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Microsoft Silica: Eine Zukunftsalternative für Archive
Projekt Silica von Microsoft forscht an der Datenspeicherung auf Quarzglass und fokussiert auf vier Kernbereiche. Die hohen Kapazitäten könnten für Archive eine Alternative sein.
Microsofts Projekt zur Speicherung von Daten auf Quarzglas hat in den vier Jahren seit der Vorstellung des ersten Proof of Concept Fortschritte gemacht.
In Zusammenarbeit mit Warner Bros. speicherte Microsoft eine digitalisierte Version des Films Superman aus dem Jahr 1978 auf einem Stück Quarzglas von der Größe eines Untersetzers. Das Glas war nur 2 mm dick und hatte eine Fläche von 75 mm2 und konnte den gesamten Film speichern, der mehr als 75 GByte Speicherplatz benötigte. Jetzt kann Microsoft bis zu 7 TB Daten auf einem Stück Glas derselben Größe speichern.
Project Silica ist ein Forschungsprojekt von Microsoft, das ein fortschrittliches Archivierungssystem speziell für die Cloud entwickelt. Das Forschungsteam des Projekts verwendet ultraschnelle Laseroptik zur Speicherung der Daten sowie Mikroskopie und künstliche Intelligenz zu deren Auslesen. Das Ergebnis ist ein Speichermedium, das potenziell Tausende von Jahren ohne Qualitätsverlust überdauern kann.
Was ist das Project Silica von Microsoft?
Bestehende Speichertechnologien stoßen bald an ihre praktischen Grenzen, da die Nachfrage nach langfristiger Cloud-Speicherung weiterhin in beispiellosem Tempo wächst. Derzeit werden die meisten Cold Data auf Magnetbändern, optischen Datenträgern und speziellen Festplatten gespeichert. Keine dieser Technologien ist eine kostengünstige oder nachhaltige Plattform für die Verarbeitung der riesigen Mengen an Archivdaten, die in der Cloud gespeichert werden. Sie wurden alle vor der Einführung der Cloud entwickelt und für verschiedene Verwendungszwecke konzipiert.
Bislang gab es keine Speichertechnologie, die speziell für die Speicherung von kalten Daten im Cloud-Maßstab entwickelt wurde. Microsoft’s Project Silica wurde von Grund auf für die Cloud-basierte Archivierung von Daten konzipiert. Wie das Projekt gezeigt hat, kann Quarzglas als zuverlässiges Medium für die langfristige Speicherung dienen.
Project Silica ist Teil des umfassenderen Optics for the Cloud-Projekts, einem Microsoft-Programm zur Förderung der Einführung optischer Technologien in der Cloud. Der Großteil der Arbeit an Project Silica findet im Cambridge-Labor von Microsoft Research in Großbritannien statt, wo ein Team aus Physikern, Elektroingenieuren, Optikern und Forschern ein völlig neuartiges Speichersystem entwickelt.
Die Forscher des Projekts verwenden Quarzglas als Speichermedium aufgrund seiner Langlebigkeit. Sie haben es gebacken, gekocht, in die Mikrowelle gestellt, entmagnetisiert und mit Stahlwolle geschrubbt. Nach all diesen Tests konnten sie die Daten immer noch lesen.
Quarzglas ist im Vergleich zu anderen Medien reichlich vorhanden und relativ kostengünstig. Es kann große Mengen an kalten Daten unbegrenzt speichern. Zudem erfordert es keine teure Umweltkontrolle wie Temperatur- und Feuchtigkeitsregelung oder Schutz vor elektromagnetischen Feldern (EMF). Es kann Daten über Tausende von Jahren ohne Bit-Verfall (Bit Rot) speichern, wodurch kostspielige Zyklen der Datenmigration auf Speichermedien der nächsten Generation vermieden werden.
Das Team von Project Silica konzentriert sich ausschließlich auf die Entwicklung von Storage für die Archivierung von Daten im Cloud-Maßstab. Es geht nicht darum, Verbrauchern neue Möglichkeiten für den Betrieb ihrer PCs oder das Ansehen von Filmen zu Hause zu bieten. Das Team befasst sich ausschließlich mit der Entwicklung eines Speichermediums, das große Mengen selten genutzter Daten speichern kann, sei es alle paar Monate oder alle paar Jahre.
