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Wie Inklusion im IT-Business funktionieren kann
Inklusion in der IT-Branche ist möglich und nutzbringend. Die Firma AfB green & social erklärt, wie es umgesetzt werden und funktionieren kann, sodass alle Beteiligten profitieren.
Weltweit leben etwa 650 Millionen Menschen mit einer Behinderung. Die UN-Behindertenrechtskonvention hat klargestellt, dass Inklusion ein Menschenrecht ist – das gilt für alle Lebensbereiche, auch für die Arbeit. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, das am 28. Juni 2025 in Kraft trifft, soll die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen zusätzlich stärken. Es verpflichtet Unternehmen dazu, ihre Dienstleistungen und Produkte barrierefrei zu gestalten.
Doch wie lässt sich eine faire Teilhabe von Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt konkret umsetzen? Eine besondere Stellung nehmen hier Inklusionsunternehmen ein. Sie verpflichten sich, 30 bis 50 Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Menschen zu besetzen, die eine Schwerbehinderung nach § 215 SGB IX aufweisen. Diese Mitarbeitenden haben dieselben Rechte und Pflichten wie andere Arbeitnehmer mit dem Unterschied, dass sie fünf zusätzliche Tage Urlaub im Kalenderjahr erhalten und einen besonderen Kündigungsschutz haben.
Im Jahr 2022 gab es insgesamt 1.030 Inklusionsunternehmen, -betriebe und -abteilungen in Deutschland, in denen 12.654 Menschen mit Schwerbehinderung arbeiten. Inklusionsunternehmen müssen wirtschaftlich agieren und sich auf dem ersten Arbeitsmarkt dem Wettbewerb mit anderen Unternehmen stellen. Häufig sind sie in Branchen wie der Gastronomie und in Werkstätten tätig. In einer hochkomplexen Welt wie der IT-Branche sind sie dagegen bislang eher selten zu finden.
Inklusion ist auch in der IT-Branche möglich
Wie Inklusion hier funktionieren kann, zeigen Beispiele wie das unseres Unternehmens AfB social & green IT. Das mit rund 700 Mitarbeitenden größte gemeinnützige IT-Unternehmen in Europa hat 21 Standorte in Deutschland, Österreich, Frankreich, der Schweiz und der Slowakei. Der zertifizierte Refurbishing-Betrieb arbeitet mit 1.800 Unternehmen und Behörden zusammen und übernimmt deren gebrauchte IT- und Mobilgeräte, um sie nach Datenlöschung und Wiederaufbereitung in eigenen Shops und online zu verkaufen. Dazu gehören beispielsweise Notebooks, Tablets, PCs und Smartphones sowie Server, Monitore, Switches und Drucker. Bereits seit der Firmengründung vor 20 Jahren arbeitet man bei uns inklusiv. Aktuell hat nahezu die Hälfte der Mitarbeitenden eine Behinderung. Diese umfassen körperliche Beeinträchtigungen, Sinnesbehinderungen wie zum Beispiel Hör- und Seebehinderungen, psychische Beeinträchtigungen und Lernbehinderungen. In nahezu allen Abteilungen arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung in gemischten Teams zusammen. Das gilt auch für die Ausbildung zu Kaufleuten und IT-Systemtechnikern.
Als Inklusionsunternehmen hat sich unsere Organisation von Anfang an professionell aufgestellt, da der Refurbishing-Prozess eine anspruchsvolle Aufgabe ist – besonders beim sensiblen Thema Datenschutz. Agiles und flexibles Arbeiten ist in der IT-Branche unerlässlich. Daher haben wir die komplexen Prozesse auf einfache Arbeitsschritte für die Belegschaft heruntergebrochen. Das Besondere dabei: Wir sind ein Inklusionsunternehmen und gemeinnützig. In Deutschland darf sich als inklusives Unternehmen nur gemeinnützig nennen, wer eine Schwerbehindertenquote zwischen 40 und 50 Prozent aufweist. Unser Standort in Deutschland weist eine Quote von 43 Prozent auf.
Ein inklusiver Betrieb ist jedoch in Deutschland immer noch eine Ausnahme. Denn auch bei Unternehmen, die sich offen und divers präsentieren, liegt der Schwerpunkt häufig auf der Herkunft und Genderneutralität, weniger auf Menschen mit Behinderung. Eine echte barrierefreie Unternehmensstruktur zieht sich jedoch durch alle Bereiche, betrifft also Büros und Werkstätten genauso wie digitale Angebote. Vor allem stellt Inklusion im Unternehmen den Menschen mit seinen individuellen Fähigkeiten und Potenzial in den Mittelpunkt – unabhängig von Behinderungen oder anderen Einschränkungen.
