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Fünf Mythen über künstliche Intelligenz und Machine Learning

Um künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen ranken sich einige Mythen. Verantwortliche sollten sich dieser Punkte bewusst sein, um KI- und ML-Projekte zum Erfolg zu führen.

Von selbstfahrenden Autos über Krebsfrüherkennung bis hin zur Qualitätskontrolle in der produzierenden Industrie: Das Potenzial für den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) ist grenzenlos – und das über alle Branchen und Abteilungen hinweg. Dass die moderne Technologie die Strahlkraft eines Wundermittels besitzt, ist daher kaum verwunderlich.

Einer Bitkom-Umfrage zufolge halten mehr als zwei Drittel der deutschen Unternehmen KI sogar für die wichtigste Zukunftstechnologie. Acht von zehn der Befragten rechnen außerdem damit, dass KI sowohl Wirtschaft als auch unsere Gesellschaft bis 2030 spürbar verändern wird.

Dass künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen das Potenzial haben, jede erdenkliche Hürde auf dem Weg zum Geschäftserfolg in Luft aufzulösen, ist allerdings nicht mehr als ein Mythos. Tatsächlich gibt es einigen Irrglauben über die Technologien, die Unternehmen daran hindern, sie wirklich gewinnbringend in ihren Prozessen zu etablieren.

1. Mit Künstlicher Intelligenz werden sich alle Probleme in Luft auflösen

Umsatz steigern, Kosten senken, Betrugsversuche erkennen, monotone Tätigkeiten abschaffen – von KI-Technologien wird im Unternehmenskontext viel erwartet. Tatsache ist jedoch: So schnell und einfach funktioniert die Einführung in der Praxis nicht. Es ist nicht wie beim Anschluss einer neuen Küchenmaschine, mit der aus ein paar Zutaten im Handumdrehen ein schmackhaftes Drei-Gänge-Menü entsteht.

Stattdessen handelt es sich um einen andauernden Prozess, der planvoll und schrittweise umgesetzt werden sollte – erst für einige Projekte und später für komplette Prozesse und Abteilungen. Es kann sich beispielsweise lohnen, mit der Steigerung der Kundenzufriedenheit zu beginnen und hier Tools wie einen KI-basierten Chatbot einzubinden, der zunächst wichtige Informationen wie Kundennummer oder Art des Problems einholt, bevor er den Fall an den passenden, menschlichen Mitarbeitenden übergibt.

Durch eine sukzessive Einführung von KI an vielversprechenden Stellen im Unternehmen haben die Teams Zeit, sich mit dessen Möglichkeiten und Funktionsweisen auseinanderzusetzen und ihr Verständnis zu schärfen, um darauf aufbauend die nächste Herausforderung anzugehen.

2. Beim Machine Learning geht es darum, wie ein Mensch zu denken

Das menschliche Gehirn ist komplex, doch es hat ein entscheidendes Problem: Da es jeden Tag gigantische Mengen an Informationen verarbeiten muss, ist es dazu gezwungen, zu selektieren. Mentale Modelle, die wir über die Zeit verinnerlicht haben, helfen uns dabei, herauszufiltern, was wichtig ist und was nicht.

Über diesen Prozess können wir innerhalb von Sekundenbruchteilen eine Entscheidung treffen, ohne bewusst darüber nachdenken und Energie verschwenden zu müssen. Trotzdem bedeutet das nicht, dass jede Schlussfolgerung, zu der wir während dieses Prozesses unbewusst gelangen, richtig sein muss. Ganz im Gegenteil, denn ein solch stereotypisierendes Mindset kann im heutigen Zeitalter gravierende Folgen haben – zum Beispiel dann, wenn bei der Frage, wer einen Kredit erhalten sollte, Frauen systematisch benachteiligt werden.

Damit solch fehlerhaften Einschätzungen durch ML-Technologien nicht zusätzlich verstärkt werden, ist es wichtig, dass diese eben nicht wie der Mensch denken. Das andere würde ansonsten zu voreingenommenen Ergebnissen führen, die zum Beispiel ein bestimmtes Geschlecht oder Menschen anderer Nationalitäten diskriminieren.

3. Machine Learning kann die Zukunft voraussagen

Diese Annahme ist richtig, aber nur dann, wenn die Zukunft genauso aussieht wie die Vergangenheit. Da ML-Modelle mit historischen Datensätzen trainiert werden, können ihre Vorhersagen ungenau oder falsch werden, wenn sich die Rahmenbedingungen verändern. Sie sind nicht dazu in der Lage, etwas dazu zu dichten oder hellzusehen, was eventuell in der Zukunft passiert.

