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Wie sich Microsoft Dynamics AX ERP im Wettbewerb mit SAP und Co. schlägt

Im Interview diskutiert Gartner-Analyst Nigel Montgomery über Microsoft Dynamics AX ERP und wie es sich verglichen mit anderen ERP-Angeboten schlägt.

Microsoft Dynamics AX ERP wurde überarbeitet und im Frühjahr 2016 als Cloud-first ERP-System veröffentlicht. Unternehmen werden laut Gartner Research Director Nigel Montgomery einige Dinge am neuen System mögen, wenn sie erwägen, in die Cloud abzuwandern.

Im Interview diskutiert Montgomery über Microsoft Dynamics AX ERP und wie es sich im Vergleich mit der SAP Fiori UX schlägt. Außerdem wirft er einen Blick darauf, wie sich Dynamics AX ERP in die zunehmend überfüllte ERP-Landschaft einordnen lässt.

Wie bewerten Sie Microsoft Dynamics AX ERP?

Nigel Montgomery: Die Grundlagen von Dynamics AX ERP sind gut, das Produkt ist gut, die Darstellung und die Art, wie man mit den Daten und dem System arbeiten kann, sind gut. Die Benutzeroberfläche ist ebenfalls bemerkenswert. Sie ist viel flexibler als bei vielen anderen Systemen. Die Herausforderung besteht darin, dass es Out-of-the-Box nicht so projektzentriert arbeitet wie es sollte. Deshalb benötigt man Add-ons von Partnern, die dies abdecken. Ich denke, das ist eine Herausforderung, da viele Fertigungsunternehmen zunehmend projektzentriert arbeiten und sie sich sowohl in der benutzerdefinierten Perspektive eines Kunden als auch in individuellen Projekten engagieren.

Microsoft muss sich stärker auf das projektzentrierte Modell konzentrieren und Funktionen integrieren, die in einem solchen Modell benötigt werden – zum Beispiel Kostenkalkulation, Planung und Einsatzszenarien. Das Unternehmen kann zwar die Informationen ausliefern, allerdings haben sie nicht das System, welches diese sammeln kann. Es erfordert daher zusätzliche Arbeit eines Partners, den sie ins Boot holen müssen.

Worin ist Microsoft Dynamics AX ERP gut und was sollte es besser machen?

Montgomery: Für die verteiltete Lagerfertigung ist es ein sehr leistungsfähiges Tool und es hat viele Fähigkeiten hinzugewonnen. Ich denke, dass die Lager- und Transportfunktionen sehr gut sind. Einer der Nachteile, den Dynamics aus meiner Sicht hat, ist, dass es entwickelt wurde, um relativ generisch zu sein und branchenübergreifend zu funktionieren. Das kann zwar einerseits ein Vorteil sein. Andererseits benötigt dieser Ansatz jemanden, der die notwendige Feinabstimmung für verschiedene Teilbereiche übernimmt.

An dieser Stelle kommen Partner ins Spiel. Die Herausforderung ist, dass je größer sie sind, desto weniger wollen sie mit einem kleinen Partner zusammenarbeiten, der das macht. Sie wollen das System so konfigurieren, wie sie es benötigen. Es wird daher im Laufe der Zeit interessant sein zu sehen, ob die globalen Systemintegratoren (GSI) einen dieser kleinen Partner mit den benötigten Fähigkeiten kaufen oder diese selbst aufbauen. Es scheint für mich logisch, dass die Fähigkeiten direkt vom GSI kommen.

Wie schlägt sich Dynamics AX ERP im Vergleich mit der SAP Fiori UX?

Montgomery: Ich denke, die neue UX [User Experience] ist flexibler als das, was SAP Fiori aktuell bietet, vor allem für die verschiedenen Rollen und Workloads, die man innerhalb eines Unternehmens hat. Das Problem ist allerdings, dass es so flexibel ist, dass man sich damit verheddern kann, wenn man nicht aufpasst. Leider ist daher eines der Probleme, dass diese Flexibilität und Agilität mit Risiko- und Management-Herausforderungen einherkommt.

