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Grüne Rechenzentren: Halten Anbieter ihre Versprechen?
Betreiber von Rechenzentren reden viel, wenn es darum geht, ihre Unternehmen als besonders nachhaltig darzustellen. Es bleibt aber noch viel zu tun, sagen Experten.
Die Betreiber von Rechenzentren haben einen langen Weg vor sich, wenn es um die Umstellung des Betriebs auf nachhaltigere Technologien geht. Die Colocation- und Cloud-Giganten sind sich zwar des Problems bewusst und geben fleißig Erklärungen darüber ab, wie sie Kohlenstoffdioxid einsparen wollen, doch häufig ist der Erfolg der von ihnen genannten Maßnahmen zweifelhaft.
In den letzten Jahren haben sich die großen Rechenzentrumsbetreiber immer wieder öffentlich verpflichtet, mehr gegen den Klimawandel zu tun, indem sie Standorte energieeffizienter machen und verstärkt auf Strom aus erneuerbaren Energiequellen setzen.
Aber es gibt noch so viel mehr, was der Rechenzentrumssektor tun sollte, um die Auswirkungen seiner Aktivitäten auf die Umwelt zu minimieren. Dazu gehört das Senken der Trinkwassernutzung für die Kühlung, insbesondere an Standorten in dürregefährdeten Gebieten.
Die Allianz für Ditigale Infrastrukturen bewertet außerdem die Nutzung von Abwärme in ihrem 2020 erschienenen Bericht Rechenzentren in Europa – Chancen für eine nachhaltige Digitalisierung die Nutzung von Abwärme als eine wichtige Möglichkeit, den ökologischen Fußabdruck zu verringern. Das ist besonders attraktiv bei lokal umgrenzten Szenarien, bei denen die Wärme in benachbarte Farmen oder Gewächshäuser gepumpt wird, um die Lebensmittelproduktion zu unterstützen. Der Anbieter Windcloud beispielsweise betreibt auf dem Dach seines Rechenzentrums eine Algenzuchtanlage.
Aktivisten und Umweltforscher, die auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit arbeiten, fordern den Rechenzentrumssektor seit mehreren Jahren auf, seine Arbeitsweise zu ändern, um den Grundsätzen einer Kreislaufwirtschaft gerecht zu werden.
Dazu gehört, dass bei der Beschaffung von Hardware generalüberholte gebrauchte Geräte den Vorrang erhalten und dass bei Aktualisierungszyklen Wert auf eine sachgemäße Entsorgung oder den Wiederverkauf gelegt wird.
„Ich habe Zahlen gesehen, die besagen, dass in manchen Einrichtungen 400.000 Server pro Jahr eingesetzt werden“, erklärt Max Schulze, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Sustainable Digital Infrastructure Alliance (SDIA), gegenüber Computer Weekly.
Hardware länger nutzen
„Und einige dieser Standorte haben jährliche Aktualisierungszyklen, was bedeutet, dass sie jedes Jahr Server entsorgen, was einfach verrückt ist. Es ist unmöglich, dass wir mit diesem Tempo des Hardwareverbrauchs die nächsten 100 Jahre auf nachhaltige Weise weitermachen können.“
Das Konzept der Wiederverwendung und des Recyclings erstreckt sich auch darauf, die Betreiber zu ermutigen, bei der Suche nach neuen Rechenzentrumsstandorten die Wiederverwendung bestehender Gebäude in Betracht zu ziehen und recycelte Materialien für den Bau ihrer neuen Serverfarmen zu verwenden.
Der Grund dafür ist, dass der Bau eines neuen Gebäudes ein energieintensiver Prozess ist, der auch zu starken CO2-Emissionen führt, weshalb das Nutzen bestehender Gebäude und Materialien als weitaus nachhaltigerer Weg zum Bau eines Rechenzentrums gilt.
Schulze ist der Ansicht, dass diese Überlegungen oft zu kurz kommen.
„In vielen Nachhaltigkeits-Frameworks werden die Emissionen der Hardware und der Infrastruktur überhaupt nicht berücksichtigt, sondern nur die Leistung, die die Hardware während des Betriebs aufnimmt“, sagt er. Dafür fehlen oft finanzielle Anreize.
„In der Rechenzentrumsbranche gibt es viele Missverständnisse darüber, was Nachhaltigkeit bedeutet, denn im Moment ist es für viele [nur] die Energieeffizienz“, sagt Schulze.
„Der Betrieb energieeffizienter Rechenzentren ist für einen Sektor, dessen größter Posten die Stromkosten sind, wirtschaftlich sinnvoll, aber derzeit gibt es kaum Fortschritte bei der Umgestaltung anderer Teile der Rechenzentren im Interesse der Nachhaltigkeit. Das Konzept der Nachhaltigkeit – das heißt das Verringern und Minimieren der Umweltauswirkungen bei gleichzeitiger Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen und der Überprüfung, ihres Einflusses auf die Gesellschaft – ist in der Branche noch nicht angekommen“, sagt Schulze.
