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Warum die Kosten bei KI-Projekten oft aus dem Ruder laufen

KI-Projekte folgen einem anderen Kostenmuster als klassische IT-Projekte. Der Vergleich zeigt: Andere Phasen, andere Risiken und bei KI-Vorhaben meistens ein längerer Weg zum ROI.

Technologieprojekte unterscheiden sich nicht nur in ihrer Zielsetzung, sondern auch in ihrer Kostenstruktur. Ein Vergleich zwischen klassischen IT-Vorhaben und KI-Projekten zeigt deutliche Unterschiede, die für die Planung, Steuerung und Budgetierung von zentraler Bedeutung sind. Während klassische IT-Projekte in der Regel einem stabilen, planbaren Kostenmuster folgen, zeichnen sich KI-Projekte durch einen komplexeren, phasenweisen Verlauf mit höherem Investitionsbedarf und längerem Zeitraum bis zur Amortisation aus.

Charakteristische Kostenverläufe

Eine Analyse typischer Kostenverläufe macht diese Unterschiede deutlich: KI-Projekte beginnen in der Regel mit vergleichsweise hohen Anfangsinvestitionen, die sich auf die ersten Monate konzentrieren. Hauptkostentreiber sind hier die Datenbeschaffung, die Bereinigung der Daten, der Infrastrukturaufbau (lokal oder in der Cloud) sowie die ersten Modelltrainings. In dieser frühen Phase überschneiden sich die Kostenprofile oft mit denen klassischer IT-Projekte. Letztere erreichen ihren finanziellen Höhepunkt hingegen häufig in der Entwicklungsphase.

Klassische IT-Projekte gehen nach dem Go-Live typischerweise in eine kostengünstigere Betriebs- und Wartungsphase über. KI-Projekte hingegen erfordern ab diesem Zeitpunkt oft weiterhin erhebliche Investitionen – etwa für Modelloptimierung, Datenanpassung, Skalierung oder die Integration in produktive Systeme.

Typische Herausforderungen im Projektverlauf

In der Praxis bestätigen sich diese Muster grundsätzlich, wobei KI-Projekte zusätzliche Unsicherheiten mit sich bringen. Unterschätzte Herausforderungen wie mangelnde Datenqualität, ethische Fragestellungen, regulatorische Anforderungen oder unklare Anwendungsfälle können zu erheblichen Budgetüberschreitungen führen. Auch organisatorische Hürden wie fehlende interne KI-Kompetenz oder mangelnde Veränderungsbereitschaft wirken sich oft verzögernd und kostensteigernd aus.

IT- und KI-Projektkosten im Vergleich.
Abbildung 1: IT-Projekte folgen meistens einer klassischen Glockenkurve mit klar definiertem Ende, KI-Projekte dagegen einem wellenförmigen Muster mit laufendem Anpassungsbedarf. Die Überschneidung beider Kurven markiert den Zeitpunkt, ab dem sich die Kostenstrukturen fundamental unterscheiden.

Während die Anforderungen und Erfolgskriterien bei klassischen IT-Projekten meist von vorneherein klar umrissen sind, hängt der Erfolg eines KI-Projekts stärker von iterativer Entwicklung, Pilotierung und ständiger Justierung ab. Das wirkt sich unmittelbar auf die Kostenplanung aus.

Geduld für KI, Effizienz bei IT

Die unterschiedlichen Projektlogiken führen zu signifikant abweichenden Amortisationszeiträumen: IT-Projekte erreichen ihre Wirtschaftlichkeit häufig bereits nach 12 bis 24 Monaten – etwa durch Effizienzgewinne, Prozessautomatisierung oder bessere Skalierbarkeit. KI-Projekte benötigen dagegen in der Regel 24 bis 36 Monate oder mehr, um sich zu rechnen, da Effekte wie Automatisierung oder datenbasierte Optimierungen erst nach Reife und Skalierung des Modells nachhaltig wirksam werden.

Gleichzeitig bieten KI-Projekte bei erfolgreicher Umsetzung ein deutlich größeres disruptives Potenzial – etwa durch die Automatisierung kognitiver Aufgaben oder die Erschließung neuer Geschäftsmodelle.

Kritische Phasen und Kostentreiber im Vergleich

Die teuersten Projektphasen unterscheiden sich deutlich voneinander: Während bei IT-Projekten die Kosten meist in der intensiven Entwicklungsphase vor dem Go-Live am höchsten sind, verursachen KI-Projekte hohe Aufwendungen sowohl zu Beginn (Daten, Training, Infrastruktur) als auch langfristig (Retraining, Monitoring, Anpassung an neue Daten). In vielen Fällen müssen KI-Modelle außerdem regelmäßig überarbeitet werden, was zusätzliche Pflege- und Betriebskosten verursacht.

Diese wiederkehrenden Kostenpositionen machen die Budgetierung anspruchsvoller und verlangen ein vorausschauendes Lifecycle-Management.

Handlungsempfehlungen für die Projektplanung

Für Entscheider ergeben sich daraus klare Implikationen:

  • KI-Projekte sollten nur mit einer mittelfristigen Perspektive von mindestens zwei bis drei Jahren gestartet werden. Besonders wichtig sind eine realistische Pilotphase, eine solide Datenbasis und klare Verantwortlichkeiten. Die frühzeitige Einbindung von IT-Sicherheit, Datenschutz und Rechtsabteilung ist ratsam.
  • IT-Projekte profitieren von einer klaren Zieldefinition, einem agilen Projektmanagement zur Vermeidung von Scope Creep (schleichende Projektausweitung) und einer belastbaren Wartungsstrategie. Nach dem Go-Live sollten etwa 20 bis 30 Prozent der Entwicklungskosten als jährliches Wartungsbudget eingeplant werden – abhängig von der Komplexität des Systems und der Änderungsdynamik.

Hybridansätze als Brücke zwischen IT und KI

In vielen Organisationen ist die Kombination aus klassischer IT-Architektur und schrittweiser Integration von KI-Funktionen ein gangbarer Weg. Solche Hybridansätze ermöglichen es, bestehende Systeme zu stabilisieren und gleichzeitig neue Wertschöpfung durch KI zu erschließen, ohne dass ein vollständiges KI-Ökosystem sofort aufgebaut werden muss.

Dieser gestufte Ansatz reduziert Risiken, verteilt Kosten über längere Zeiträume und erlaubt ein Lernen am lebenden System.

Fazit

Während klassische IT-Projekte nach dem Go-Live in eine stabile Wartungsphase übergehen, entwickeln sich KI-Projekte oft zu einer dauerhaften Kostenquelle. Besonders die wiederkehrenden Aufwände für Datenpflege, Modellretraining und Skalierung sind häufig schwer kalkulierbar und werden in frühen Projektphasen systematisch unterschätzt.

Wer KI-Initiativen plant, sollte daher nicht nur mit einem hohen Startbudget rechnen, sondern vor allem die laufenden Betriebskosten realistisch abbilden. Nur so lässt sich vermeiden, dass KI-Projekte langfristig aus dem Ruder laufen – finanziell wie organisatorisch. Eine vorausschauende Planung mit Fokus auf Nachhaltigkeit ist hier erfolgskritisch.

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