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Nutzerfreundliches ERP mit SAP Fiori Apps – doch zu welchem Preis?

Mit SAP Fiori haben Anwender die Möglichkeit, die Bedienung der SAP Business Suite zu vereinfachen. Die Kunden sind aber über den Preis unglücklich.

Wie Anwender lokale ERP-Programme nutzen, war noch nie ein großes Thema bei der Softwareentwicklung. Stattdessen wurde Benutzerfreundlichkeit nachträglich aufgesetzt – und nur dann, wenn die ERP-Anwendungen in den Händen der Kunden und deren Implementierungspartner waren. Mit der Einführung der SAP Fiori Anwendungen im letzten Jahr, haben SAP-Kunden nun die Möglichkeit, die Bedienung ihrer ERP-Software zu vereinfachen.

Die alte ERP-Design Denkweise, die auf Transaktionsausführung und nicht auf Usability fixiert war, beginnt angesichts der schnellen und weit verbreiteten Akzeptanz von Cloud-, Mobile- und Consumer-Anwendungen zu brökeln. Immer mehr Firmen möchten eine breitere Masse von Mitarbeitern dazu bringen, auf ERP-Daten und -Prozesse zuzugreifen und damit zu arbeiten – am besten ohne zusätzliche Investitionen in ein Training.

Im Idealfall sollte sich heute eine Business-Anwendung so einfach und intuitiv bedienen lassen wie Consumer-Apps. ERP-Anbieter sind deshalb daran interessiert, ihre Software einem breiteren Publikum schmackhaft zu machen und den Anwendungsbereich neu zu definieren - ein Schritt, der die Zahl der Gelegenheitsnutzer erhöhen wird. Die Hersteller entwickeln zusehends einheitliche Softwareinfrastrukturen, um verteilte Anwendungen zu integrieren und zu verknüpfen.

SAP zeigt, warum und wie ERP-Anbieter ihre Haltung zur Usability ändern. Im Laufe der Jahre haben viele SAP-Kunden mit der ERP-Benutzung gekämpft und versucht, mit oder um die komplexen und monolithischen Anwendungen herum einigermaßen bequem zurecht zu kommen. Zudem haben sie entweder Ressourcen in die Benutzerfreundlichkeit im eigenen Haus gesteckt oder diese von Implementierungs-Partnern ausführen lassen.

Von Zeit zu Zeit hat SAP versucht, sich mehr um die Nutzerfreundlichkeit ihres Systems zu kümmern. Dies allerdings nie so, dass die Usability in den Mittelpunkt des ERP-Designs gerückt wäre. Als SAP anfing seine Applikationen auf die In-Memory-Infrastruktur von HANA umzurüsten, hat das Unternehmen gleichzeitig verstärkt seine Business-Netzwerke in Branchen wie dem Einzelhandel unterstützt und brandneue Nutzergemeinschaften hinzugewonnen.

Arbeiten mit SAP Fiori

Dies ist nun der Punkt, an dem Fiori ins Spiel kommt – die neue, rollen-zentrierte Sichtweise auf das Anwendungsdesign von SAP. Angetrieben von einer Kombination aus der SAP-eigenen Version der HTML5-Auszeichnungssprache SAPUI5 und NetWeaver Gateway zielen Fiori-Apps darauf, Anwender mit der ERP-Information auszustatten, die sie brauchen, um Routineaufgaben in einer Vielzahl von Geräten auszuführen.

Mit SAP Fiori können Anwender alle Aufgaben rollenbasiert, prozessbezogen und komfortabel in einer einzigen Benutzeroberfläche erledigen. Das ist ein großer Mehrwert, da zum Beispiel ein Vertriebsmitarbeiter auf Datensätze aus SAP CRM zugreifen kann, wenn er einen Kunden kontaktieren will, Aufträge hingegen muss er in SAP ERP erfassen. Vor allem erlernen gelegentliche SAP-Anwender den Umgang mit den Apps schnell.

SAP veröffentlichte eine erste Welle von Fiori Anwendungen im Mai 2013 mit 25 Apps. Mitarbeiter können mit diesen Self-Service-Lösungen tägliche und wiederkehrende Arbeitsaufgaben, etwa die Erfassung von Arbeitszeiten oder die Bestätigung von Reisekosten, einfach und schnell erledigen.