„Die großen Tech-Firmen haben das verstanden, aber sie haben auch ein Interesse daran, das Thema auf eine Energiediskussion zu reduzieren, weil das etwas ist, was man mit Zertifikaten und Stromabnahmeverträgen leicht abbilden kann.“
Einfache Erfolge sorgen für gute PR
Eine immer wiederkehrende Beobachtung im Rechenzentrumssektor ist, dass er Veränderungen nur zögerlich annimmt.
Diese Haltung wird oft auf die Tatsache zurückgeführt, dass Rechenzentren die Räder unserer digitalen Wirtschaft am Laufen halten, was bedeutet, dass jeder Ausfall weitreichende Folgen für die beteiligten Unternehmen hat, sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in Bezug auf den Ruf.
Daher ziehen es die Betreiber vor, beim Bau und der Ausstattung neuer Standorte bei dem zu bleiben, von dem sie wissen, dass es funktioniert, indem sie dieselben bewährten Verfahren anwenden, die unzählige andere Unternehmen der Branche in der Vergangenheit beim Bau von Rechenzentren eingesetzt haben.
Und da die weltweite Nachfrage nach Rechenzentrumskapazitäten keine Anzeichen einer baldigen Verlangsamung zeigt, stehen die Betreiber unter dem Druck, neue Standorte so schnell wie möglich in Betrieb zu nehmen – was wiederum wenig Zeit lässt, Prozesse anzupassen.
„Die Digitalisierung verändert die Welt und rettet Leben. Wir können ganze Sektoren nicht mehr ohne sie betreiben, aber all das hat Auswirkungen auf die Umwelt“, sagt Rabih Bashroush, globaler Leiter der IT-Infrastrukturberatung beim Think-Tank Uptime Institute, der sich mit der Ausfallsicherheit von Rechenzentren beschäftigt.
„Wenn man schnell wächst, um mit der Nachfrage Schritt zu halten, bleiben kaum Ressourcen, um sich des Themas Nachhaltigkeit anzunehmen. Das ist ein großes Problem für schnell wachsende Unternehmen.“
Und obwohl man mit Fug und Recht behaupten kann, dass die IT-Einkäufer in den Unternehmen für das Thema sensibilisiert sind, ist die Nachfrage noch nicht groß genug, als dass es sich für die Betreiber finanziell lohnen würde, ihre Geschäftsmodelle so umzustellen, dass die Umweltauswirkungen drastisch reduziert werden, meint Bashroush.
„Das Problem ist, dass die Anbieter dem Markt folgen“, fügt er hinzu. „Und wenn die Nachfrage [seitens der Käufer] nach umweltfreundlichen Dienstleistungen zu gering ist, gibt es keinen Grund, etwas zu ändern. Wenn sie zweistellig wachsen, können sie das nicht nachhaltig tun, ohne viel Geld zu zahlen und die Kostenbasis für unsere Dienstleistungen zu erhöhen. Anbieter reden gerne über Nachhaltigkeit, solange es kein Geld kostet“.
Schulze verweist auf Rechenzentrumsprojekte, die für das kommende Jahr geplant sind, als Beweis dafür, dass die Betreiber es nicht eilig haben, ein nachhaltiges Wachstum ihrer Unternehmen zu gewährleisten.
„In diesem Jahr werden in Europa ein Gigawatt an Rechenzentren gebaut“, sagt er. „Bauen die Betreiber diese Standorte aus nachhaltigen Materialien? Nein. Machen sie etwas anders als früher? Nein. Glaube ich also, dass sie die Botschaft der Nachhaltigkeit wirklich verstanden haben? Nein. Das glaube ich wirklich nicht.“
Was diese Situation noch frustrierender macht, so Schulze, ist die Tatsache, dass die Betreiber auf ihren Websites oder auf Pressekonferenzen schnell große öffentliche Erklärungen über ihr Engagement im Kampf gegen den Klimawandel abgeben, aber das ist meistens nichts anderes als Greenwashing.
„Auf den Websites sämtlicher Hyperscaler steht, dass sie den Klimawandel schneller als alle anderen bekämpfen wollen, aber wenn man sie fragt, warum sie immer noch Zement und nicht nachhaltigere Verbundwerkstoffe für den Bau ihrer Rechenzentren verwenden, sagen sie, dass ihr wichtigstes Kriterium die Kosten sind“, sagt Schulze.