Wie hätte die Technologie, die auch häufig für die Optimierung von Lieferketten eingesetzt wird, beispielsweise voraussagen sollen, dass ein Frachtschiff den Suezkanal blockieren wird? Allerdings kann maschinelles Lernen dabei helfen, zu berechnen, welche Folgen es haben wird, wenn sich die Lieferung wichtiger Rohstoffe um ein, zwei oder drei Tage verzögert.

David Sweenor, Alteryx

„Durch eine sukzessive Einführung von KI an vielversprechenden Stellen im Unternehmen haben die Teams Zeit, sich mit dessen Möglichkeiten und Funktionsweisen auseinanderzusetzen.“

David Sweenor, Alteryx

Störungen wie diese sind keine Seltenheit, weshalb in den gesammelten Daten wahrscheinlich Informationen darüber zu finden sind. Auf dieser Datengrundlage kann die moderne Technologie verschiedene Szenarien modellieren, sodass sich das jeweilige Unternehmen wappnen kann, sollte eine ähnliche Verzögerung in Zukunft wiederholen.

4. Je mehr Daten, desto besser ist das Ergebnis

Werden KI- und ML-Technologien mit schlechten Daten gefüttert, die irrelevant, nicht bereinigt oder schlichtweg falsch sind, wird sich genau das auch in den Ergebnissen widerspiegeln – und dabei ist es völlig egal, ob es um eintausend oder eine Million Datensätze geht. In dem Sinne: Nein, viele Daten erbringen nicht zwangsläufig ein besseres Resultat. Data Scientists sagen, dass sie rund 80 Prozent ihrer Zeit damit verbringen, Daten für die Nutzung vorzubereiten, und das hat einen guten Grund. Selbst die cleverste Maschine wird nicht dazu in der Lage sein, einen nützlichen Output zu liefern, wenn der ihr zugeführte Input fehlerhaft ist. Deshalb ist es zunächst wichtig, diese hinsichtlich der genannten Faktoren zu überprüfen.

Auch die Annahme, dass die Ergebnisse mit der Zeit besser werden, ist ein Trugschluss. Unter bestimmten Umständen kann sogar das Gegenteil der Fall sein, zum Beispiel dann, wenn sich die Situation oder die Menschen, auf die sie zugeschnitten sind, verändern. Etwas, das gestern noch galt, ist vielleicht morgen überholt. Um dauerhaft gute Ergebnisse zu erzielen, sind aktuelle, hochwertige und relevante Daten das A und O. Und sollten diese nicht innerhalb des Unternehmens selbst generiert werden können, lohnt es sich, sie auch von externen Quellen zu beziehen.

5. KI und ML erledigen Aufgaben automatisch

Dass von modernen Technologien gesteuerte Maschinen den Menschen auf kurze oder lange Sicht ersetzen werden, ist eine Angst, die immer wieder diskutiert wird – und das zurecht, immerhin geht es um den möglichen Verlust unzähliger Arbeitsplätze. Was viele bei dieser Debatte jedoch übersehen: Die Geschäftswelt ist gezwungen sich weiterentwickeln. Nur dadurch ist sie in der Lage, zeitgemäß zu agieren.

So lässt es sich zum Beispiel kaum bestreiten, dass die Post zahlreiche Stellen abbauen musste, nachdem die E-Mail eingeführt worden war. Trotzdem würde wohl kaum ein Unternehmen zu einer Kommunikation zurückkehren wollen, die allein auf dem Postweg funktioniert. Dasselbe gilt für eine flächendeckende Implementierung von ML und KI. Ihre Aufgabe ist es, den Menschen zu ergänzen und dort, wo es geht, monotone Aufgaben zu automatisieren. Das soll ihn aber keineswegs ersetzen, sondern ihm stattdessen Zeit verschaffen, um andere Aufgaben zu priorisieren. Moderne Technologien haben das Potenzial, die Arbeit zu gestalten, was letztlich einen positiven und keinen negativen Effekt auf den Arbeitsmarkt haben wird.

Über den Autor:
David Sweenor ist als Senior Director of Product Marketing bei Alteryx tätig. Im Bereich Analytik blickt er auf eine 20-jährige Erfahrung zurück, wobei er derzeit verschiedene globale Initiativen im Bereich Advanced Analytics verantwortet.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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