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Digitale Souveränität: Wie IAM zur Schlüsselfunktion wird

Technische Mechanismen reichen nicht aus, um die digitale Eigenständigkeit zu sichern. Souveränität entsteht erst, wenn Firmen auch Zugriffe auf Ressourcen nachvollziehbar regeln.

Die zunehmende Verlagerung von IT-Ressourcen in die Cloud, die Nutzung hybrider Infrastrukturen und die Einbindung externer Dienstleister erweitern die Handlungsspielräume von Unternehmen. Gleichzeitig erschweren sie die durchgehende Kontrolle über sicherheitsrelevante Abläufe. Je stärker Systeme verteilt und voneinander entkoppelt sind, desto schwieriger wird es, Zugriffswege, Verantwortlichkeiten und Schutzmaßnahmen konsistent zu überwachen. Besonders im Umgang mit digitalen Identitäten zeigen sich die Auswirkungen: Häufig ist unklar, wer auf welche Anwendungen oder Daten zugreift, welche Bedingungen dafür gelten und wie sich diese Vorgänge vollständig nachvollziehen lassen.

Geopolitische Spannungen, KI-gestützte Social-Engineering-Angriffe und die gezielte Ausnutzung schwacher Identitäten verschärfen die sicherheitsrelevanten Herausforderungen für Unternehmen. Hinzu kommen Regularien wie NIS2 oder DORA, die eine durchgehende Dokumentation digitaler Zugriffe fordern. Wer Systeme heute nur absichert, greift zu kurz. Entscheidend ist die Fähigkeit, zielgerichtet, kontextbewusst und vorausschauend zu lenken.

Regulatorische Anforderungen treffen auf technische Realitäten

Doch genau hier zeigt sich die Kluft zwischen regulatorischem Anspruch und technischer Realität: Vielen Unternehmen gelingt es trotz verbindlicher Vorgaben nicht, zentrale Anforderungen wie Nachvollziehbarkeit oder konsistente Zugriffsdokumentation umzusetzen.

Die Ursachen liegen häufig in komplexen Systemlandschaften, uneinheitlichen Rollenmodellen und historisch gewachsenen Berechtigungen. Technischer Zugriff ist zwar möglich, doch die gezielte Steuerbarkeit fehlt häufig. Genau hier setzt modernes Identity and Access Management (IAM) an: Es schafft nicht nur Schutz, sondern einen verantwortungsvoll steuerbaren Ordnungsrahmen für digitale Prozesse.

Die DNA souveräner IT

Digitale Souveränität ist ohne eine tragfähige Systemarchitektur undenkbar. Wer Kontrolle über kritische Prozesse behalten will, muss sicherstellen, dass strategische Anforderungen technisch durchgängig abgebildet werden. Die Architektur eines Identity and Access Managements entscheidet maßgeblich, ob unternehmenskritische Zugriffe auch in komplexen Infrastrukturen mit unterschiedlichen Plattformen, Nutzertypen und Sicherheitsniveaus flexibel, sicher und nachvollziehbar gesteuert werden können.

Ein zukunftsfähiges IAM basiert auf modularen Komponenten, die sich bedarfsgerecht kombinieren, erweitern und anpassen lassen. Funktionen wie Authentifizierung, Autorisierung und Provisionierung sollten unabhängig voneinander steuerbar und skalierbar sein, um der jeweiligen Organisationsstruktur gerecht zu werden. Gleichzeitig ist ein hohes Maß an Interoperabilität erforderlich. IAM-Systeme müssen sich nahtlos in bestehende Umgebungen integrieren, offene Standards unterstützen und mit heterogenen Systemlandschaften umgehen können. Nur so lässt sich eine langfristige Steuerungsfähigkeit gewährleisten, insbesondere in international agierenden oder stark regulierten Unternehmen.

Ein weiterer zentraler Aspekt ist die konsequente Umsetzung architekturgetriebener Sicherheitsmodelle wie Zero Trust. Statt auf einmal erteilte, statische Zugriffsrechte zu setzen, basiert Zero Trust auf kontinuierlicher Validierung: Jeder Zugriff wird situativ geprüft, jede Berechtigung kontextabhängig hinterfragt. Diese Dynamik erfordert eine IAM-Struktur, die Echtzeitfähigkeit, Skalierbarkeit und tiefgehende Kontextanalyse ermöglicht. Die Architektur spiegelt damit die Fähigkeit eines Unternehmens wider, Sicherheit nicht nur zu implementieren, sondern aktiv zu steuern.

Stephan Schweizer, Nevis Security

„Technologie allein schafft keine Souveränität. Nur eine situationsgerechte, risikoorientierte Zugriffsteuerung bringt Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit in Einklang. Datenschutz und regulatorische Vorgaben sind keine Hürden, sondern integrale Bestandteile nachhaltiger IT-Governance.“

Stephan Schweizer, Nevis Security

Zugriffe im richtigen Kontext steuern

Häufig wird IAM auf die Verwaltung von Benutzerkonten reduziert, doch in Wahrheit nimmt es eine übergeordnete Steuerungsfunktion ein. Es legt fest, wer welche Zugriffe erhält, unter welchen Bedingungen diese zulässig sind und wie sich alle Vorgänge lückenlos nachvollziehen lassen. Unternehmen, die digitale Souveränität anstreben, müssen diesen Prozess aktiv gestalten und nicht lediglich administrativ begleiten.

Drei wesentliche Prinzipien sind dabei entscheidend, um mit IAM digitale Selbstbestimmung wirksam sicherzustellen:

  • Kontextabhängige Zugriffsteuerung. Zugriffsentscheidungen orientieren sich an aktuellen situativen Faktoren. Standort, Gerätezustand, Zeitpunkt und Risikoeinschätzungen bilden die Basis für adaptive Zugriffsregeln, die Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit gleichermaßen berücksichtigen.
  • Risikobasierte Authentifizierung. Ein effektives Identitätsmanagement setzt auf mehrstufige, dynamisch anpassbare Sicherheitsverfahren. Verfahren wie passwortlose Anmeldungen, adaptive Prüfmechanismen und umfassende Protokollierung erhöhen die Widerstandskraft der Systeme, ohne die Effizienz der Nutzer zu beeinträchtigen.
  • Datenschutz als integraler Bestandteil. Ein souveränes IAM berücksichtigt datenschutzrechtliche Anforderungen von Anfang an und setzt sie technisch durch. Revisionssichere Protokolle, klare Löschrichtlinien und der verantwortungsvolle Umgang mit sensiblen Daten sind unverzichtbar, um rechtliche Vorgaben zu erfüllen und Vertrauen zu schaffen.

Souverän bleibt, wer steuert: Digitale Souveränität als Dauerauftrag

Digitale Eigenständigkeit erfordert eine kontinuierliche Gestaltung. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre IT-Landschaften flexibel, transparent und verantwortungsvoll zu steuern. Identity and Access Management bildet dabei das strategische Rückgrat, das technische Möglichkeiten mit unternehmerischer Verantwortung verbindet.

Technologie allein schafft keine Souveränität. Nur eine situationsgerechte, risikoorientierte Zugriffsteuerung bringt Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit in Einklang. Datenschutz und regulatorische Vorgaben sind keine Hürden, sondern integrale Bestandteile nachhaltiger IT-Governance.

Unternehmen müssen IAM als Hebel für digitale Handlungsfähigkeit begreifen und digitale Souveränität als dynamischen Prozess verstehen. Nur so lassen sich die Herausforderungen der digitalen Zukunft aktiv und selbstbestimmt meistern.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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