„Es ist eine Situation, in der öffentliche Behauptungen der Realität gegenüberstehen, und es ist sehr frustrierend für viele Menschen in der Lieferkette, die versuchen, eine umweltfreundlichere Lösung zu verkaufen. Alle wollen nachhaltige Produkte, aber keine möchte für sie bezahlen.“
Die Kosten niedrig und die Gewinne hoch halten
Würden Rechenzentren weiterhin so gebaut und betrieben wie in der Vergangenheit, könnte dies katastrophale Folgen für die Umwelt haben, meint Schulze.
„Das gesamte wirtschaftliche Anreizsystem ist darauf ausgerichtet, den Verbrauch zu fördern, und solange dies das Paradigma ist, besteht die einzige Möglichkeit, dies zu umgehen, darin, eine Infrastruktur zu schaffen, die keinen ökologischen Fußabdruck hinterlässt“, sagt er. "In der digitalen Welt gäbe es viele Möglichkeiten, weil fast alle Geräte im IT-Bereich wiederaufbereitet und wiederverwendet werden können.
Eine weitere Möglichkeit zum Einsparen von CO2 ist der Bau von Edge-Rechenzentren in leerstehenden Einzelhandels- und Bürogebäuden, um diesen neues Leben einzuhauchen und gleichzeitig die lokale Nutzung der von ihnen erzeugten Abwärme zu erleichtern.
ITRenew, ein Unternehmen für die Aufarbeitung und das Recycling von Rechenzentrumsinfrastrukturen, gibt an, dass viele der Server, die von den Hyperscalern während ihrer Hardware-Aktualisierungszyklen ausgemustert werden, qualitativ hochwertige Geräte sind, die nur selten voll ausgelastet wurden.
„ITRenew erneuert sehr hochwertige Geräte, die nur zu 15-20 Prozent ausgelastet sind. Das bedeutet nicht nur, dass die Umschlagshäufigkeit der Geräte sehr hoch ist, sondern auch, dass diese Geräte nur zu einem Bruchteil genutzt wurden“, sagt Cristian Parrino, Chief Sustainability Officer bei der gemeinnützigen Open Source- Organisation OpenUK
„Die Wiederverwendung und Aufarbeitung dieser Geräte ist nicht nur richtig, sondern ein Muss. Man kann sich nicht einfach Geräte entsorgen, die so wenig genutzt wurden, ohne ein Kreislaufmodell dahinter zu haben, denn das ist einfach nicht nachhaltig.“
All diese Ideen sind „nichts Neues“, sagt Parrino. Wir müssen lernen, sie miteinander zu verknüpfen, um die Branche bei der Schaffung von kohlenstoffneutralen Rechenzentren zu unterstützen.
Auch das Bundes-Umweltamt setzt sich für die Wiederverwendung von Hardware ein und berücksichtigt in seiner Nachhaltigkeitskennzahl KPI4DCE den gesamten Lebenszyklus der Hardware und Data-Center-Infrastruktur.
Man könnte argumentieren, dass die drohende und sehr reale Gefahr einer Klimakatastrophe für die Betreiber Motivation genug sein sollte, um zu handeln, aber eine Verhaltensänderung wird schwer zu erreichen sein, wenn es keinen Anreiz gibt, etwas zu ändern.
„Um eine Verhaltensänderung herbeizuführen, muss man das gewünschte Verhalten überzeugender und einfacher machen als die derzeitige Praxis, und man muss einen Mechanismus finden, der Unternehmen dazu bringt, es so oft zu wiederholen, dass es Teil der Routine wird – das ist der Schlüssel“, sagt Parrino.
„Bei der Infrastruktur geht es darum, sie bequemer und einfacher zu machen. Gesetzliche Regulierungen führen ebenfalls Änderungen herbei.“
Und laut Schulze sind regulatorische Eingriffe absehbar. „Die Gesellschaft und die Wirtschaft können ohne digitale Infrastruktur nicht existieren. Sie ist Sektoren wie der Energie, der Eisenbahn und anderen Versorgungseinrichtungen sehr ähnlich“, sagt er. „Und was haben alle öffentlichen Güter gemeinsam? Sie sind alle stark reguliert.“
Er fügt hinzu: „Die Europäische Union befasst sich mit diesem Thema genau und wird in der Branche verstärkt eingreifen, damit sie nachhaltig, gut für die Gesellschaft und gut für die Umwelt wird.“
Ein weiterer Faktor, der die Betreiber dazu zwingen könnte, ihre Arbeitsweise zu ändern, ist, dass der Druck vonseiten der IT-Käufer weiterhin zunimmt, je stärker das Umweltbewusstsein vonseiten der Verbraucher wird.
„Unternehmen, die keine strengen Maßnahmen ergreifen, werden auf der Strecke bleiben, weil die Generation, die in den nächsten 10-20 Jahren über die Budgets entscheidet, sich nicht mehr länger mit leeren Worten zufrieden geben wird.“