SAP bietet mit der Fiori UX etwas, dass leichter strukturiert ist und daher über verschiedene Geschäftseinheiten hinweg standardisiert werden kann, wogegen aus meiner Sicht AX hier dem Nutzer ein wenig zu viel Freiraum bietet. Gleichzeitig ist einer der größten Pluspunkte, dass man mit dieser Freiheit in der Lage ist, bestimmte Dinge zu machen. Allerdings sollte ein gewisses Maß der Kontrolle des Business und System-Managements beim Unternehmen liegen.

Wie sieht es im Vergleich mit anderen ERP-Anbietern aus?

Montgomery: Infor hat ein sehr gutes Go-to-Market-Modell. Sie haben ihre Denkweise revolutioniert. Wenn man sich anschaut, was Infor bietet, sind die Fähigkeiten und die gesamte Geschichte des Unternehmens solide. Infor erscheint in unseren Anbietervergleichen als vielversprechender Anbieter, da sie viele Funktionen bieten. Allerdings müssen sie noch beweisen, dass sie am Markt angenommen werden. Das braucht Zeit. Dennoch würde ich sagen, dass Infor viele Dinge richtig macht, um sich selbst voranzubringen. Außerdem war der Anbieter bereits in einigen großen Vertragsabschlüssen wettbewerbsfähig. Ich glaube daher, sie haben eine gute Geschichte.

Gibt es andere Anbieter, die interessante Dinge im Fertigungsbereich machen, besonders im Hinblick auf die Cloud-Nutzung, die von traditionellen Herstellern nur langsam angenommen wird?

Montgomery: Es gibt einige andere Player, die aus meiner Sicht interessant sind und einen guten Mix bieten. NetSuite ist bereits länger in der Cloud aktiv und hat einige Funktionen für Fertigungsunternehmen integriert. Allerdings sind diese nicht so umfassend wie die von AX  - und auch nicht so tief wie bei anderen Lösungen wie zum Beispiel JD Edwards [EnterpriseOne]. Doch die Anwendung ist leistungsfähig und der Anbieter hat einen guten Vertrieb und ein gutes Preis-Management. Es ist daher aktuell eine gute Lösung mit vielen Funktionen für kleinere Unternehmen.

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NetSuite kann zwar mithalten, doch wenn man sich die komplette Cloud-Bewegung beziehungsweise die Akzeptanz der Cloud als Delivery-Modell anschaut, kommen eine ganze Reihe anderer Anbieter ins Spiel, zum Beispiel Kenandy und Acumatica, die da draußen sind und etwas bewegen. Da die Cloud-Frage immer häufiger gestellt wird und die Akzeptanz steigt, egal wohin man schaut, dann haben diese Anbieter einige Chancen. Und das ist es, wo Unternehmen wie Microsoft oder SAP aufpassen müssen.

Denke Sie, dass Fertigungsunternehmen der Cloud immer offener gegenüberstehen?

Montgomery: Unternehmen, die bisher auf der operativen oder produzierenden Ebene gegen die Cloud waren, oder zumindest mit dem Einsatz zögerten, stehen dieser im häufiger offen gegenüber. Je mehr die Cloud-Skepsis weicht, desto mehr erscheint eine alleinige Cloud-Lösung eine vernünftige Idee. Bisher sagten viele Unternehmen: ‚Wenn Sie es nicht On-Premise anbieten, bin ich nicht sicher, ob ich es haben möchte.‘ Zwar denken einige Unternehmen noch immer so, doch in vielen Fällen wird die Cloud immer stärker akzeptiert.

Für kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) bieten sich hier einige Chancen. Das verändert auch die Marktdynamik, da anstelle von zwei oder drei Anbietern, die potenziell in Fragen kommen, nun eine ganze Reihe von Firmen etwas bieten. Die Herausforderung besteht darin, zwischen ihnen auszuwählen. Das ist der Punkt, wo wir beteiligt werden. Wir haben eine Menge Unternehmen, die sagen: ‚Wir haben eine ellenlange Liste von Anbietern. Bitte helft uns, diese zu kürzen.‘ Dabei geht es nicht nur um das Produkt, sondern auch um Lizenzierung und wie man das System innerhalb eines Cloud- oder PaaS-Modells (Platform as a Service) einrichtet.

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