zu begeistern, sollten Recruiter bereits in der ersten Phase der Employee Journey, dem Recruiting und Onboarding, unterstützende Maßnahmen ergreifen. Wichtig sind hier vor allem kurze Reaktionszeiten. Dauert der Bewerbungsprozess zu lange, hat der Wunschkandidat vielleicht schon bei der Konkurrenz angeheuert.

Nach dem Bewerbungsgespräch schnell einen Arbeitsvertrag bereitzustellen, kann hier also das Zünglein an der Waage sein. Auch den Onboarding-Prozess dürfen Recruiter keinesfalls vernachlässigen. Denn erfüllt das Unternehmen die Erwartungen des neuen Mitarbeiters in den ersten Wochen nicht, entscheidet dieser sich vielleicht nachträglich noch für das Angebot eines Wettbewerbers.

Eine positive Candidate Experience legt den Grundstein für die kommenden beiden Phasen der Employee Journey. Deren Ziel ist es, den Mitarbeiter im Unternehmen weiterzuentwickeln und ihn auch nach einer eventuellen Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Markenbotschafter zu gewinnen.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder und entsprechen nicht unbedingt denen von ComputerWeekly.de.

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