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Orientierung im Dschungel rund um generative KI
Wie kann generative KI in Unternehmen sinnvoll und gewinnbringend eingesetzt werden? Eine schlüssige KI-Strategie sollte vor allem an der Geschäftsstrategie ausgerichtet sein.
Künstliche Intelligenz ist längst in den Unternehmen angekommen, aber sie hat viele Gesichter. Und ständig kommen neue hinzu. Insbesondere die Innovationsschübe im Bereich der generativen KI (GenAI) verändern die Situation für Unternehmen kontinuierlich. Das macht es für sie schwierig, die Potenziale von KI richtig einzuschätzen und für sich selbst sinnvoll zu nutzen.
Aktuelle Studien wie der Global GenAI Report: How organizations are mastering their GenAI destiny in 2025 von NTT DATA zeigen, wie tief das Thema generative KI mittlerweile in den Unternehmen verankert ist. 97 Prozent der CEOs erwarten danach erhebliche Auswirkung dieser Technologie auf ihr Business und 99 Prozent planen folgerichtig weitere Investitionen in GenAI in den kommenden Jahren.
Auch wenn der KI-Hype große Erwartungen geweckt und eine Flut von Aktivitäten ausgelöst hat, fehlt es doch noch viel zu häufig an einer realistischen, langfristig an den Unternehmenszielen ausgerichteten KI-Strategie. Ohne klare Vorgaben und Umsetzungspläne aber wird die KI-Reise zur Irrfahrt.
Es ist daher höchste Zeit für eine strategische Planung, die den KI-Aktivitäten eines Unternehmens Orientierung gibt. Dafür zeichnen sich richtungsweisende Tendenzen ab, wie KI die Wirtschaft, die Gesellschaft und letztlich den Alltag revolutionieren wird. Dabei rücken vor allem drei funktionale Blöcke in den Blickpunkt: erstens die KI-Technologie und ihre rasante Weiterentwicklung selbst, zweitens die praktische Umsetzung in Business-Strategien und konkrete Use Cases samt den dafür notwendigen Voraussetzungen in Sachen Know-how, Personal oder Infrastruktur, und drittens der große Komplex von Sicherheit, Compliance und ethischer Verantwortung.
Die aktuellen GenAI-Highlights
Auf der Rangliste der jüngsten GenAI-Entwicklungen steht Agentic AI ganz oben. KI-Agenten sind eine erweiterte Form der Automatisierung. Sie übernehmen klar definierte Aufgaben und führen diese selbstständig aus. In komplexeren Szenarien (Multi-Agent AI) arbeiten sie mit anderen KI-Agenten in einer neuen Form intelligenter Machine-to-Machine-Kommunikation zusammen. So können beispielsweise Workflows durch Agentic AI abgebildet werden. Ein weiterer Trend ist die Entwicklung multimodaler GenAI-Lösungen, die Texte, Bilder, Audio und Video kombinieren können. Diese Modelle verstehen und verarbeiten unterschiedliche Medientypen und generieren kontextrelevante Inhalte. Davon profitieren unter anderem Branchen wie Gesundheit, Finanzen oder Produktion.
Funktionaler Kern aller GenAI-Anwendungen sind Large Language Models (LLM). Aktuell wird intensiv an hochspezialisierten Modellen mit Lösungskompetenz für spezifische Aufgaben- und Problemfelder gearbeitet – und an der Koordination der daraus entwickelten Multiagenten-Systeme per Work Orchestration. Die Leistungsfähigkeit und Praxistauglichkeit aller Modelle hängen dabei ganz wesentlich von den Daten ab, mit denen sie trainiert werden. Im Kontext kritischer Prozesse oder datenschutzsensibler Bereiche wird daher Local AI immer interessanter. Dahinter steht das Prinzip, KI-Modelle nicht mehr in der Public Cloud zu nutzen, sondern direkt auf das eigene Rechenzentrum oder andere Endgeräte wie etwa eine Fertigungsmaschine oder das Handy zu laden. Damit entfällt der Datentransfer in die Cloud des Providers, samt der damit verbundenen Kosten und Sicherheitsrisiken.
Die Konsequenzen für das Business
Die alles entscheidende Frage ist, wie diese GenAI-Technologien im Unternehmen sinnvoll und gewinnbringend eingesetzt werden sollen – und können. In der erwähnten Studie gaben zwar 83 Prozent der befragten CEOs an, über eine GenAI-Strategie zu verfügen. Die Praxis zeigt jedoch, dass diese nicht immer schlüssig der Business-Strategie folgt.