Die Funktionsweise von Project Silica
Das Projekt Silica baut auf früheren Arbeiten von Forschern der University of Southampton auf. Sie haben gezeigt, dass Daten in Quarzglas gespeichert werden können, einer nicht kristallinen Form von Siliziumdioxid, die in Quarzkristallen, Sand und anderen Materialien vorkommt. Ihren ersten Erfolg erzielten sie 2013, als sie eine 300 KB große Textdatei in Quarzglas speicherten, das sie als 5D-Speicherkristall bezeichneten.
Das Team von Project Silica verwendet ähnliche Technologien wie die Forscher der Universität Southampton. Das Projekt ist jedoch mittlerweile viel umfangreicher und die Arbeit des Teams ist in vier verschiedene Forschungsbereiche unterteilt: das Write Lab, das Read Lab, das Decode Lab und das Library Lab. Diese werden im Folgenden kurz umrissen.
Das Write Lab
Dieses Labor codiert Daten in Quarzglasmedien, die als Platters (Platten) bezeichnet werden. Zur Codierung der Daten richtet das Team einen Femtosekundenlaser – einen Laser, wie er auch in der Lasik-Augenchirurgie verwendet wird – auf das Glas. Dieser ätzt nanoskalige Gitter (Voxel) direkt in das Glas und nicht auf dessen Oberfläche oder eine eingebettete Folienschicht. Der Laser sendet ultrakurze optische Impulse aus, die die Struktur des Glases dauerhaft verändern.
Ein Voxel kann als 3D-Pixel betrachtet werden, der mehrere Bits codieren kann. Der Laser schreibt die Voxel in 2D-Schichten über die XY-Ebene und fokussiert den Strahl an verschiedenen Positionen, um die Voxelformen zu variieren. Um Voxel in verschiedenen Schichten zu erzeugen, ändert der Laser die Fokustiefe des Strahls innerhalb des Glases. Ein 2 mm dickes Stück Glas kann Hunderte von Voxel-Schichten aufnehmen.
Das Read Lab
Dieses Labor ruft die Daten aus den Glasplatten ab, nachdem sie geschrieben wurden. Eine Platte wird unmittelbar nach dem Schreiben gelesen, um ihre Genauigkeit zu überprüfen, und dann erneut, wann immer die Daten zu einem späteren Zeitpunkt benötigt werden.
Das Lesen erfolgt durch ein Verfahren namens polarisationsempfindliche Mikroskopie, das von einem computergesteuerten Hochgeschwindigkeitsmikroskop durchgeführt wird. Der Lesetrieb nutzt eine Eigenschaft der Voxel, die als Formdoppelbrechung bekannt ist, bei der die Voxel andere Brechungseigenschaften als das umgebende Siliziumdioxid aufweisen.
Wenn polarisiertes Licht mit einem Voxel interagiert, kommt es zu Verschiebungen im Nanometerbereich in seinem elektrischen Feld. Der Bereich der Verschiebung wird als Retardierung des Voxels bezeichnet. Auch der Polarisationswinkel des Lichts ändert sich. Diese beiden Doppelbrechungseigenschaften – Retardierung und Winkeländerung – ermöglichen die Codierung mehrerer Bits pro Voxel. Sobald die Voxel erstellt sind, bleiben die Eigenschaften während der gesamten Lebensdauer des Glases stabil.
Die Daten werden aus dem Glas gelesen, indem normales Licht durch die Platte gestrahlt und die beiden Doppelbrechungseigenschaften gemessen werden. Das Mikroskop verfügt über eine Kamera zur Aufnahme von Bildern, die die Polarisationsänderungen charakterisieren. Um verschiedene Schichten im Glas zu lesen, fokussiert die Optik auf unterschiedliche Tiefen. Die Bilder werden dann zur Interpretation an den Decoder gesendet.
Das Decode Lab
Dieses Labor konzentriert sich auf die Technologien, die zur Dekodierung der vom Leselaufwerk erzeugten Bilder erforderlich sind. Project Silica verwendet Algorithmen des maschinellen Lernens (ML), um diese Bilder zu interpretieren. Die Algorithmen benötigen mehrere Bilder jedes Voxelsatzes, um deren Muster zu dekodieren.