Wir fördern die Potenziale unserer Mitarbeitenden und schaffen ein Arbeitsumfeld, in dem Vielfalt und individuelle Stärken geschätzt werden. Dabei sind wir der Beweis dafür, dass sich unternehmerisches Wachstum und inklusives Arbeiten erfolgreich vereinen lassen. Unser gemeinsames Ziel: eine funktionierende Kreislaufwirtschaft, um IT nachhaltiger zu gestalten.
Voraussetzungen für inklusives Arbeiten
Damit Inklusion am IT-Arbeitsplatz gelingt, müssen Arbeitsabläufe und -bedingungen so gestaltet sein, dass alle Mitarbeitenden ihre Stärken bestmöglich einbringen können. Räume und Prozesse sollten barrierefrei sein, um selbstständiges Arbeiten zu ermöglichen. Leicht verständliche Sprache und bebilderte Arbeitsanweisungen erleichtern die Kommunikation.
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„Vielen ist nicht bewusst, dass eine Behinderung jeden treffen kann. Laut statistischem Bundesamt entstehen die meisten im Laufe des Lebens durch Krankheiten oder Unfälle. Behinderungen, die von Geburt an bestehen, machen nur 3 Prozent aus.“
Daniel Büchle, AfB social & green
Flexible Arbeitszeiten schaffen zusätzlichen Handlungsspielraum. Führungskräfte sind gefragt, die individuellen Fähigkeiten jeder Person zu erkennen und gezielt zu fördern. Durch Job-Carving können Aufgabenprofile flexibel angepasst werden, um optimale Bedingungen für unterschiedliche Mitarbeitende zu schaffen. Zusätzlich können Betriebssozialarbeiterinnen und -arbeiter Mitarbeitende und Führungskräfte beratend unterstützen.
Die positiven Effekte von Inklusion
Bereits im Jahr 2023 hat die Studie MehrWirkung der Bundesarbeitsgemeinschaft Inklusionsfirmen die gesamtgesellschaftliche Wirkung von Inklusion bestätigt.
Dass sich Inklusion am Arbeitsplatz positiv auf die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderung auswirkt, hat eine umfangreiche Studie ergeben, die AfB gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen CONCERN im Sommer 2024 durchgeführt hat. Mehr als 70 Prozent der Mitarbeitenden haben sich daran beteiligt, darunter Menschen mit psychischen oder körperlichen Behinderungen, Sinneseinschränkungen oder anderen Beeinträchtigungen.
Die Ergebnisse belegen, dass 60 Prozent der Mitarbeitenden mit anerkannter Behinderung eine Verbesserung ihrer Situation durch ihre Arbeit im Vergleich zu ihrer vorherigen Tätigkeit erleben. Die Ergebnisbewertung von CONCERN fällt entsprechend positiv aus: Der empirische Mittelwert liegt deutlich oberhalb des theoretischen Mittelwerts von 50 Prozent und ist damit als sehr gut einzuschätzen. Die positive Bewertung betrifft gleichermaßen alle vier abgefragten Wirkungsfelder: Gesundheit und Wohlergehen, Bildung und Beschäftigungsfähigkeit, Selbstbestimmung und Selbstvertrauen sowie Integration und Entstigmatisierung. Die höchsten Werte wurden mit 67 Prozent im letzten Bereich erzielt. So erleben Menschen mit einer Behinderung durch ihre Tätigkeit bei unserem Unternehmen und die damit verbundenen sozialen Kontakte im Betrieb deutlich mehr Teilhabe und Chancengerechtigkeit sowie eine bessere Integration in die Gesellschaft.
Vielen Mitmenschen ist nicht bewusst, dass eine Behinderung jeden treffen kann. Laut statistischem Bundesamt entstehen die meisten im Laufe des Lebens durch Krankheiten oder Unfälle. Behinderungen, die von Geburt an bestehen, machen nur 3 Prozent aus (Statistisches Bundesamt 2023). Doch trotz Fachkräftemangel bleibt das Potenzial vieler Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ungenutzt: Laut Inklusionsbarometer der Aktion Mensch 2024 sind 11 Prozent der schwerbehinderten Menschen ohne Arbeit. Dabei bereichert Vielfalt die Unternehmenskultur nachweislich: Menschen mit Behinderung bringen oft besondere Erfahrungen und neue Perspektiven ein – gerade in der IT-Branche ein entscheidender Faktor. Die Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes ist daher eine kluge wirtschaftliche Strategie.
Über den Autor:
Daniel Büchle ist CEO von AfB social & green IT. Das Inklusionsunternehmen hat sich auf das Refurbishing von IT- oder Mobilgeräten spezialisiert und beschäftigt europaweit nahezu 50 Prozent Menschen mit Behinderung.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.