Grundsätzlich kann GenAI eingesetzt werden, um bereits Bekanntes schneller und günstiger zu machen, etwa durch stärkere Automatisierung. Das ist aber nur der erste Schritt. Viel wichtiger wird zukünftig ihr Einsatz zur Schaffung neuer Mehrwerte, etwa durch die Einbindung von kunden- und produktspezifischen Daten in Echtzeit, samt entsprechender Empfehlungen und Folgeaktionen. Gleichzeitig wird die Zukunft von generativer KI stark aufgaben- und branchenspezifisch geprägt sein. Unternehmen entwickeln dafür spezialisierte Large Language Models, um die Technologie exakt an ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen. Ein typisches Beispiel hierfür ist das Thema Hyperpersonalisierung, mit dem Unternehmen ihren Kundinnen und Kunden maßgeschneiderte Angebote machen können.
Dies wird aber nur dann möglich sein, wenn eine entsprechende Infrastruktur zur Verfügung steht. Und hier steht noch eine gewaltige Aufgabe an, denn 90 Prozent der Befragten sehen in ihrer IT-Landschaft ein Hindernis für die effektive Nutzung von GenAI. KI-Infrastruktur unterscheidet sich deutlich von klassischer Infrastruktur. KI braucht keine Legacy-Systeme, sondern agile, hochskalierbare hybride IT-Strukturen mit flexiblen Kombinationen von On-Premises- und Cloud-Anteilen. Das Ressourcenthema ist mit der technischen Ebene allein aber noch nicht erschöpft. Es geht auch um das notwendige IT-Know-how, die Einstellung der Mitarbeiter zu KI und deren Motivation. Training, Weiterbildung und Change-Management wird damit zur zentralen Aufgabe, um Bedenken und Widerstände bezüglich der KI-Technologien auszuräumen und sie zu einem wirtschaftlichen Erfolgsmodell zu machen.
Die Fragen von Sicherheit und Nachhaltigkeit
Aus Compliance-Sicht steht das Risikomanagement ganz oben auf der KI-Agenda. Es ist elementarer Bestandteil der vom EU AI Act geforderten Maßnahmen. Künftig wird es verstärkt darum gehen, die spezifischen Risiken für das eigene Unternehmen im Vorfeld zu analysieren und zu minimieren. Data Privacy, Data Security und Data Residency hängen dabei wesentlich von der Sicherheit der IT-Infrastruktur ab.
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„KI braucht keine Legacy-Systeme, sondern agile, hochskalierbare hybride IT-Strukturen mit flexiblen Kombinationen von On-Premises- und Cloud-Anteilen. Das Ressourcenthema ist mit der technischen Ebene allein aber noch nicht erschöpft. Es geht auch um das notwendige IT-Know-how, die Einstellung der Mitarbeiter zu KI und deren Motivation. “
Oliver Köth, NTT DATA
Darüber hinaus ermöglichen Technologien wie Differential Analytics die Anonymisierung von Daten, ohne deren Korrelationen zu verfälschen. Sie können damit weiterhin für das Training der Modelle genutzt werden. Das zunehmende Problem der Datenverfälschung durch Fake News und KI-induzierte Halluzinationen sowie deren Einfluss auf die Qualität der Modelle kann nur durch KI selbst eingedämmt werden. Ein LLM trainiert und verifiziert sozusagen das andere, zum Beispiel wenn ein größeres LLM in ein kleineres LLM destilliert wird.
Werden die KI-Modelle aus Sicherheits- und Compliance-Gründen nicht mehr ausschließlich beim Cloud-Provider betrieben, sondern lokal getunt und genutzt (Local AI), steigt zusätzlich der Bedarf an lokalen IT-Ressourcen. Der Kühlungsbedarf und der Energieverbrauch von Rechenzentren sind jedoch sowohl unter Nachhaltigkeits- als auch unter Kostengesichtspunkten ein kritischer Faktor. Ein KI-Rack verbraucht etwas zehnmal so viel Energie wie ein typisches SAP-Rack. KI selbst wird dazu beitragen müssen, diesen immensen Ressourcenverbrauch zu reduzieren.
Die Bedeutung und Tragweite von GenAI-Technologien kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Schon in naher Zukunft werden sie kein separates Werkzeug mehr sein, sondern nahtlos in diverse Anwendungen integriert werden – wie etwa eine virtuelle Krankenschwester als erste Anlaufstelle für individuelle Beratung. Unseren Alltag prägen sie dann genauso selbstverständlich und allgegenwärtig wie heute das Internet.
Über den Autor:
Oliver Köth ist Chief Technology Officer (CTO) für die DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) bei NTT DATA. Er berät Kunden zu Technologiethemen in den Bereichen Cloud, Internet der Dinge, Künstliche Intelligenz, Cybersicherheit, Kundenerfahrung (CX) und Quantencomputing mit globaler Technologie- und Innovationsexpertise.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.