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IT Security und Logistik: Neue Herausforderungen und Risiken
Die Digitalisierung der Lagerprozesse und Logistik ist automatisch auch mit neuen Sicherheitsrisiken verbunden. Der Zero-Trust-Ansatz kann die Resilienz von Unternehmen stärken.
Zwischen Förderbändern, Hochregallagern und autonomen Systemen spielt sich ein leiser, aber grundlegender Wandel ab. Roboter und andere automatisierte Systeme übernehmen immer mehr Aufgaben – nicht nur aufgrund fehlender Fachkräfte, sondern insbesondere auch, weil Lieferketten schneller, effizienter und flexibler werden müssen. Neben klassischen Investitionsmodellen setzt sich dabei zunehmend das RaaS-Prinzip (Robots as a Service) durch, das neben Hardware auch Wartung, Support und Software-Updates umfasst. Unternehmen profitieren dadurch von geringeren Anfangsinvestitionen, flexibler Skalierbarkeit und einer besseren Anpassungsfähigkeit an saisonale oder wirtschaftliche Schwankungen.
Gleichzeitig steigt mit der Digitalisierung der Lagerprozesse jedoch auch die Komplexität der Sicherheitsanforderungen. Vernetzte Systeme und autonome mobile Roboter erfassen, verarbeiten und übertragen teilweise hochsensible Daten, die häufig in Cloud-gestützte Warehouse-Management-Systeme (WMS) eingebunden sind.
Cybersicherheit in vernetzten Logistiksystemen: Neue Herausforderungen und Risiken
Eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (PDF) zeigt, dass insbesondere die Verlagerung von Anwendungen in die Cloud, die wachsende Systemvernetzung entlang der Lieferkette sowie die Kommunikation auf Geräteebene neue Vulnerabilitäten entstehen lassen. Öffentlich erreichbare Netzwerke, uneinheitliche Datenschutzstandards und fragmentierte Infrastrukturen erhöhen die Angriffsfläche signifikant. Hinzu kommen potenzielle Schwachstellen in der Automatisierungshardware und im Zusammenspiel von Mensch und Maschine. Moderne Logistiksysteme werden dadurch an den unterschiedlichsten Stellen verwundbarer – und klassische Sicherheitsmodelle geraten an ihre Grenzen.
Digitale Sicherheit als Wettbewerbsfaktor in der modernen Lagerlogistik
Digitale Sicherheit ist in der modernen Lagerlogistik deshalb längst kein Nice-to-have mehr, denn Cyberangriffe auf kritische Systeme können zu kostspieligen Betriebsunterbrechungen, Lieferkettenstörungen und Datenverlust führen, die das Vertrauen von Kunden und Partnern nachhaltig beschädigen. Gleichzeitig werden durch robuste Cybersicherheitsmaßnahmen nicht nur sensible Daten und Betriebsabläufe geschützt, sondern auch eine umfassende, stabile Automatisierung ermöglicht, die für die Wettbewerbsfähigkeit in der modernen Lagerlogistik unerlässlich ist.
Paradigmenwechsel in der Sicherheitsarchitektur
Traditionelle Schutzinstanzen wie Firewalls genügen heute längst nicht mehr, um einen umfassenden, robusten Schutz der digitalen Infrastruktur von Unternehmen zu gewährleisten. Cyberbedrohungen wie manipulierte Softwarekomponenten, kompromittierte Benutzerkonten oder gezielte Phishing-Angriffe durchdringen diese künstlichen Grenzen längst. Potenzielle Angreifer also weiterhin nur extern zu verorten, ist angesichts der heutigen Bedrohungslage ein gefährlicher Trugschluss. Die Zero-Trust-Technologie kehrt diese Logik um. Bei diesem Sicherheitskonzept wird davon ausgegangen, dass weder internen noch externen Anwendenden und Geräten automatisch vertraut werden darf, weshalb jede digitale Handlung überprüft und jeder Zugriff auf Systeme und Daten kontinuierlich verifiziert und autorisiert werden muss – völlig unabhängig davon, ob sich ein Nutzender innerhalb oder außerhalb des Unternehmensnetzwerks befindet. Zero Trust verhält sich also im Grunde wie eine virtuelle Zollbehörde, die Identitäten, Berechtigungen und Herkunft bei jeder Transaktion innerhalb ihres digitalen Hoheitsgebietes streng überprüft und validiert.
Dramatische Zahlen zeigen stetig wachsendes Gefahrenpotenzial
Die aktuelle Bedrohungslage unterstreicht die Dringlichkeit eines Strategiewechsels. Eine Studie des Digitalverbands Bitkom zeichnete im vergangenen Jahr infolgedessen ein alarmierendes Bild. Bereits 81 Prozent aller deutschen Unternehmen waren in den vergangenen zwölf Monaten von Datendiebstahl, Spionage oder Sabotage betroffen – ein deutlicher Anstieg gegenüber 72 Prozent im Jahr 2023. Der finanzielle Schaden erreichte dabei einen neuen Rekordwert von 266,6 Milliarden Euro, was einem Anstieg von 29 Prozent entspricht. Allein durch Cybercrime entstanden Schäden in Höhe von 178,6 Milliarden Euro, wobei Ransomware und Phishing als die häufigsten Angriffsformen identifiziert wurden.