Project Silica nutzt außerdem Deep Learning und neuronale Netzwerke, um potenzielle Schwankungen und Störungen beim Auslesen der Daten zu berücksichtigen. Das Ergebnis dieser Analysen ist ein 2D-Array von Wahrscheinlichkeitsverteilungen, die dann als Eingabe für die Fehlerkorrekturprozesse dienen. Das Endergebnis sind die nutzbaren Daten.
Obwohl der Dekodierungsprozess direkt mit dem Leseprozess verbunden ist, werden beide als separate Vorgänge behandelt. Der Reader erfasst die Bilder und der Decoder interpretiert sie. Auf diese Weise wird die Verarbeitung der komplexen Voxel zu einem Offline-Vorgang, der vom physischen Lesen der Daten getrennt ist.
Das Library Lab
Dieses Labor schreibt, liest und beherbergt die Glasplatten. Wenn sie nicht gelesen werden, befinden sich die Platten in großen Medienaufbewahrungspaneelen, die wie Bücherregale aussehen. Diese Paneele sind ebenso wie die Glasplatten vollständig passiv. Sie benötigen weder Strom noch spezielle Klimaregelung oder Schutz vor EMF-Energie.
Die Platten werden nicht in spezielle Kassetten eingesetzt oder in den Regalen arretiert. Sie werden durch die Schwerkraft an ihrem Platz gehalten und bleiben unbeweglich, bis sie zu einem Leselaufwerk transportiert werden. Wenn Daten angefordert werden, holt ein spezieller Roboter, ein sogenanntes Shuttle, die Platte und bringt sie zum Lesegerät. Nach dem Lesen der Daten bringt das Shuttle die Platte zurück ins Regal. Die Speicherpaneele verfügen an beiden Enden über mehrere Leselaufwerke, um diesen Vorgang zu optimieren.
Zahlreiche Shuttles können gleichzeitig über die Speicherplatten fahren. Die Shuttles sind batteriebetriebene, in sich geschlossene Einheiten, die auf Schienen durch die Regale fahren. Sie können auch durch einen als Crabbing bezeichneten Vorgang zwischen den Ebenen auf- und abwärts fahren. Jedes Shuttle kann jede Platte aus jedem Regal holen und zu jedem Lesegerät bringen. Das Design der Bibliothek verhindert außerdem, dass eine Platte mit gespeicherten Daten überschrieben wird, und ermöglicht gleichzeitig eine natürliches Air Gapping.
Wie sieht die Zukunft des Glas-Storage aus?
Die Forscher des Projekts Silica haben seit dem Superman-Machbarkeitsbeweis einen langen Weg zurückgelegt. Sie haben nun einen Prototyp einer Medienbibliothek in Originalgröße entwickelt, der die Wirksamkeit aller vier Labore demonstriert. Die Forscher arbeiten derzeit an der nächsten Entwicklungsstufe, haben jedoch nur wenige Details bekannt gegeben. Microsoft hat noch keinen Zeitplan für die Fertigstellung des Projekts Silica vorgelegt, das dann großflächig einsatzfähige Speicherlösungen liefern soll.
Es ist ungewiss, für wen das neue Speichersystem am besten geeignet ist und ob es außerhalb der Rechenzentren von Microsoft Verwendung finden wird. Unbekannt ist auch, welche Auswirkungen es auf die Speicherbranche haben wird. Das Projekt Silica könnte für Unternehmen mit einem breiten Spektrum an Archivierungsanforderungen von Vorteil sein, oder nur für diejenigen interessant sein, die über riesige Mengen an Archivdaten verfügen.
Klar ist, dass innovative neue Speicherplattformen erforderlich sind, um das erwartete Datenwachstum zu bewältigen. Project Silica zielt darauf ab, zumindest einen Teil dieser Anforderungen zu erfüllen, indem es sich auf die Anforderungen an Cold Storage in der Cloud konzentriert. Ob Quarzglas eines Tages auch für andere Zwecke verwendet werden könnte, bleibt ungewiss, aber es hat zweifellos das Potenzial, riesige Mengen an Archivdaten zu verarbeiten und vorzuhalten.