Tierney - stock.adobe.com

Toter Code in Java: unsichtbare Last für Entwicklerteams

Viele Unternehmen setzen auf Java. Dass bei der Entwicklung toter Code anfällt, ist unvermeidlich. Doch dieser ist ein Sicherheitsrisiko und bremst die Entwicklerproduktivität aus.

Viele Java-Anwendungen, insbesondere im Enterprise-Umfeld, sind über Jahre – teilweise Jahrzehnte – gewachsen. Neue Features wurden ergänzt, alte Pfade nie ganz entfernt und neue externe Bibliotheken angedockt. Das Ergebnis: große, oft unübersichtliche Codebasen mit unzähligen Abhängigkeiten. Manchmal wird in großen Anwendungen über die Hälfte des selbst entwickelten Codes gar nicht mehr aktiv genutzt.

Warum toter Code auch Produktivität und Teamstabilität gefährdet

Unnötiger Code ist ein Bremsklotz für Entwicklerteams. Der jüngste State of Java Survey & Report von Azul zeigt: 62 Prozent der Befragten geben an, dass ihre DevOps-Teams durch ungenutzten oder toten Code ausgebremst werden. Zudem sagen 33 Prozent der Befragten, dass die Bearbeitung von Security False Positives mehr als 50 Prozent der Zeit ihrer DevOps-Teams belegen.

Hinzu kommen lange Testpipelines, komplizierte Upgrades und technische Altlasten. All das verringert die Produktivität der Entwicklerteams und führt dazu, dass Features später marktreif werden. Besonders kritisch: Top-Entwickler verlassen Teams, wenn sie dauerhaft in Wartungsschleifen feststecken. Wer talentierte Fachkräfte halten will, muss dafür sorgen, dass sie ihre Zeit mit produktiver, kreativer Arbeit verbringen – nicht mit der Pflege von Code, der längst keine Rolle mehr spielt.

Auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist die Situation kritisch. Wenn viel Entwicklungszeit in unnötige Codepflege fließt, ist das nicht nur ineffizient, sondern ein direkter Wettbewerbsnachteil. Organisationen, die ihre technische Komplexität aktiv abbauen, gewinnen hingegen Geschwindigkeit, Innovationskraft – und nicht zuletzt Mitarbeitermotivation.

Denn neben Sicherheits- und Performance-Vorteilen hat das Aufräumen auch einen oft unterschätzten Effekt: Es entlastet das Entwicklerteam mental. Wer täglich mit Altlasten arbeitet, verliert schnell den Blick für das Wesentliche. In der Praxis zeigt sich immer wieder: Das gezielte Entfernen unnötiger Komponenten wirkt wie eine Art therapeutischer Prozess im Software Development Lifecycle. Es schafft Klarheit, Fokus – und ein motivierendes Arbeitsumfeld.

Weniger Code bedeutet weniger Angriffsfläche

Auch aus Security-Sicht lohnt es sich, toten Code abzubauen: Was auf den ersten Blick harmlos erscheint, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als schwer kalkulierbares Risiko. Denn jede Drittanbieter-Bibliothek – ob aktiv genutzt oder nicht – bleibt angreifbar, sobald sie Teil der Produktivversion einer Anwendung ist. Für Angreifer spielt es keine Rolle, ob der betroffene Code tatsächlich im Einsatz ist – sein bloßes Vorhandensein reicht aus, um ihn anzugreifen.

Hacker können nicht angreifen, was nicht vorhanden ist. Wenn man etwas nicht braucht und es entfernt, besteht also kein Risiko. In der Praxis bedeutet das: Entwicklerteams müssen wissen, welcher Code und welche Bibliotheken tatsächlich produktiv genutzt werden – und was eliminiert gehört.

Wie die Codebereinigung gelingt

In vielen Fällen ist toter Code das Ergebnis technischer Transformationen: Upgrades von Java 8 auf Java 21, Framework-Wechsel oder neue Bibliotheksversionen. Diese Veränderungen erzeugen Codepfade, die nie mehr aufgerufen werden – aber dennoch im Repository verbleiben. Statische Analyse-Tools erkennen oft nur völlig ungenutzten Code, übersehen aber Funktionen, die potenziell noch referenziert sein können – oder durch alte Tests künstlich am Leben gehalten werden.

Viele Teams scheuen sich vor dem Aufräumen, weil es riskant sein kann – eine irrtümlich entfernte Abhängigkeit und die Applikation funktioniert nicht mehr. Dabei lässt sich die Bereinigung mit einem klaren Prozess gut strukturieren: Zunächst sollten Runtime-Logs erfasst werden, um herauszufinden, welcher Code und welche Bibliotheken tatsächlich im Produktivbetrieb genutzt werden. Ungenutzte Komponenten können gezielt zur Ausmusterung gekennzeichnet werden – das schafft Bewusstsein im Team und macht technische Altlasten greifbar.

Erik Costlow, Azul

„Wer heute über IT-Sicherheit, Produktivität des Entwicklerteams und Mitarbeiterbindung spricht, kommt an der Reduktion unnötiger Komplexität nicht vorbei. Bibliotheken, die nicht verwendet werden, gehören nicht in die Anwendung.“

Erik Costlow, Azul

Die eigentliche Entfernung kann in geplanten Zyklen erfolgen, idealerweise mit Feature-Toggles – um im Live-Betrieb zu testen, ob die Entfernung wirklich unkritisch ist – und klarer Kommunikation. Werkzeuge wie OpenRewrite oder Refactoring-Plugins unterstützen dabei, Reduktionen automatisiert und sicher durchzuführen. Bei Unsicherheiten lohnt es sich, spezialisierte Java-Experten hinzuzuziehen.

Fazit: Weniger Code, mehr Fokus, mehr Sicherheit

Wer heute über IT-Sicherheit, Produktivität des Entwicklerteams und Mitarbeiterbindung spricht, kommt an der Reduktion unnötiger Komplexität nicht vorbei. Bibliotheken, die nicht verwendet werden, gehören nicht in die Anwendung. Funktionen, die nicht mehr gebraucht werden, sollten nicht weiter mitgeschleppt werden. Der Aufwand, sie zu pflegen, zu testen oder gegen Sicherheitslücken zu patchen, lohnt sich schlicht nicht.

Die gute Nachricht: Mit den richtigen Tools und etwas strategischem Fokus lässt sich dieser Ballast identifizieren, systematisch abbauen – und durch eine schlankere, wartungsärmere Codebasis ersetzen. Was am Ende bleibt, ist nicht nur eine sicherere Anwendung. Es ist auch ein Entwicklerteam, das sich wieder auf das konzentrieren kann, was zählt: guten Code zu schreiben, der genutzt wird – und der Wert schafft.

Über den Autor:
Erik Costlow ist Senior Director Product Management bei Azul.

 

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

Erfahren Sie mehr über Softwareentwicklung