Besonders besorgniserregend ist der Umstand, dass 74 Prozent der Firmen von Datendiebstahl betroffen waren. Die psychologische Belastung für Unternehmen ist deshalb nachvollziehbarerweise erheblich: Zwei Drittel (65 Prozent) sehen sich mittlerweile durch Cyberattacken in ihrer Existenz bedroht – eine drastische Steigerung gegenüber 52 Prozent im Jahr 2023 und nur 9 Prozent im Jahr 2021.
Zero Trust als strategischer Branchenstandard
Angesichts dieser Entwicklungen etabliert sich Zero Trust zunehmend als Standard in der Sicherheitsarchitektur moderner Unternehmen. Die Maxime Never Trust, Always Verify wird dabei zur operativen Leitlinie. Laut einer Gartner-Prognose werden bis Ende 2025 mindestens 60 Prozent der Unternehmen weltweit eine Zero-Trust-Strategie implementiert haben. Die Logistikbranche steht dabei besonders im Fokus – nicht zuletzt, weil Lieferketten durch ihre Komplexität und Vernetzung besonders anfällig für gezielte Angriffe sind.
Führende Anbieter autonomer mobiler Automatisierungslösungen haben diesen Paradigmenwechsel von Anfang an internalisiert und aktiv vollzogen. Denn gerade bei der Integration autonomer Systeme zeigen sich eine ganze Reihe spezifischer Herausforderungen, da GPS-Spoofing, Funkstörungen oder unsichere Betriebssysteme erfolgsentscheidende Prozesse empfindlich stören können.
Technologische Grundlagen für den Einsatz von Zero Trust-Technologie
Das Zero Trust Maturity Model der US-amerikanischen Cybersecurity and Infrastructure Security Agency (CISA) definiert fünf zentrale Schutzbereiche: Identität, Gerät, Netzwerk, Applikation und Daten. Umfassende Sicherheitskonzepte setzen daher auf moderne Mechanismen wie verschlüsselte Netzwerke, mehrstufige Authentifizierung, dynamische Zugriffsrechte und verhaltensbasierte Zugriffskontrolle. Dabei hat sich der Einsatz von IAM (Identity and Access Management) besonders bewährt. Mithilfe dieses Frameworks aus Technologien, Richtlinien und Prozessen können die digitalen Identitäten von Nutzenden verwaltet und in Echtzeit auf Basis aktueller Verhaltensmuster angepasst und kategorisiert werden. Dies ermöglicht eine vollständige Kontrolle darüber, wer auf welche Ressourcen in einem IT-System zugreifen darf und minimiert dadurch unmittelbar potenzielle Sicherheitsrisiken.
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„Logistiksysteme entwickeln sich ständig weiter – und mit ihnen die Bedrohungslage. Neue Technologien wie Blockchain-basierte Lieferkettentransparenz, digitale Zwillinge oder 5G-Mobilfunk verändern die Anforderungen an IT-Sicherheit fortlaufend.“
Denis Niezgoda, Locus Robotics
Der Mensch als größte Schwachstelle
So robust technische Schutzmaßnahmen auch sind – Unternehmen bleiben dennoch anfällig, wenn der menschliche Faktor nicht berücksichtigt wird. Social-Engineering-Angriffe zählen weiterhin zu den effektivsten Methoden, um in Systeme einzudringen. Nur durch gezielte Awareness-Programme, regelmäßige Schulungen und den Aufbau einer gelebten Sicherheitskultur lässt sich dieses Risiko nachhaltig eindämmen. Zero Trust darf daher nicht allein als IT-Initiative verstanden, sondern muss tief in das Bewusstsein eines Unternehmens und dessen Mitarbeitenden verankert werden.
Mehr als Technologie: Zero Trust als strategischer Vorteil
Die Einführung eines Zero-Trust-Ansatzes ist weit mehr als eine rein technische Maßnahme. Sie ist ein strategisches Instrument zur Stärkung der unternehmerischen Resilienz. Unternehmen, die Zero Trust konsequent umsetzen, sind besser gegen Bedrohungen geschützt, erfüllen regulatorische Anforderungen wie ISO 27001, NIST oder BSI IT-Grundschutz und stärken gleichzeitig das Vertrauen von Kunden und Partnern. Der Einsatz KI-gestützter Threat-Intelligence-Systeme ermöglicht es darüber hinaus, Angriffe schneller zu erkennen und gezielter abzuwehren.
Ausblick: Digitale Sicherheit als kontinuierlicher Prozess
Logistiksysteme entwickeln sich ständig weiter – und mit ihnen die Bedrohungslage. Neue Technologien wie Blockchain-basierte Lieferkettentransparenz, digitale Zwillinge oder 5G-Mobilfunk verändern die Anforderungen an IT-Sicherheit fortlaufend. Wer wettbewerbsfähig bleiben will, muss Sicherheit als langfristigen Transformationsprozess begreifen. Zero Trust ist dabei kein Projekt mit festem Endpunkt, sondern ein kontinuierlicher Weg hin zu einer widerstandsfähigen, zukunftssicheren Logistik.
Über den Autor:
Denis Niezgoda ist Chief Commercial Officer International bei Locus Robotics.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.
			
	