Die zweite Welle von Fiori Apps

Darauf folgten in einer zweiten Welle im Dezember 2013 weitere 200 Fiori-Anwendungen. Diese zielten darauf ab, die Benutzerfreundlichkeit der folgenden SAP-Produkte zu verbessern: SAP-On-Premise Financials, Human Resources, Sales, Procurement, Manufacturing, Supply Chain, Research und Development sowie  Engineering.

Neben weiteren 25 transaktionalen Apps gibt es nun drei neuartige App-Typen, die mehr als 155 Applikationen auf sich vereinen: Transaktionale, auf Aufgaben bezogene Apps (z. B. wenn ein Mitarbeiter einen Reiseantrag einreicht oder der Antrag von einem Manager genehmigt wird); analytische Apps zur Visualisierung komplexer Sachverhalte (z.B. wenn ein Kassenverwalter einen Cash-Flow überwacht); und Factsheets (z. B. wenn ein Finanzkontrolleur eine Kostenstelle inspiziert).

Während transaktionale, aufgabenbezogene Fiori Anwendungen auf HANA und normalen relationalen Datenbanken laufen, verlangen die analytischen Apps die HANA Operational Analytical Engine. Die Factsheet-Apps benötigen die auf HANA laufende Business Suite. Der grundlegende Support für die transaktionalen Fiori Anwendungen beginnt mit SAP ERP 6.0 SPS 15, und einige Transaktionsanwendungen benötigen die verfügbaren Funktionen in den ERP Enhancement Packs.

Preismodell von SAP Fiori in der Kritik

Fiori kostet 150 US-Dollar (rund 110 Euro) pro Nutzer. Die Lizenz ist unbefristet, so dass ein Nutzer theoretisch eine oder alle 200 oder mehr Fiori Anwendungen verwenden könnte. Weil es sich dabei um den Listenpreis handelt, können es Unternehmen möglicherweise günstiger beziehen.

Ein Problem besteht darin, ob das Pro-User-Lizenz -Modell in der Praxis bei Unternehmen mit großen Mitarbeiterschwankungen funktioniert. Eine noch größere Herausforderung für SAP ist, ob Firmen bereit sind, für Benutzerfreundlichkeit extra zu bezahlen - auch wenn Fiori mit dem Versprechen kommt, dass die analytischen und Factsheet-Anwendungen neue Funktionen enthalten.

Bisher grummelte es bei einigen großen und mittelständische SAP-Kunden und SAP- Systemintegratoren. In der On-Premise-Welt haben die Unternehmen, die auf der Suche nach besser nutzbarer ERP sind, traditionell extra bezahlt. Aber dieser Ansatz gerät mittlerweile angesichts des Software as a Service (SaaS) -Modells in die Kritik. Die Händler können (und müssen) hingegen für alle Abonnenten neue Benutzerschnittstellen und zusätzliche Funktionen als Teil der neuesten, automatischen Aktualisierung anbieten.

Experimentelle Tage

Noch sind es frühe, experimentelle Tage für Fiori, mit einer Kundenzahl, die eher im Bereich von Hundert statt von Tausend liegt. Einige der Early Adopters sind multinationale Unternehmen wie Colgate-Palmolive und Nestle, die regelmäßig mit SAP Neues ausprobieren. Ich bin überzeugt, dass SAP die Pro-User-Pauschale bald fallen lassen wird und stattdessen ein nuanciertes und differenziertes Preismodell für die verschiedenen Arten von Fiori Anwendungen einführen wird. Mit mehr als der Hälfte der aktuellen Fiori Apps, die HANA-Technologie erfordern, wird SAP Fiori attraktiver für seine Kunden und gleichzeitig die Verbreitung von HANA fördern.

Bis jetzt liegt der Fokus bei Fiori auf Geräteunabhängigkeit – die Apps lassen sich am Desktop-PC oder per Smartphone, Tablet oder Notebook nutzen. Aber wenn SAP das Fiori Design-Denken ins gesamte Anwendungsportfolio einbezieht, wird Fiori auch entwicklungsunabhängig. Zukünftig wird SAP bei seiner bestehenden Kundenbasis Fiori Anwendungen demonstrieren müssen und zeigen, wie damit quantifizierbare Einsparungen an Zeit und Geld möglich sind - und die Effizienz der Mitarbeiter verbessert werden kann.

Über den Autor: China Martens ist eine unabhängige Analystin für Business-Anwendungen und freiberufliche Autorin. Sie ist unter der E-Mail-Adresse [email protected] zu erreichen oder auf Twitter unter @chinamartens.

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